Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Die schwarzen Schafe im Visier

Brüllende und zu schnelle Motorräder gibt es auch im Westallgäu – Der Lindenberg­er Polizeiche­f Christian Wucher erzählt, warum den Beamten manchmal die Hände gebunden sind

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- Anfang des Jahres hat Christian Wucher (55), Leiter der Lindenberg­er Polizeiins­pektion, angekündig­t, dass heuer vermehrt Zweiradkon­trollen stattfinde­n. Grund: Viele auswärtige und einheimisc­he Motorradfa­hrer genießen ihre Touren durch das Westallgäu, vor allem auf der allseits beliebten Alpenstraß­e (B 308), aber auch auf anderen Strecken. Der Erste Polizeihau­ptkommissa­r ist überzeugt davon, dass der Großteil der Motorradfa­hrer, vor allem Gruppen mit Teilnehmer­n gesetztere­n Alters, sehr disziplini­ert unterwegs ist. Aber immer wieder fallen den Bürgern im gesamten Inspektion­sbereich innerund außerorts schwarze Schafe auf, die zu schnell und vor allem auch sehr laut unterwegs sind. Claudia Goetting hat sich mit dem Inspektion­sleiter über das Thema unterhalte­n.

Haben Sie Ihre Ankündigun­g umgesetzt und seit Anfang des Jahres vermehrt Zweiräder kontrollie­rt?

Wir kontrollie­ren, sobald es das Wetter und die Personalsi­tuation zulassen in der Regel außerhalb geschlosse­ner Ortschafte­n. Im Schnitt ist unser Lasermessg­erät pro Tag 30 Minuten im Einsatz. Es gibt aber Tage, da messen wir fünf Stunden und andere, an denen wir gar nicht kontrollie­ren.

Können diese Laserkontr­ollen überall durchgefüh­rt werden?

Nein, die Standorte unterliege­n strengen Kriterien. Sie müssen an übersichtl­ichen Stellen sein und eine Möglichkei­t zum Anhalten haben. Sinnvoll sind Strecken, auf denen ein Tempolimit gilt. Das Rohrach scheidet zum Beispiel aus. In den engen Kurven kann man gar nicht schnell fahren.

Gibt es schon ein Zwischener­gebnis?

Wucher: Bis jetzt haben wir 165 Geschwindi­gkeitsvers­töße – Autos und Motorräder – registrier­t. 18 Prozent davon entfallen auf Motorradfa­hrer. Das ist immerhin fast jeder Fünfte – und damit keine geringe Zahl. Von den insgesamt 165 Verstößen waren etwa ein Drittel deutlich zu schnell, also im Anzeigenbe­reich, das bedeutet, sie hatten mehr als 21 Stundenkil­ometer zu viel auf dem Tacho. Und das sind genau die Leute, die wir im Visier haben. Wir wollen die Spitzen rausnehmen und nicht geringe Verstöße von ein paar Stundenkil­ometern anprangern.

Was ist der Vorteil einer Lasermessu­ng im Gegensatz zu einer Lichtschra­nke oder einem Radarfahrz­eug?

Beim Lasern gibt es weder ein Protokoll noch ein Foto. Das heißt, wir halten die Betroffene­n an und konfrontie­ren sie direkt mit dem Verstoß. Gleichzeit­ig findet eine Personenun­d Fahrzeugko­ntrolle statt. Ich bin überzeugt davon, dass das mehr Wirkung zeigt, als wenn ein paar Wochen später ein Brief ins Haus flattert.

Gibt es Unfallschw­erpunkte im Westallgäu mit Motorradfa­hrern?

Nein, definitiv nicht. Im vergangene­n Jahr und auch bisher heuer verteilen sich die Unfälle auf den gesamten Inspektion­sbereich, auf Staats-, Bundes-, Kreis- und Gemeindest­raßen.

Viele Bürger beschweren sich über extrem laute, brüllende Motorräder... Woran liegt das und was kann die Polizei da machen?

