Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wenn der Funke überspringt
Kleine Zuschauerkulisse aber große Begeisterung bei der „Musical Night“in der Festhalle
LEUTKIRCH - Es ist nicht einfach an einem heißen Sommerabend die Leute in ein Konzert zu bekommen und richtige Stimmung anzuheizen. Die „Musical Night in Concert“Crew schaffte es am Samstag in der Festhalle, trotz bedenklicher Rahmenbedingungen einen feinen Abend zu zelebrieren.
Wenn auf dem Ticket steht „Aula des Gymnasiums Alfeld, 22. Januar 2016“, die Platznummerierung Schall und Rauch ist und der Kartenkontrolleur sagt: „Setzen sie sich halt hin, wo es schön ist“, wenn die Lücken in den Stuhlreihen wirken wie das kariöse Gebiss eines Dentalhygieneverweigerers und Getränke in der Pause schlichtweg nicht erhältlich sind, dann klingt das eigentlich nach verhunztem Abend, eigentlich. Es spricht für den Kartenverteiler, der auch als Schlagzeuger und Moderator fungiert, dass er dennoch frohgemut das Motto des Abends verkündet: „Lasst den Zauber entstehen.“
Der Zauber entfaltet sich allerdings eher mählich, weil die drei Girls und die drei Männer sich durch einen ansehnlichen Melodien-Fundus zu singen und zu tanzen (beides tadellos) haben. Das funktioniert, nicht zuletzt dank der feinen SechsMann-Band (Gitarrero Carsten Fernau!), teils prima, teilweise zieht es sich. Vor allem Walt-Disney-Adaptionen („Pocahontas“) sind nicht jedermanns Sache, bei manchen USErfolgs-Musicals („Hamilton“) fremdelt man hierzulande, und der Glöckner von Notre Dame mag mit seinem inbrünstigen „Feuer der Hölle“auch nicht alle Herzen zu erwärmen.
Das ist aber nicht von Belang, da die drei Sängerinnen teilweise einen exzellenten Chorgesang wie die Andrew-Sisters hinlegen und vor allem Corie Townsend nebst Alexandra Gentz mit einer Stimmgewalt aufwartet, die beeindruckt.
Nach der Pause, in der sich etliche Gäste aus dem eigenen Kofferraum versorgen, gibt das Ensemble Gas, wozu sich „I will follow him“aus „Sister Act“vorzüglich eignet. Ein Udo Jürgens-Memorial („Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden“) nimmt ein wenig den Schwung raus, und dass der allgegenwärtige Phil Collins mit dem „Tarzan“-Musical auftaucht, ist wohl irgendwie unvermeidlich.
So eine Musical-Revue ist ein bisschen wie die Pralinenschachtel bei „Forrest Gump“: Es ist alles drin und nicht allen schmeckt alles gleich gut, wobei vor allem Simon Tunkin sein „Phantom in der Oper“gar zu zuckrig anlegt. Dafür zeigt Corie Townsend bei einer Whitney-Houston-Adaption was sie drauf hat. Das traut sich nicht jede und das kann nicht jede. Die Leadsängerin des Abends kann’s.
Schluss nach drei Stunden
Es spricht für die Truppe, dass sie das Programm mit einer Verve durchzieht, als spiele sie vor einer großen Bühne in einer großen Stadt, echte Profis halt. Die nicht allzu Zahlreichen gehen mit, weil auch die Songzusammenstellung endgültig im Mainstream angekommen ist: ein glänzend interpretiertes ABBAMedley, eine gehörige Prise Queen, Lindenbergs „Sonderzug nach Pankow“erhält auch grünes Signal, und nach „Highway to Hell“und „Rockin all over the world“hält es auch die Phlegmatischsten im Saal nicht mehr auf dem Sitz und der Funke springt über. „Sie sind ein exzellentes Publikum“lobt der schlagzeugende Moderator die schließlich begeisterten Zuschauer, die als Geschenk noch den „Time Warp“aus der Rocky Horror Picture Show kredenzt bekommen und nach drei Stunden beschwingt in die Nacht entschwinden. So ist es doch noch – Improvisation hin, Mängelwirtschaft her – eine richtig feiner Abend geworden.