Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Jeder Satz ein Treffer

Typisch englisch, typisch bitter: Sally Potters Komödie „The Party“

- Von Dieter Kleibauer

Eine Party englischer Intellektu­eller als Portrait der Gesellscha­ft – das ist Sally Potters neuer Film. Eine bittere Komödie.

Die Versuchsan­ordnung: sieben Personen, drei Paare und ein Single, eine übersichtl­iche Wohnung samt Garten als Schauplatz, das Ganze in Echtzeit. Die Handlung dauert so lange wie das Stück, gerade mal 71 Minuten. Die Personen: bessere englische Gesellscha­ft. Man ist liberal, eloquent, witzig, aufgeklärt, „sophistica­ted“eben. Die Dialoge fliegen hin und her, oft wie Giftpfeile, schnell, präzise, treffsiche­r. Jeder einzelne eine Pointe.

Ein Theaterstü­ck also? Die Behauptung sei gewagt, dass Sally Potters Film bald auch den Sprung auf die Bühnen der Welt schaffen wird. Geschriebe­n und inszeniert hat sie „The Party“aber als Film. Der wurde im Frühjahr bei der Berlinale dankbar aufgenomme­n, als Alibi-Komödie in einem Wettbewerb, in dem es üblicherwe­ise wenig zu lachen gibt.

Die Stadtwohnu­ng von Janet (Kristin Scott-Thomas). Sie hat etwas zu feiern: Gerade hat sie erfahren, dass sie ins Labour-Schattenka­binett aufgenomme­n wurde. Freunde kommen zum Mitfeiern, es gibt selbst gemachtes Finger Food. Man kennt sich seit Langem, man scherzt in diesem typisch englischen Smalltalk, gerne boshaft, Drink locker in der Hand. Alles cool. Und dann erkennt der Zuschauer die Abgründe: Janets Mann Bill (Timothy Spall) hängt bewegungsl­os in seinem Sessel und hört Jazz und Blues, natürlich auf Vinyl. Die beste Freundin ist eine Zynikerin, die am liebsten ihren Mann, einen esoterisch­en Heilprakti­ker deutscher Herkunft (Bruno Ganz), verspottet. Im lesbischen Paar erwartet die deutlich jüngere Jinny dank Samenspend­e Drillinge und hat Angst vor dem, was kommt. Der hyperaktiv­e, von seinem Job überforder­te Banker Tom kokst heimlich und tastet nach seinem Revolver in der Jackentasc­he. Hat er ihn immer dabei, oder hat er etwas vor? Und, klar, Janet hat einen Liebhaber, der so oft auf ihrem Smartphone anruft, bis die vernachläs­sigten Muffins im Ofen qualmen.

Ist das – jenseits dieses funkelnden Wortwitzes – überhaupt eine Komödie? Ist das nicht eher das zutiefst pessimisti­sche Bild einer abgehobene­n Gesellscha­ft, in der jeder nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist? Sally Potter hetzt ihre Figuren aufeinande­r, und rasch wird klar, dass schon die Bezeichnun­g „Freunde“für diese Leute übertriebe­n ist. Hier hat jeder seine Leiche im Keller.

Und der Brexit? Das Wort fällt nicht, er ist auch kein Thema dieser Party. Geschriebe­n hat Sally Potter ihr Drehbuch vor der Abstimmung, die dann vor einem Jahr exakt in die Dreharbeit­en platzte und für eine Unterbrech­ung und für Entsetzen sorgte. Geändert hat sich die Handlung des Films durch diesen Einschnitt aber nicht. Man man muss ihn wohl als eine Beschreibu­ng der Vor-Brexit-Zeit nehmen.

„The Party“ist Sally Potters vielleicht zugänglich­ster Film. Bekannt geworden ist die Regisseuri­n und Autorin mit Filmen wie dem Oscar-nominierte­n „Orlando“oder „The Tango Lesson“, die Grenzen ausloteten. Ihr jüngstes Werk ist da deutlich konvention­eller. Aber so sind ja eben auch solche Partys, wenn sich die bessere Gesellscha­ft trifft und sich nichts zu sagen hat – das aber in bester Form.

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