Es gibt die verschiede­nsten Arten, Maschinen zu manipulier­en. Am häufigsten wird der Schalldämp­fer verändert. Manchmal erkennen wir das auf den ersten Blick, manchmal sind komplizier­te Gutachten nötig, um die Manipulati­onen zu beweisen. Veränderun­gen führen automatisc­h dazu, dass die Betriebser­laubnis für das Motorrad erlischt. Das Bußgeld beträgt 90 Euro. Manchmal können wir aber schlichtwe­g nichts beanstande­n, obwohl die Maschinen im Fahrbetrie­b sehr laut sind.

Wie kommt das?

Das liegt am Testverfah­ren beziehungs­weise den findigen Hersteller­n. Die Motorräder müssen bei der Überprüfun­g nämlich nur bei zwei festgelegt­en Drehzahlmo­menten bestimmte Grenzwerte einhalten. Manche Hersteller bauen Klappen in die Schalldämp­fer ein, die beim Test in den beiden nötigen Bereichen geschlosse­n sind und somit die Grenzwerte einhalten. Sobald sie in anderen Drehzahlbe­reichen fahren, öffnen sich die Klappen und das Motorrad brüllt. In solchen Fällen sind uns aber schlichtwe­g die Hände gebunden. Die Maschinen haben eine EUZulassun­g.

Sie sind selbst seit etwa 30 Jahren Motorradfa­hrer... Ein gemütliche­r oder eher ein rasanter?

Sagen wir mal so. Ich bezeichne mich als normalen Motorradfa­hrer und halte mich an die Vorschrift­en. Als gemütlich würde ich Harley-Davidson-Fahrer bezeichnen, die über die Straße tuckern. Ich selbst habe dem Alter entspreche­nd eine BMW, bei der ist die Sicherheit­stechnik sehr ausgereift.

Auf welchen Strecken sind Sie unterwegs?

Auch ich bevorzuge das Voralpenla­nd, also das Allgäu und das benachbart­e Vorarlberg. Meistens fahre ich am Wochenende gleich in der Früh um 6 Uhr los, bevor es auf den Straßen voll wird.

Fahren Sie mit einem guten Gefühl oder haben Sie selbst auch öfter Angst?

Wucher: Motorradfa­hren ist grundsätzl­ich keine ungefährli­che Angelegenh­eit. Das wird mir aus berufliche­n und persönlich­en Erfahrunge­n immer deutlicher bewusst. Motorradfa­hrer werden oft übersehen oder unterschät­zt, auch wenn sie selbst überhaupt kein Risiko eingehen und sich an die Vorschrift­en halten. Aber man hat kein Blech um sich herum und auch keinen Airbag, sodass man bei einem Unfall immer der Verlierer ist.

Haben Sie Ihre Fahrweise daran angepasst?

Ja, ich habe mir eine sehr defensive Fahrweise angewöhnt. Motorradfa­hrer müssen für die anderen mitdenken. An markanten Stellen, beispielsw­eise Einmündung­en und Kreuzungen, suche ich immer den Blickkonta­kt zu den anderen Verkehrste­ilnehmern. Wenn das nicht möglich ist, bremse ich notfalls bis zum Stillstand ab, auch wenn es vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre. Ich selbst hatte zum Glück noch nie einen Unfall.

 ?? ARCHIVFOTO: OLAF WINKLER ?? Immer wieder ereignen sich im Westallgäu Unfälle, an denen Motorradfa­hrer beteiligt sind, wie hier im Juli 2016 bei Maierhöfen. Heuer registrier­te die Polizei bereits 17 Unfälle – und die Saison ist noch lange nicht beendet.
ARCHIVFOTO: OLAF WINKLER Immer wieder ereignen sich im Westallgäu Unfälle, an denen Motorradfa­hrer beteiligt sind, wie hier im Juli 2016 bei Maierhöfen. Heuer registrier­te die Polizei bereits 17 Unfälle – und die Saison ist noch lange nicht beendet.
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FOTO: MATTHIAS BECKER Christian Wucher, Leiter der Polizeiins­pektion Lindenberg.

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