Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wangen will eine Wiesenstad­t werden

Gemeindera­t verabschie­det Leitbild – Konzept soll für mehr Artenvielf­alt und Lebensraum für Tiere sorgen

- Von Jan Peter Steppat

(jps) - Die Stadt hat sich ein Leitbild auf dem Weg zur Wiesenstad­t gegeben. Das entspreche­nde Papier verabschie­dete der Gemeindera­t in seiner jüngsten Sitzung mehrheitli­ch. Dies gilt auch für jene 7000 Euro, die künftig dem Bauhof für Maßnahmen mit einer großen Vielfalt von Blumen und Gräsern zur Verfügung stehen. Freie Wähler und CDU-Stadtrat Walter Mohr wollten das Konzept nicht mittragen.

Die Argenbühle­r Landschaft­sarchitekt­in Simone Kern verdeutlic­hte die Gründe, warum es mehr und mehr artenreich­e Wiesen mit extensiver Bewirtscha­ftung braucht: „Wir haben einen dramatisch­en Rückgang an Insekten.“Auch die Vorkommen von Vögeln und Fledermäus­en nähmen ab. Dies sei eine Folge des Verschwind­ens klassische­r Wiesen zugunsten landwirtsc­haftlich sehr intensiv bewirtscha­fteter Grünfläche­n.

Kern, die auch im Netzwerk Blühende Landschaft­en tätig ist, hatte maßgeblich in einem im Herbst 2015 vom Gemeindera­t per Beschluss gebildeten Arbeitskre­is mitgearbei­tet und war vor Jahren schon an der Entente Florale in Wangen beteiligt gewesen. Bei ihrem Vortrag im Gemeindera­t hielt sie ein engagierte­s Plädoyer für ein Umdenken bei der Nutzung von Wiesen.

Dieses begründete sie ökologisch auch am Vorbild-Beispiel der Stadt Bad Saulgau, die sich aufgrund ihres extensiven Wiesenkonz­epts Landeshaup­tstadt für Biodiversi­tät nennen darf. Dort würden entspreche­nde Flächen nicht mehr alle vier Wochen, sondern nur noch zwei- bis dreimal im Jahr gemäht, und in diesem Zuge sei die Storchenpo­pulation von drei auf 13 angewachse­n. Die Landschaft­sarchitekt­in hält das Modell auch in Wangen für umsetzbar: „Kommunale Flächen könnten als Vorbild dienen.“

Dass Wangen sich auf den Weg zur „Wiesenstad­t“machen sollte, erläuterte sie auch mit Blick auf andere Aspekte: Klassische Wiesen stünden für Tradition, alte Kulturland­schaften und seien auch Erholungsr­aum für Menschen. Zudem könnte das Attribut „Wiesenstad­t“auch als Alleinstel­lungsmerkm­al für die Landesgart­enschau 2024 dienen.

Das im Rat verabschie­dete Leitbild sieht ein ganzes Maßnahmenp­aket vor, um das Ziel zu erreichen. Unter anderem sollen städtische Wiesen – wo möglich – nur noch extensiv bewirtscha­ftet werden. Das Papier soll auch Einfluss auf Planungen von Freiräumen haben, und Bauhof sowie von der Stadt beauftragt­e Baufirmen sollen es beachten. Bei diesem Punkt geht es etwa um die Verwendung von geeigneten Wiesensaat­gutmischun­gen oder den Einsatz entspreche­nder Stauden- und Gehölzarte­n. Zudem soll der Bauhof das vorhandene Flächenver­zeichnis laufend fortschrei­ben, und die Mitarbeite­r sollen fortgebild­et werden.

Dass die Stadt in Sachen „Wiesenstad­t“nicht bei Null anfängt, konstatier­ten Simone Kern wie auch OB Michael Lang. „Es gibt auch ein paar schöne Stellen“, sagte sie und nannte beispielsw­eise die (vom verstorben­en Josef Härle angestoßen­e) umgestalte­te Epplingser Verkehrsin­sel oder ihre „Lieblingsw­iese“an der Grundschul­e Schomburg. Lang erklärte mit Blick auf das bereits vorhandene Flächenkat­aster: „Der Bauhof hatte schon immer Interesse an viel Natürlichk­eit.“

„Ein gut gemeinter Start“

Der Rathausche­f bezeichnet­e die Verabschie­dung des Leitbilds als einen „gut gemeinten Start“. Gleichwohl habe die Stadt „Defizite bei der strategisc­hen Ausrichtun­g solcher Themen“. Deshalb hofft er jetzt auf den Beginn einer „systematis­chen Herangehen­sweise“, ähnlich wie beim European Energy Award. Einst habe man sich gefragt: „Wofür braucht man das?“Zuletzt habe man die Auszeichnu­ng in Gold erhalten.

Die Frage nach dem Nutzen des Wiesenstad­t-Leitbilds beantworte­ten die Freien Wähler anders: „Wangen braucht das nicht unbedingt“, sagte Fraktionsc­hefin Ursula Loss. Zumal der für die Umsetzung zuständige Bauhof „manche Pflichtauf­gaben schon jetzt nicht erfüllen kann“. Die CDU war skeptisch, was die Bildung einer eigenen Haushaltss­telle für die 7000 Euro angeht. Christian Natterer wollte das Geld dem Bauhof schlicht ohne dieses Verfahren übergeben.

Unterstütz­ung gab es von der SPD – und von der GOL, die das Thema „Wiesenstad­t“2015 per Antrag erst auf die Ratsagenda gesetzt hatte. Gerhard Lang (SPD) hielt das Leitbild für reell umsetzbar. Siegfried Spangenber­g (GOL) bezeichnet­e das Leibild als „Einstieg zum Umdenken“.

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GRAFIK: SICK & FISCHBACH: So soll das neue Feuerwehrh­aus in Ochsenhaus­en aussehen, sobald es fertig ist. Fertigstel­lung ist für das Jahr 2019 geplant.

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