Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Sorgen um ein einzigartiges Idyll
Der Prinz zu Fürstenberg plant im Donautal einen Kalksteinabbau – Die Bewohner fürchten um ihren Lebensraum
- Verträgt sich ein Kalksteinbruch mit der unberührten Natur im Oberen Donautal? Die imposanten Felsformationen sind weit über den Kreis Sigmaringen hinaus bekannt. Zwischen den Kalksteinen aus Weißjura haben sich seltene Pflanzen wie das Steinröschen angesiedelt, die sonst nur in arktischen oder alpinen Gegenden verbreitet sind. Der Luchs ist ins Donautal zurückgekehrt, Uhu und Wanderfalke gehören schon länger zu den Bewohnern. Der Mittelberg im Beuroner Ortsteil Thiergarten, in dem der Kalksteinabbau geplant ist, ist ein besonders geschütztes Gebiet: ein Naturschutzund Vogelschutzgebiet.
Darf in in diesem Gebiet ein Hang abgetragen werden? Jahr für Jahr sollen dort 200 000 Tonnen hochreine Kalke gefördert werden. Und dies 25 bis 30 Jahre lang. Die Kalkfelsen des Mittelbergs sind begehrt, weil der Reinheitsgehalt des Kalks bei weit über 90 Prozent liegt. Der Rohstoff gilt als Industriemineral, das in der chemischen Industrie und der Lebensmittelindustrie eingesetzt wird. Als Beispiel wird gerne die Zahncreme genannt, in der hochreine Kalke enthalten sind. Für eine Tonne werden Erlöse von einem Vielfachen erzielt im Vergleich zu klassischem Kalkschotter, dessen Förderung auf der Schwäbischen Alb gang und gäbe ist.
Prinz wohnt in der Schweiz
Der Eigentümer des Mittelbergs ist Maximilian Prinz zu Fürstenberg, ein Cousin des Donaueschinger Fürsten Heinrich zu Fürstenberg, der in der Region bekannter ist. Prinz Max wohnt eigentlich in der Schweiz. Im Donautal hat er auf Schloss Werenwag einen Zweitwohnsitz, von dem er das Tal und seine Besitztümer überblicken kann. Sein Forstbetrieb bewirtschaftet eine Fläche von knapp 3000 Hektar. Sein gesamter Besitz befindet sich im Donautal. Historischer Hintergrund: Einst gehörte ganz Thiergarten dem Prinzen, er betrieb dort ein Hammerwerk.
Mit den Planungen für den Kalksteinabbau hat der Adelsmann seinen Forstbetriebsleiter Paul Lübbers beauftragt. Der freundliche Herr tätigt, gefragt nach dem aktuellen Stand des Verfahrens, eine Aussage, die die Gegner des Abbaus überraschen dürfte: „Max Prinz zu Fürstenberg hat sich noch nicht entschieden, ob er die Genehmigung für den Kalksteinabbau beantragen wird.“Zuvor wolle er vom Landratsamt noch genauere Informationen zu den Auflagen erfahren. Sobald diese Informationen vorlägen, wolle sein Chef sich entscheiden, sagt der Leiter des Forstbetriebs.
An manchen Tagen ist Raphael Osmakowski-Miller froh, dass er der einzige ehrenamtliche Bürgermeister im Kreis Sigmaringen ist. „Ich bin freier in meinem Denken als ein hauptamtlicher Bürgermeister“, sagt der Polizist, der im Nebenberuf auf dem Bürgermeistersessel von Beuron sitzt. Mit 670 Seelen ist die Gemeinde die kleinste im Kreis. Ein Tag, an dem der Bürgermeister froh war, dass es in seinem Berufsleben noch andere Tätigkeiten gibt, war ein Mittwoch Ende Juni. Bei einer hitzigen Informationsveranstaltung des Regierungspräsidiums zum Kalksteinabbau wurde der Bürgermeister offen angefeindet. Der Vorwurf: Der Bürgermeister stehe nicht hinter seinen Bürgern.
Osmakowski-Miller als Befürworter des Kalksteinabbaus zu bezeichnen, wäre ihm gegenüber ungerecht, aber nach Abwägen der Vorund Nachteile kommt er zu dem Ergebnis, dass Beuron finanziell von dem Großprojekt profitieren könnte. Der Bürgermeister schielt auf die Gewerbesteuereinnahmen. Wie hoch die Einnahmen wären, dies steht nach Angaben des Bürgermeisters heute noch nicht fest. Sie sollen sich aber im sechsstelligen Bereich befinden. Geld, das die Gemeinde gut gebrauchen könnte, denn die Gewerbesteuereinnahmen liegen momentan im fünfstelligen Bereich. Fast genauso wichtig sind die Einnahmen, die die drei Parkautomaten im Gemeindegebiet abwerfen.
