Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Israels Bann für al-Dschasira stößt auf Widerstand
Es war ein Knaller, den Israels Kommunikationsminister Ayoub Kara verkündete. Man wolle es den Saudis und anderen arabischen Staaten nachtun, tönte er, und al-Dschasira, dem Nachrichtensender aus Katar, einen Riegel vorschieben. Von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der bei allem, was mit Medien zu tun hat, die Fäden zieht, erhielt Kara prompt Lob. „Entsprechend meiner Anweisungen“, twitterte Netanjahu, habe der Minister „einige praktische Schritte eingeleitet, um die von al-Dschasira betriebene Aufwiegelung zu stoppen.“
So einfach, wie sich die beiden das vorgestellt hatten, funktioniert es nicht. Mal abgesehen davon, dass Einschnitte in der Pressefreiheit dem Image Israels nicht eben schmeicheln. Die Akkreditierung lasse sich nur entziehen, wenn Journalisten nach Einschätzung der zuständigen Dienste die nationale Sicherheit gefährdeten, teilte Nitzan Chen, Direktor des Government Press Office (GPO), mit. Und selbst dann sähen die Regularien eine Anhörung vor.
Die israelischen Kabel- und Satellitengesellschaften wiederum müssen erst prüfen, ob sie al-Dschasira aus dem Angebot nehmen. Die meisten Zuschauer hat der Sender unter arabischen Israelis. Und die empfangen ihn wie Dutzende andere arabische Programme über eine private Satellitenschüssel auf dem Dach. Einschränken lässt sich das nicht.
al-Dschasira kann mit seiner Reichweite und seiner Vielzahl an Korrespondentenplätzen mit den Giganten im Geschäft wie BBC und CNN ohne Weiteres mithalten. So kritisch der Sender etwa über den israelisch-palästinensischen Konflikt be- richtet – am Werk sind journalistische Profis. Minister Kara habe bei seinen Anwürfen nicht einen substanziellen Vorwurf machen können, dass das alDschasira-Büro in Jerusalem unprofessionell arbeite oder gar, wie von ihm behauptet, Terror unterstütze, nahm die Sendezentrale in Doha Stellung. „Merkwürdig und einseitig“sei sein Verweis auf andere arabische Staaten wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Ägypten und Jordanien, die im Juni nach Abbruch ihrer Kontakte zu Katar auch den von dort ausstrahlenden Sender blockiert hatten.
Rückendeckung von Amnesty
Gegen den israelischen Bann will das Netzwerk mit allen rechtlichen Schritten vorgehen. Rückendeckung erhielt es von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die von einem „dreisten Angriff auf die Medienfreiheit in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten“sprach. Ebenso deutlich warnte das US-amerikanische Komitee zum Schutz von Journalisten vor dem Versuch, al-Dschasira zu zensieren.
Angesichts all der arabischen Staaten, die al-Dschasira für ein Werkzeug der Islamisten hielten, sei es „aberwitzig“, wenn Israel da nicht mitziehe, argumentiert Kara. Tatsächlich kommen bei al-Dschasira mitunter Vertreter von Hamas, Hisbollah oder dem „Islamischen Staat“zu Wort. Allerdings werden genauso Interviews mit Israelis aus dem gesamten politischen Spektrum geführt. Lange Zeit wusste auch Israel zu schätzen, über al-Dschasira seinen Standpunkt ungefiltert präsentieren zu können. Doch nun tun sich für Netanjahu neue Allianzen auf, die er über diskrete Gesprächskanäle zu den Saudis einzufädeln versucht.