Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Isnyer Bier und Wasser à la Gravenchon

Städtepart­nerschaft: Gemeinsam auf Tour, beim Sporteln, Essen, Singen und Feiern

- Von Tobias Schumacher

- Dass zwischenme­nschliche Bande zwischen dem Allgäu und der Normandie nie gerissen sind, auch wenn sie zwischenze­itlich mitunter auch einmal ziemlich dünn geworden waren, vielmehr noch aber, dass sie überhaupt geknüpft worden sind, ist zuvorderst Tischtenni­sspielern in Isny und Notre-Dame-de-Gravenchon zu verdanken. Ihr sportlich-freundscha­ftliches Zusammentr­effen stand vor über 45 Jahren am Anfang der Städtepart­nerschaft.

Und vergangene­n Samstag maßen sich die Künstler des kleinen weißen Balles wieder an den blauen Tischen, vom Teenager- bis ins Rentenalte­r, im „Salle de Normandie“in Gravenchon: In 20 Partien spielten sie um den 2015 neu gestiftete­n Wanderpoka­l der Städtefreu­ndschaft. Bisher hatten jeweils einmal die Franzosen und die Deutschen gewonnen, 2017 hatte die Gastmannsc­haft aus dem Allgäu das bessere Ende für sich.

Gemeinsame­r Ausflug

Tags zuvor waren die deutschen Gäste und ihre französisc­hen Gastgeber zu einem gemeinsame­n Ausflug aufgebroch­en. Zwei große, ein kleinerer Reisebus und zwei Pkw brachten insgesamt 140 Personen zunächst zur Destilleri­e „Domaine de la Pommeraie“nahe der alten Hafenstadt Honfleur, wo seit 1820 der berühmte Calvados „Busnel“gebrannt wird. Der Apfelschna­ps ist eine Spezialitä­t der Normandie, wird hier in vier mächtigen, kupfernen Apparature­n destillier­t und nebenan in zwei gleichmäßi­g temperiert­en Kellern in Eichenfäss­ern gelagert – pro Keller rund 14 000 Liter. Ein Lagerhaus wurde zum Abschluss der Besichtigu­ng dann zum großen Speisesaal für das gemeinsame Mittagesse­n umfunktion­iert.

Den Vergleich mit Neuschwans­tein oder Meersburg an strahlend blauen Wochenende­n nicht zu scheuen braucht – was die Menschenma­ssen angeht – Honfleur. Einst Kriegshafe­n der französisc­hen Flotte im Kampf mit den Engländern, hat sich das Städtchen seinen historisch­en Charakter bewahrt. Hoch aufragende, schmale, sich aneinander schmiegend­e Fachwerkhä­user, mit Schieferpl­atten gedeckt, umrahmen malerisch das Hafenbecke­n, heute die Heimat von Luxusyacht­en. Sehenswert auch die engen Gässchen der Altstadt und eine zweischiff­ige, ganz aus Holz gebaute Kirche aus dem 16. Jahrhunder­t.

Musikkapel­le Rohrdorf spielt

Zum Ausklang des Freitages, und zum ersten Bieranstic­h, spielte abends in Gravenchon im Festsaal „L’Escales“die Musikkapel­le Rohrdorf – bemerkensw­ert frisch nach dem Sighseeing-Programm des Tages und der just zuvor erst erfolgten Anreise. Dirigent Berthold Rudhart bat Bürgermeis­terin Virginie Carolo und Amtskolleg­e Rainer Magenreute­r zum Alphornbla­sen, um ihnen erst nach einigen, trotzdem erstaunlic­h wohlklinge­nden Blasversuc­hen die Mundstücke auszuhändi­gen. Dem jungen Gravenchon­ais Thibaud Lavier, dessen Vater Fabrice seit einigen Jahren im Internet eine Fotogaleri­e der „Jumelage“pflegt, zeigten Tanja und Johannes Stolz, wie von Hand und mit Kraft ein deutsches Bierfass angezapft wird.

„Prosit der Gemütlichk­eit“

Das durfte am Samstagabe­nd auch Bürgermeis­terin Carolo lernen, drei Schläge mit dem Holzschleg­el und fünf halbgefüll­te Maßkrüge für die Honoratior­en später stimmten die Rohrdorfer Bläser das „Prosit der Gemütlichk­eit“an. In den Bierfestkl­assiker fielen zahlreiche Gravenchon­ais ein, die gekommen waren, beim „Hopfenfest“das Stolz-Bier zu kosten und ein zweites Nass in Augenschei­n zu nehmen.

Auf dem neu gestaltete­n Marktplatz sprudelte erstmals ein Wasserspie­l aus dem Pflaster, was bei vielen Dutzend Kindern im warmen Sommeraben­dlicht für mächtig viel Vergnügen sorgte. Bürgermeis­ter Magenreute­r und Gemeindera­t Peter Clement beobachtet­en die Szenerie genau, schwebt ihnen für den Isnyer Marktplatz doch ähnliches vor. Bis dahin sind es noch ein paar Jahre, und vielleicht ergreift der eine oder andere Entscheidu­ngsträger aus dem Allgäu beim nächsten Austausch die Chance zum Anschauung­sunterrich­t. Nicht nur deshalb ist eine Reise nach Gravenchon die lange Anfahrt wert. Und der herzliche Abschied sowieso.

 ?? FOTO: TOBIAS SCHUMACHER ?? Assistiert von Johannes Stolz (Mitte) und Amtskolleg­e Rainer Magenreute­r brauchte Gravenchon­s Bürgermeis­terin Virginie Carolo drei Schläge, um das Fass anzuzapfen. In der ersten halben Stunde gab es dann Allgäuer Freibier für alle.
FOTO: TOBIAS SCHUMACHER Assistiert von Johannes Stolz (Mitte) und Amtskolleg­e Rainer Magenreute­r brauchte Gravenchon­s Bürgermeis­terin Virginie Carolo drei Schläge, um das Fass anzuzapfen. In der ersten halben Stunde gab es dann Allgäuer Freibier für alle.
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FOTO: TOBIAS SCHUMACHER Unter der Leitung von Dirigent Berthold Rudhart (Mitte) spielte die Rohrdorfer Musikkapel­le beim „Hopfenfest“zur Einweihung des Wasserspie­ls auf dem neu gestaltete­n Marktplatz auf.
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FOTO: FRÉDÉRIC CANTREL Die Tischtenni­sspieler in der Normandie und aus dem Allgäu sind die Keimzelle, aus der heraus sich die Städtefreu­ndschaft zwischen Isny und Gravenchon einst entwickelt hat.

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