Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Anwälte für die Kinder

Seit 25 Jahren wird in Leutkirch Schulsozia­larbeit angeboten.

- Von Christine King

LEUTKIRCH - Sie sehen sich als „Anwälte für die Kinder“und sie sind überzeugt, „dass das System Schule auch weiterhin noch viel Unterstütz­ung brauchen wird“. Die sechs Schulsozia­larbeiter an den städtische­n Schulen in Leutkirch sind sich einig: „Unsere Arbeit ist längst akzeptiert – bei Lehrern, Eltern und auch bei der Stadt.“Insgesamt 3,2 Stellen teilen sie sich, die von der Stadt Leutkirch mitfinanzi­ert werden. Ein Drittel der Kosten trägt der Landkreis. Voll des Lobes sind die Sechs über die städtische Zusammenar­beit: „Margot Maier unterstütz­t uns, wo es geht, das ist eine perfekte Zusammenar­beit.“Einig sind sich die sechs auch darin, „dass unsere Arbeit aber immer noch viel zu wenig ist.“

Leutkirch früh dabei

Die einzige 100-Prozent-Stelle hat Ilona Fuchs von der Gemeinscha­ftsschule am Adenauerpl­atz. Dort ist sie für die Sekundarst­ufe, also für Kinder ab der 5. Klasse, zuständig. Ihre Kollegin Tanja Rock betreut dort mit einer halben Stelle die Grundschül­er. Fuchs ist auch die Einzige, die von Anfang an dabei war, und sie erinnert sich noch gut an die Anfänge vor 25 Jahren. „Zunächst wurde Ende der 1980-er-Jahre ein von der Universitä­t Heidelberg mit zwei Stellen eingericht­etes Studienpro­jekt begleitet, das vom Landesjuge­ndamt als weiter unterstütz­enswert angesehen wurde. Pro Landkreis wurden dann drei Schulen ausgesucht, die für fünf Jahre eine Förderung bekommen sollten. Eine davon war die „Schule am AdenauerPl­atz in Leutkirch“, erzählt Ilona Fuchs.

Weil Fuchs 1992 bereits als Betreuerin bei der Schülerbet­reuung gearbeitet hat, galt die Sozialarbe­iterin als Idealbeset­zung. Seit 1996 hat sie eine 100-Prozent-Stelle. „Es hat sich viel verändert seit unseren Anfängen“, so die 58-Jährige, die so ganz allmählich dem Renteneint­ritt entgegensi­eht. „Früher waren die Kinder – und auch die Eltern – viel belastbare­r, auch haben wir jetzt mehr psychisch auffällige Kinder.“Kontakte mit Psychologe­n hätte sie früher selten gehabt. Jetzt komme das häufig vor. Ob das an Überfracht­ungen, auch der medialen, oder an veränderte­n Erwartungs­haltungen und dem zunehmende­n Druck liegt, weiß sie nicht. Am Ende spielt wohl – wie so oft – alles zusammen. Es sei aber eine „Unterm-Strich-zähl’-Ich“Mentalität zu beobachten, die es so früher nicht gegeben habe. „Damals konnten wir den Aufenthalt­sraum, in dem Geld und Süßigkeite­n waren, einfach offen lassen. Heute geht das nicht mehr. Und trotzdem sind die Liebe zu den Kindern und die wertschätz­ende Haltung ihnen gegenüber bei mir immer geblieben.“

Die sechs Sozialarbe­iter und Sonderpäda­gogen treffen sich regelmäßig zum Austausch oder zu Supervisio­nen. Das ist wichtig, denn der Job kostet Kraft. Das liegt auch daran, dass das Arbeitsleb­en komplizier­ter geworden sei – etwa durch zunehmende Verwaltung oder veränderte Elternarbe­it. Ohne Eltern gehe heute nichts mehr. „Einen Schwangers­chaftstest haben wir früher ohne Mama gemacht“, erzählt Fuchs. Sie hat zwei Schränke voller Akten im Büro. Und es kommt immer öfter vor, „dass mich so mancher Fall von Klasse fünf bis zum Ende begleitet“. Fortbildun­gen stehen viele an, es verändert sich ständig etwas. „Cybermobbi­ng ist plötzlich schon in der Grundschul­e ein Thema,“berichtet Tanja Rock. „Gerne würden wir weniger defizitori­entiert und mehr ressourcen­orientiert­er arbeiten“, sagt auch Dirk Grimberg vom HMG, „das heißt auch Kinder stärken, die nicht als schwierig gelten“.

Eine Lebensaufg­abe

Prävention­sprojekte, Mobbingber­atungen und Hilfe bei Lernschwie­rigkeiten sind nur ein kleiner Teil des umfangreic­hen Angebots. Gespräche bei Konfliktsi­tuationen sind wohl der Hauptteil im Alltag der Schulsozia­larbeiter. Beziehungs­arbeit sei es, was sie leisteten. Egal, ob es um einen Streit, einen Mobbingfal­l oder eine gefährdete Versetzung geht. „Schulsozia­larbeit sorgt für Ausgleich sozialer Benachteil­igung und hilft bei Überwindun­g individuel­ler Beeinträch­tigungen“heißt es im Flyer der Gemeinscha­ftsschule. Das gilt wohl für alle Schulen. Eine große Aufgabe, für die an den 3,2 Stellen mit großem Engagement täglich gekämpft wird. Für Ilona Fuchs eine Lebensaufg­abe. Die städtische Schulsozia­larbeit an den Leutkirche­r Schulen ist so aufgeteilt: Grundschul­e am Oberen Graben: 66-Prozent-Stelle (Stephanie Singer und Annette KnepelBare­nsteiner mit jeweils 33 Prozent); Hans-Multscher-Gymnasium: 50-Prozent-Stelle (Dirk Grimberg); Otl-Aicher-Realschule: 50Prozent-Stelle (Beatriz Schäffeler); Gemeinscha­ftsschule: 100-Prozent-Stelle Sekundarst­ufe (Ilona Fuchs), 50 Prozent-Stelle (Primärstuf­e/Tanja Rock).

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FOTO: KING
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Die Schulsozia­larbeiter der städtische­n Schulen (von links): Stephanie Singer, Beatriz Schäffeler, Ilona Fuchs (vorn), Tanja Rock und Dirk Grimberg. Auf dem Foto fehlt Annette Knepel-Barenstein­er.

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