Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wangen will eine Wiesenstadt werden
Gemeinderat verabschiedet Leitbild – Konzept soll für mehr Artenvielfalt und Lebensraum für Tiere sorgen
(jps) - Die Stadt hat sich ein Leitbild auf dem Weg zur Wiesenstadt gegeben. Das entsprechende Papier verabschiedete der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung mehrheitlich. Dies gilt auch für jene 7000 Euro, die künftig dem Bauhof für Maßnahmen mit einer großen Vielfalt von Blumen und Gräsern zur Verfügung stehen. Freie Wähler und CDU-Stadtrat Walter Mohr wollten das Konzept nicht mittragen.
Die Argenbühler Landschaftsarchitektin Simone Kern verdeutlichte die Gründe, warum es mehr und mehr artenreiche Wiesen mit extensiver Bewirtschaftung braucht: „Wir haben einen dramatischen Rückgang an Insekten.“Auch die Vorkommen von Vögeln und Fledermäusen nähmen ab. Dies sei eine Folge des Verschwindens klassischer Wiesen zugunsten landwirtschaftlich sehr intensiv bewirtschafteter Grünflächen.
Kern, die auch im Netzwerk Blühende Landschaften tätig ist, hatte maßgeblich in einem im Herbst 2015 vom Gemeinderat per Beschluss gebildeten Arbeitskreis mitgearbeitet und war vor Jahren schon an der Entente Florale in Wangen beteiligt gewesen. Bei ihrem Vortrag im Gemeinderat hielt sie ein engagiertes Plädoyer für ein Umdenken bei der Nutzung von Wiesen.
Dieses begründete sie ökologisch auch am Vorbild-Beispiel der Stadt Bad Saulgau, die sich aufgrund ihres extensiven Wiesenkonzepts Landeshauptstadt für Biodiversität nennen darf. Dort würden entsprechende Flächen nicht mehr alle vier Wochen, sondern nur noch zwei- bis dreimal im Jahr gemäht, und in diesem Zuge sei die Storchenpopulation von drei auf 13 angewachsen. Die Landschaftsarchitektin hält das Modell auch in Wangen für umsetzbar: „Kommunale Flächen könnten als Vorbild dienen.“
Dass Wangen sich auf den Weg zur „Wiesenstadt“machen sollte, erläuterte sie auch mit Blick auf andere Aspekte: Klassische Wiesen stünden für Tradition, alte Kulturlandschaften und seien auch Erholungsraum für Menschen. Zudem könnte das Attribut „Wiesenstadt“auch als Alleinstellungsmerkmal für die Landesgartenschau 2024 dienen.
Das im Rat verabschiedete Leitbild sieht ein ganzes Maßnahmenpaket vor, um das Ziel zu erreichen. Unter anderem sollen städtische Wiesen – wo möglich – nur noch extensiv bewirtschaftet werden. Das Papier soll auch Einfluss auf Planungen von Freiräumen haben, und Bauhof sowie von der Stadt beauftragte Baufirmen sollen es beachten. Bei diesem Punkt geht es etwa um die Verwendung von geeigneten Wiesensaatgutmischungen oder den Einsatz entsprechender Stauden- und Gehölzarten. Zudem soll der Bauhof das vorhandene Flächenverzeichnis laufend fortschreiben, und die Mitarbeiter sollen fortgebildet werden.
Dass die Stadt in Sachen „Wiesenstadt“nicht bei Null anfängt, konstatierten Simone Kern wie auch OB Michael Lang. „Es gibt auch ein paar schöne Stellen“, sagte sie und nannte beispielsweise die (vom verstorbenen Josef Härle angestoßene) umgestaltete Epplingser Verkehrsinsel oder ihre „Lieblingswiese“an der Grundschule Schomburg. Lang erklärte mit Blick auf das bereits vorhandene Flächenkataster: „Der Bauhof hatte schon immer Interesse an viel Natürlichkeit.“
„Ein gut gemeinter Start“
Der Rathauschef bezeichnete die Verabschiedung des Leitbilds als einen „gut gemeinten Start“. Gleichwohl habe die Stadt „Defizite bei der strategischen Ausrichtung solcher Themen“. Deshalb hofft er jetzt auf den Beginn einer „systematischen Herangehensweise“, ähnlich wie beim European Energy Award. Einst habe man sich gefragt: „Wofür braucht man das?“Zuletzt habe man die Auszeichnung in Gold erhalten.
Die Frage nach dem Nutzen des Wiesenstadt-Leitbilds beantworteten die Freien Wähler anders: „Wangen braucht das nicht unbedingt“, sagte Fraktionschefin Ursula Loss. Zumal der für die Umsetzung zuständige Bauhof „manche Pflichtaufgaben schon jetzt nicht erfüllen kann“. Die CDU war skeptisch, was die Bildung einer eigenen Haushaltsstelle für die 7000 Euro angeht. Christian Natterer wollte das Geld dem Bauhof schlicht ohne dieses Verfahren übergeben.
Unterstützung gab es von der SPD – und von der GOL, die das Thema „Wiesenstadt“2015 per Antrag erst auf die Ratsagenda gesetzt hatte. Gerhard Lang (SPD) hielt das Leitbild für reell umsetzbar. Siegfried Spangenberg (GOL) bezeichnete das Leibild als „Einstieg zum Umdenken“.