Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Auftakt unter der Zirkuskuppel
Meret Becker & The Tiny Teeth erobern sich die Zuschauergunst in wenigen Minuten
- Fulminant hat das Isnyer Theaterfestival am Freitagabend begonnen. Keine geringere als die Schauspielerin, Sängerin, Musikerin und Komponistin Meret Becker aus Berlin trat mit ihrer Band „The Tiny Teeth“im ausverkauften Burkwanger Zelt auf. Ihr aktuelles Programm „Le Grand Ordinaire“hatte sie im Gepäck als explosives Gemisch aus Schrägem, Clowneskem und Artistik.
Seitens der Teamleitung war von Peter Neubert und Franz Schmid ein deutliches Aufatmen zu verspüren, dass es nach so viel Regen nun endlich losgehen kann. Nach dem mühsamen Aufbau würden sie einen neuen Workshop anbieten – den des Abbaus in genau neun Tagen. „Meldet euch und helft!“, so ihr ernst gemeinter Aufruf am Abend. Die großartige Meret Becker habe ganz oben auf der Wunschliste gestanden und das schon lange, kündigte Thomas R. Huber zusammen mit Karin Konrad die Bühnenshow an.
Von Kopf bis Fuß in weißen Tüll gehüllt erspielte sie sich mit ihren fünf exzellenten Musikern in minutenschnelle die Gunst des Publikums. Singend mit einem gewaltigen Stimmorgan, dass sich durch sämtliche Lagen bewegt als sei das nichts. Vom piepsend zerbrechlichem Kinderstimmchen hin zu krawalligen Chansonetten, die einer Edith Piaff das Wasser reichen. Ihr Metier ist das Kabarett ebenso wie das Märchenerzählen aus unschuldigen Kindertagen. Gebiete, in denen Sinnsuche vergeblich bleibt und nur eines zählt – sich dem Verrückten, Verruchten, Abgedrehten und Sehnsuchtsvollen hinzugeben.
Ihr Auftritt ist eine groteske und bravouröse Collage aus all dem, getragen von den gestandenen Herren an Schlagzeug, Klavier, Blech- und Holzbläser, Gitarre und einem betörenden Klangrausch, den Ben Jeger an seiner Glasharfe entfacht. Meret Beckers schauspielerische Karriere begann im Alter von fünf Jahren in der Fernsehserie „Rappelkiste“. In dieser Welt aus Eigensinn und Unangepasstheit ist sie zu verorten. Sie verkörpert einen Kosmos, der darstellerisch keine Grenzen kennt. Der gefühlt bei Bertolt Brecht anlangt, der aber genauso Beckers kindliche, neugierige, freche, derbe und resolute Seite offen legt.
Traumbilder entstehen
Unter ihrem Tüll brachte sie ein erotisches Artistenkostüm zum Vorschein, um sich als Hommage an „La lune“in den unter der Kuppel hängenden Reifen zu betten und zu räkeln, was tosenden Applaus auslöste. So entstehen unverhofft großartige Traumbilder, denen sie in einen dicken Fellmantel gehüllt ihr „La vie en rose“entgegen hält. Piaffs Klassiker wassergurgelnd, an der Leine einen schwebenden Ballon-Mops. Da gab es am Freitagabend kein Halten mehr vor Lachen.
Deftige schräge Bläsersätze konkurrierten mit instrumentalen Miniformaten einer Kinderorgel und zeigten Becker als begnadete Musikerin an der Singenden Säge. Wer akrobatisch bei den Zuschauern Gänsehautfieber auslöste, war Paul Herzfeld an der mittig installierten Vertikalstange.
Seine Performance grenzte an schier nicht Vorstellbares, schaffte er es zum Finale auch noch freischwebend und kopfüber Klarinette zu spielen.
Ohne Zugabe kam Meret Becker & The Tiny Teeth nicht davon. Witzig und spontan verabschiedeten sie sich mit Gags am Mikrofon als wahre Zirkusclowns.