Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Anwälte für die Kinder
Seit 25 Jahren wird in Leutkirch Schulsozialarbeit angeboten.
LEUTKIRCH - Sie sehen sich als „Anwälte für die Kinder“und sie sind überzeugt, „dass das System Schule auch weiterhin noch viel Unterstützung brauchen wird“. Die sechs Schulsozialarbeiter an den städtischen Schulen in Leutkirch sind sich einig: „Unsere Arbeit ist längst akzeptiert – bei Lehrern, Eltern und auch bei der Stadt.“Insgesamt 3,2 Stellen teilen sie sich, die von der Stadt Leutkirch mitfinanziert werden. Ein Drittel der Kosten trägt der Landkreis. Voll des Lobes sind die Sechs über die städtische Zusammenarbeit: „Margot Maier unterstützt uns, wo es geht, das ist eine perfekte Zusammenarbeit.“Einig sind sich die sechs auch darin, „dass unsere Arbeit aber immer noch viel zu wenig ist.“
Leutkirch früh dabei
Die einzige 100-Prozent-Stelle hat Ilona Fuchs von der Gemeinschaftsschule am Adenauerplatz. Dort ist sie für die Sekundarstufe, also für Kinder ab der 5. Klasse, zuständig. Ihre Kollegin Tanja Rock betreut dort mit einer halben Stelle die Grundschüler. Fuchs ist auch die Einzige, die von Anfang an dabei war, und sie erinnert sich noch gut an die Anfänge vor 25 Jahren. „Zunächst wurde Ende der 1980-er-Jahre ein von der Universität Heidelberg mit zwei Stellen eingerichtetes Studienprojekt begleitet, das vom Landesjugendamt als weiter unterstützenswert angesehen wurde. Pro Landkreis wurden dann drei Schulen ausgesucht, die für fünf Jahre eine Förderung bekommen sollten. Eine davon war die „Schule am AdenauerPlatz in Leutkirch“, erzählt Ilona Fuchs.
Weil Fuchs 1992 bereits als Betreuerin bei der Schülerbetreuung gearbeitet hat, galt die Sozialarbeiterin als Idealbesetzung. Seit 1996 hat sie eine 100-Prozent-Stelle. „Es hat sich viel verändert seit unseren Anfängen“, so die 58-Jährige, die so ganz allmählich dem Renteneintritt entgegensieht. „Früher waren die Kinder – und auch die Eltern – viel belastbarer, auch haben wir jetzt mehr psychisch auffällige Kinder.“Kontakte mit Psychologen hätte sie früher selten gehabt. Jetzt komme das häufig vor. Ob das an Überfrachtungen, auch der medialen, oder an veränderten Erwartungshaltungen und dem zunehmenden Druck liegt, weiß sie nicht. Am Ende spielt wohl – wie so oft – alles zusammen. Es sei aber eine „Unterm-Strich-zähl’-Ich“Mentalität zu beobachten, die es so früher nicht gegeben habe. „Damals konnten wir den Aufenthaltsraum, in dem Geld und Süßigkeiten waren, einfach offen lassen. Heute geht das nicht mehr. Und trotzdem sind die Liebe zu den Kindern und die wertschätzende Haltung ihnen gegenüber bei mir immer geblieben.“
Die sechs Sozialarbeiter und Sonderpädagogen treffen sich regelmäßig zum Austausch oder zu Supervisionen. Das ist wichtig, denn der Job kostet Kraft. Das liegt auch daran, dass das Arbeitsleben komplizierter geworden sei – etwa durch zunehmende Verwaltung oder veränderte Elternarbeit. Ohne Eltern gehe heute nichts mehr. „Einen Schwangerschaftstest haben wir früher ohne Mama gemacht“, erzählt Fuchs. Sie hat zwei Schränke voller Akten im Büro. Und es kommt immer öfter vor, „dass mich so mancher Fall von Klasse fünf bis zum Ende begleitet“. Fortbildungen stehen viele an, es verändert sich ständig etwas. „Cybermobbing ist plötzlich schon in der Grundschule ein Thema,“berichtet Tanja Rock. „Gerne würden wir weniger defizitorientiert und mehr ressourcenorientierter arbeiten“, sagt auch Dirk Grimberg vom HMG, „das heißt auch Kinder stärken, die nicht als schwierig gelten“.
Eine Lebensaufgabe
Präventionsprojekte, Mobbingberatungen und Hilfe bei Lernschwierigkeiten sind nur ein kleiner Teil des umfangreichen Angebots. Gespräche bei Konfliktsituationen sind wohl der Hauptteil im Alltag der Schulsozialarbeiter. Beziehungsarbeit sei es, was sie leisteten. Egal, ob es um einen Streit, einen Mobbingfall oder eine gefährdete Versetzung geht. „Schulsozialarbeit sorgt für Ausgleich sozialer Benachteiligung und hilft bei Überwindung individueller Beeinträchtigungen“heißt es im Flyer der Gemeinschaftsschule. Das gilt wohl für alle Schulen. Eine große Aufgabe, für die an den 3,2 Stellen mit großem Engagement täglich gekämpft wird. Für Ilona Fuchs eine Lebensaufgabe. Die städtische Schulsozialarbeit an den Leutkircher Schulen ist so aufgeteilt: Grundschule am Oberen Graben: 66-Prozent-Stelle (Stephanie Singer und Annette KnepelBarensteiner mit jeweils 33 Prozent); Hans-Multscher-Gymnasium: 50-Prozent-Stelle (Dirk Grimberg); Otl-Aicher-Realschule: 50Prozent-Stelle (Beatriz Schäffeler); Gemeinschaftsschule: 100-Prozent-Stelle Sekundarstufe (Ilona Fuchs), 50 Prozent-Stelle (Primärstufe/Tanja Rock).