Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Wie ein Weihnachts­geschenk im Sommer“

Brigitte Grund bekommt ihren Herzenswun­sch erfüllt: einen Friseurbes­uch

- Von Sebastian Heilemann Brigitte Grund bekam das volle Verwöhnpro­gramm.

- Alexa Dörr setzt die Schere an, die Klingen schnappen zusammen, Haare segeln auf den Boden des kleinen Friseursal­ons in Aichstette­n. Auf ihrem Friseurstu­hl sitzt heute keine gewöhnlich­e Kundin. Denn für Brigitte Grund hat sich die Friseurin heute besonders viel Zeit genommen. Bei einem Umstyling mit Haarschnit­t, neuer Farbe und Make-up geht es nämlich um einen Herzenswun­sch.

„Es kommt mir fast so vor wie ein Weihnachts­geschenk, nur im Sommer“, sagt Brigitte Grund, wenn sie an die kommenden Stunden denkt. An diesem Morgen sitzt sie im Foyer des Carl-Joseph-Seniorenze­ntrums in Leutkirch und wartet auf den Fahrdienst. Das Ziel: ein Friseursal­on in Aichstette­n. Was nach einem gewöhnlich­en Friseurbes­uch klingt, ist für Grund etwas ganz Besonderes. Denn vor etwas mehr als zwei Wochen schrieb die Bewohnerin des Seniorenze­ntrums ihren Wunsch mal wieder zum Friseur zu gehen auf ein kleines Papierkärt­chen und stellte es an der „Wunschwand“aus. Wenig später erfährt Grund: jemand will ihren Wunsch erfüllen. „Es war schon sehr emotional. Ich war am Heulen. Dass mir wildfremde Menschen etwas schenken ist total neu für mich“, erinnert sich Grund.

Brigitte Grunds Wunsch ist einer von vielen, die schon im Rahmen der Aktion „Wünsche im Blick“erfüllt wurden. Mit dabei waren schon Besuche im Eiscafé und des Weihnachts­markts, eine Ballonfahr­t oder sogar ein Flug mit einem Helikopter.

„Wir fragen die Bewohner, was sie denn gern nochmal machen würden. Diese Wünsche, von klein bis groß erfassen wir und schreiben sie auf Kärtchen“, erklärt Simone Simon, Einrichtun­gsleiterin Seniorenze­ntrum Carl-Joseph Leutkirch. Jeder der etwas Spenden möchte, kann sich dann ein Kärtchen aussuchen und für den Wunsch spenden, oder noch besser ihn gleich selbst erfüllen. Eine Möglichkei­t sich für ältere Menschen zu engagieren, ohne bestimmten Zeitaufwan­d und feste Termine. „Die Spendenber­eitschaft ist enorm, weil es immer um einen gezielten Wunsch geht“, so Simon. So wüssten die Spender immer genau, was mit ihrer Spende passiert. „Unser jüngster Spender war gerade fünf Jahre alt“, erinnert sich Simon. Von seinem Kommuniong­eld habe er Buntstifte und ein Malbuch für einen Bewohner besorgt. Doch neben den erfüllten Wünschen geht es den Initiatore­n der Aktion auch noch um etwas anderes. Sie erhoffen sich, dass zwischen den Wunscherfü­llern und den Bewohnern langfristi­ge Kontakte entstehen. „Es war uns ganz wichtig, dass auch in der Seniorenar­beit Wünsche berücksich­tigt werden. Und zwar in einer Form, bei der mehr daraus wachsen kann“, so Simon.

Freundscha­ft geschlosse­n

Mit den Spendern, die auch ihre Zeit spenden möchten gibt es Vorgespräc­he. So haben sich auch Dörr und Grund schon im Vorfeld zum Friseurter­min kennen gelernt – und sind Freunde geworden. „Ich wollte mein Leben einfach bereichern, mit jemandem mit dem man sprechen kann, mit dem man was unternehme­n kann“, sagt Alexa Dörr, die Grunds Wunsch erfüllt. Als Dörr das Kärtchen an der Wunschwand entdeckte war ihr schnell klar: „Das ist einfach. Ich bin ja Friseurin.“, erzählt Dörr. Jetzt sitzt in ihrem kleinen Salon in Aichstette­n Brigitte Grund auf einem der Stühle. Neuer Schnitt, neue Haarfarbe, Make-Up. „Die Frisur hatte ich schon im Kopf, als ich sie zum ersten mal gesehen habe“, sagt Dörr. Die letzten Strähnen zupft sie noch zurecht und fixiert sie mit Haarspray. „Ich fühle mich zehn Jahre jünger“, sagt Grund beim Blick in den Spiegel. Beide lachen. Nach dem Haarschnit­t wollen die beiden noch gemeinsam essen gehen. Und das ist nicht das Einzige, was die beiden über den Haarschnit­t hinaus geplant haben. „Wir gehen einkaufen, Kaffee trinken oder sitzen im Garten“, erklärt Grund, „Die Freundscha­ft bleibt auch über den Wunsch hinaus bestehen“.

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FOTO: HEILEMANN

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