Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Countdown für die Ladenkasse
Tausende von Betrieben müssen ihre Kassen umstellen
- Claus Uwe Fähnle aus Königsbronn-Zang bei Heidenheim ist Imkermeister mit Leib und Seele. Rund 250 Bienenvölker zählt er sein eigen. Er produziert 14 verschiedene Honigsorten, insgesamt mehr als zehn Tonnen im Jahr. Seinen Honig, aber auch Bienenwachskerzen, Blütenpollen, Honigwaffeln und anderes verkauft er im eigenen Hofladen, über Direktvermarkter und den örtlichen Lebensmitteleinzelhandel. Außerdem bewirtschaftet er den landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern und baut Dinkel und Hafer an.
Fähnle, dessen Familie im Betrieb mitarbeitet, ist voll ausgelastet. Doch seit einigen Monaten hat er noch mehr Arbeit. Denn sein Steuerberater Georg Schöffler aus Giengen hat ihn auf die seit 1. Januar geltende Kassendokumentationspflicht aufmerksam gemacht. Betroffen davon sind allein in Baden-Württemberg Tausende von Betrieben, die entweder ihre Kassen umrüsten, neue kaufen oder im Rahmen der sogenannten „Offenen Kasse“per Hand alle Transaktionen umfangreich dokumentieren müssen. Damit sollen Manipulationen und Missbrauch verhindert werden. Die Regelung gilt für „alle bargeldintensiven Betriebe, vom Supermarkt über den Einzelhändler, vom Friseur und Metzger zum Bäcker und von der Gaststätte bis hin zur Imbissbude und zum Gebrauchtwagenhändler“, sagt Steuerberater Schöffler. Wie viele Betroffene das genau sind, das weiß auch das Finanzamt nicht.
Klar ist nur: Wer nicht umgestellt hat, dem droht Ungemach. Denn vom 1. Januar 2018 an kann das Finanzamt jederzeit ungefragt und ohne vorherige Terminvereinbarung vorbeikommen. Die Betriebsprüfer können dann die Registrierkasse sowie die tägliche Aufzeichnungspflicht checken, Daten auslesen und prüfen, ob der Unternehmer seine Kasse korrekt führt. Die Daten müssen jederzeit verfügbar, unverzüglich lesbar und maschinell auswertbar aufbewahrt werden – zehn Jahre lang. Andernfalls kann es teuer werden.
Denn wenn das Finanzamt Mogelei oder unsaubere Buchführung vermutet, dann droht eine Betriebsprüfung. Die Prüfer schätzen dann die Einnahmen – und schlagen Unsicherheitszuschläge auf. „Da zahlt der Unternehmer meist drauf “, weiß Schöffler. Der Giengener ist Teil des Steuerberaternetzwerks Ecovis.
Der Großteil der Betriebe hat deshalb längst gehandelt. Entweder wurden sie von ihren Steuerberatern auf die notwendigen Änderungen aufmerksam gemacht oder von ihren Spitzenverbänden. Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbandes Württemberg in Stuttgart, sagt: „Wir haben unsere Mitglieder gut informiert. Auch die Kassenhersteller bieten Hilfen.“
Für größere Betriebe sei die Umstellung kein Problem gewesen, meint Hagmann. Sie räumt aber ein, dass es „in Vorbereitung des Gesetzes viel Unruhe gegeben hat. Wir hatten sehr viele Anfragen und deshalb viele Veranstaltungen zu dem Thema.“
Andere Branchen seien aber viel stärker betroffen. Ein Beispiel dafür ist der Hotel- und Gaststättensektor. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) BadenWürttemberg spricht in einer Pressemitteilung von einem „enormen Investitionszwang und neuen Kosten“, die sich im Fall des Neukaufs einer Registrierkasse auf bis zu 4000 Euro summierten. Besonders kritisch wird die geplante „KassenNachschau“durch die ohne Vorankündigung kommenden Kassenprüfer des Finanzamtes gesehen, die auch während der üblichen Geschäftszeiten die Herausgabe von Büchern, Aufzeichnungen oder elektronischen Daten verlangen können. „Der DEHOGA befürchtet erhebliche Störungen der Betriebsabläufe und lehnt die geplante Kassen-Nachschau als verfassungswidrig ab“, heißt es in einer Mitteilung.
Kritik am System
Auch andere Fachleute sehen das Thema Kassenumstellung sehr kritisch. Franz Falk, Geschäftsführer Unternehmensservice bei der Handwerkskammer Region Stuttgart, ist sich sicher, dass „es da noch große Probleme“geben wird: „Viele Kleinbetriebe in allen Branchen haben das noch längst nicht umgesetzt.“Auch der Kemptener Steuerberater Jürgen Semrau spricht von einem „ganz heißen Thema, denn bei bargeldintensiven Betrieben ist die richtige und zeitnahe Aufzeichnung der Kasse sehr wichtig. In der Praxis sind deshalb schon Rechenfehler ein Problem. Das kann zur Aberkennung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung führen und das kann teuer werden“, weiß er. Wer einen Steuerberater hat, sollte eigentlich Bescheid wissen und schon umgerüstet haben. Doch auch Steuerberater machen angesichts der vielen Details bei den ständigen Änderungen Fehler. Viele Betriebe, die ihre Buchführung etwa nebenbei innerhalb der Familie erledigen, haben von der Neuregelung womöglich nicht einmal gehört.
Eine Verpflichtung zum Einsatz elektronischer Kassen besteht nicht. Claus Uwe Fähnle etwa war die Anschaffung viel zu teuer. „Das lohnt sich für mich nicht“, sagt er. Er hat sich deshalb für die „Offene Ladenkasse“entschieden. Er muss nun viel mehr aufschreiben als früher und auch abends viel Zeit dranhängen.
Verdient an der Umstellung haben in erster Linie die Kassenhersteller. Übrigens: Die nächste Änderung steht schon an. Von 2020 an müssen elektronische Aufzeichnungssysteme über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen. Das kann wieder teuer werden.
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