Signale pro Kalkabbau
Zuletzt ebnete das Regierungspräsidium Tübingen den Weg für das Genehmigungsverfahren. Eine Genehmigung vom Landratsamt Sigmaringen ist zwar noch nicht erteilt, die Entscheidung kann aber als Signal gewertet werden, dass die Tübinger Behörde sich den Kalksteinabbau im Donautal vorstellen kann. Der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben hat sich als Planungsbehörde ebenfalls klar positioniert. „Wir werden den Mittelberg im Regionalplan als Abbruchstelle ausweisen“, sagt Direktor Wilfried Franke. Er hält den Steinbruch sogar für unausweichlich. Das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (Freiburg) habe einen Standort im Raum Bodensee-Oberschwaben eingefordert, der jetzt im Donautal geplant werde.
An markanten Stellen in Laiz bei Sigmaringen, dem Wohnort des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), das als Pforte zum Donautal gilt, haben die Gegner Transparente aufgehängt. Und auch an vielen Stellen im Tal selbst ist abzulesen, dass den Bürgern die Bemühungen des Prinzen nicht egal sind. Die Bürgerinitiative hat zwischenzeitlich einen so großen Wirkungskreis, dass sie zu einer vor zwei Wochen angesetzten Kundgebung unterhalb des Mittelbergs zwischen 300 und 400 Leute mobilisieren konnte. Ihr Sprecher ist mit Gerhard Stumpp eine Persönlichkeit, die sich in der Raumschaft schon länger für die Bewahrung der Natur einsetzt. „Vorfahrt für die Industrie zur Rohstoffgewinnung – dass die Behörden dies so sehen, dagegen haben wir etwas“, ruft er den Teilnehmern der Kundgebung zu. Aus Sicht der Gegner hat das Regierungspräsidium in seiner Abwägung diesem Interesse eine zu hohe Bedeutung zugemessen.
Bleiben Touristen fern?
Neben dem Schutz der Tier- und Pflanzenwelt führen sie den Tourismus als weiteres Argument gegen den Abbau an. Immer mehr Menschen im Donautal leben im Sommer davon: Gastronomen verköstigen Feriengäste und Ausflugsgäste und bieten ihnen eine Unterkunft. An den Felsen des Donautals können Schwierigkeitsgrade geklettert werden, die sonst nur in den Alpen zu finden sind. Neben den Wanderern und Kanufahrern sind die Radfahrer die wichtigste Gruppe der Freizeitgäste. Allein die Zahl der Radfahrer, die durchs Donautal in Richtung Ulm und weiter flussabwärts radelt, wird mit jährlich 80 000 angegeben. Der Tourismus hat sich zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor für die Einheimischen entwickelt.
Die Einwohner haben die Befürchtung, dass Lärm und Dreck ihren Lebensraum zerstören. Allein 60 Lastwagen sollen täglich den Transport des Gesteins übernehmen. Der Betriebsleiter des Eigentümers zeigt Verständnis für die Vorbehalte der Bürger, macht aber auf der anderen Seite deutlich, dass der Eigentümer guten Argumenten gegenüber offen sei. Als Beispiel nennt er ein Förderband, das den Kalkstein von den Höhen des Mittelbergs auf einer Strecke von mehreren Hundert Metern ins Tal transportieren soll. Über drei Silos soll der Rohstoff dann auf Lastwagen verladen werden. Ursprünglich sollten die Lastwagen auf einer Piste direkt in den Steinbruch fahren. Um Naturbiotope zu schützen, sei ganz darauf verzichtet worden.
Ob der Eigentümer, wie von den Behörden angeregt, den Transport auf die Schiene verlagert, ist unklar. Da die Bahnhöfe entlang der Donautalbahn in Richtung Sigmaringen größtenteils in Privatbesitz sind, wäre das Umladen schwierig. Anbieten würde sich der Bahnhof in Storzingen bei Stetten am kalten Markt.
Bis das Landratsamt über die Genehmigung entscheidet, dürfte noch viel Wasser die Donau hinunterlaufen. Die Gegner hoffen, dass sie bis dahin noch „etwas finden“, sei es ein unter Schutz stehendes Tier oder eine Pflanze, die das Projekt im Handstreich zu Fall bringen könnten.