Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Berechtigter Protest
Alles wäre so einfach, wenn Fluchtbewegungen planbar wären. Doch das sind sie nicht. Die derzeitige Ruhe in Deutschland ist trügerisch. Wie viele Plätze zur Aufnahme von Flüchtlingen sollen die Länder also vorhalten? Solche Zustände wie Ende 2015, in denen über Nacht Hallen zu provisorischen Massenunterkünften wurden, sollen sich nicht wiederholen. Doch auch ungenutzte Einrichtungen müssen gepflegt werden, und je mehr Unterkünfte, desto mehr Kosten.
Das Standortkonzept, das Innenminister Thomas Strobl (CDU) bereits vor einem Dreivierteljahr vorgelegt hat, zeigt diese Gratwanderung. Der eingebaute Puffer für einen möglichen Anstieg der Flüchtlingszahlen ist richtig. Und logisch ist auch, dass bestehende, gut geeignete Unterkünfte wie ehemalige Kasernen vornehmlich genutzt werden sollen. Die wirtschaftliche Perspektive darf aber nicht über den Interessen der Menschen stehen.
Der scheidende Ombudsmann für die Landeserstaufnahme für Flüchtlinge hat recht, wenn er sagt, dass die Größenverhältnisse zwischen Bürgerschaft und Asylsuchenden beachtet werden sollten. 1250 Flüchtlinge im Verhältnis zur 16 000-EinwohnerStadt Sigmaringen sind jenseits verträglicher Größenordnungen. Zumal die Sigmaringer mit einigen Asylsuchenden sehr ungute Erfahrungen gesammelt haben.
Kleine Städte wie Ellwangen und Sigmaringen sind eigentlich ideale Ankunftsorte für Flüchtlinge – viel besser als anonyme Großstädte. Zugewanderte könnten viel leichter ins Gemeinschaftsgefüge einer ländlich geprägten Kommune aufgenommen werden und lernen, was es heißt, hier zu leben. Die Bereitschaft hierfür gibt es aber sicher nicht, wenn die Bürger das Gefühl haben, von der Politik überfahren zu werden und keinerlei Mitspracherecht zu haben.
Es war ungeschickt vom Innenminister, die Städte bei der Standortplanung nicht von Anfang an einzubinden – sie protestieren zu Recht. Wenn Strobl die berechtigten Interessen der Bürger bei der Planung schon zu wenig beachtet hat, muss er wenigstens jetzt nachbessern.