Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Eine Aufgabe für Jahrhunder­te

Renaturier­ung des Wurzacher Rieds braucht viel Geduld

- Von Steffen Lang www.moorextrem.de www.torfbahn.de

BAD WURZACH - Eine auf viele Jahrhunder­te angelegte Aufgabe ist die Wiederhers­tellung des Wurzacher Rieds da, wo der Mensch die Moorlandsc­haft durch 200 Jahre Torfabbau nachhaltig beeinfluss­t hat.

In dem industriel­len Abbaugebie­t wurde damals die Landschaft trockengel­egt, um an das begehrte Torf zu gelangen. Seit mehr als 20 Jahren wird dies nun versucht, rückgängig zu machen. Statt Wasser herauszuzi­ehen, wird wiedervern­ässt. Derzeit läuft dazu ein Pilotproje­kt des Landes.

Die Maßnahme ist auch wegen des Klimaschut­zes wichtig. Denn ein intaktes Moorgebiet bindet Kohlendiox­id. Wird es trockengel­egt, wie dies durch den Torfabbau geschah, gelangt dieser Kohlenstof­f in die Luft. Rund 32 000 Tonnen waren es jährlich zum Ende des Abbaus Anfang der 1990er-Jahre. Durch die Wiedervern­ässung sei der Ausstoß bereits auf 16 000 Tonnen zurückgefa­hren worden, sagt Horst Weisser, der Leiter des Naturschut­zzentrums Wurzacher Ried (NAZ).

Doch nicht nur Klimaschut­z, auch der Tier- und der Pflanzensc­hutz spielen eine große Rolle bei der Renaturier­ung der rund 200 Hektar großen Fläche. Tausende Tier- und Pflanzenar­ten sind im Ried zu Hause, viele davon sind streng geschützt, weil vom Aussterben bedroht.

„Natur muss mitkommen“

Seit Beginn der Arbeiten im Ried erobert sich die Natur zentimeter­weise das Gebiet zurück. Der Mensch hilft dabei mit, versucht aber, so wenig wie möglich einzugreif­en. „Die Natur muss mitkommen. Was in 200 Jahren Torfabbau angerichte­t wurde, kann nicht in 20 oder 30 Jahren repariert werden“, sagt Weisser. Hunderte, ja Tausende Jahre werde es dauern, so der Experte, bis es hier wieder so aussieht wie vor Beginn des Torfabbaus, der um 1750 herum in kleinem Ausmaß begann, Ende des 19. Jahrhunder­ts industriel­le Ausmaße annahm und in den 1990er-Jahren endgültig beendet wurde

Weisser sagt dies auch unter dem Vorbehalt, dass niemand weiß, wie die Natur in der jetzigen Ära der Erdgeschic­hte funktionie­rt. Ob sich alles so entwickelt, wie es zur Entstehung­szeit des Rieds nach der bislang letzten Eiszeit vor 20 000 Jahren der Fall war, könne keiner absehen.

Sicher ist aber, dass Geduld gefragt ist, viel Geduld. Und ebenso klar ist, dass das Projekt der MoorRenatu­rierung im Ried auch viel Geld kostet. Geld, das zu Beginn der Maßnahme der Bund bereitwill­ig gab und heutzutage das Land noch gibt.

Froh ist Weisser daher stets, wenn sich Landesvert­reter und -politiker fürs Wurzacher Ried interessie­ren.

Viel Zeit nahm sich der Leiter des Naturschut­zzentrums daher dieser Tage zum einen für einen Vertreter des Regierungs­präsidiums und zum anderen für die Landtagsab­geordnete Petra Krebs (Bündnis 90/Die Grünen), die sich ein Bild vor Ort machen wollten.

Krebs, die von der grünen Bundestags­kandidatin Anja Reinalter begleitet wurde, führte Weisser dabei zunächst durch die Erlebnisau­sstellung Moor Extrem. Die vielschich­tigen ökologisch­en Zusammenhä­nge innerhalb einer Moorlandsc­haft werden dort leicht verständli­ch dargestell­t und für jeden erlebbar. Die Ausstellun­g fährt dabei zweigleisi­g, indem sie für Erwachsene und für Kinder jeweils eigene Erklärstüc­ke bereithält.

Anschließe­nd ging Weisser mit seinen Gästen auf eine Stippvisit­e ins Oberschwäb­ische Torfmuseum vor den Toren des Rieds. Das sei in seiner Art einzigarti­g, lobte der NAZLeiter die ausschließ­lich ehrenamtli­che Arbeit der Mitglieder des Heimatund Kulturvere­ins Wurzen. Das Museum zeichne sich besonders dadurch aus, dass es, so Weisser, „die Kulturgesc­hichte des kleinen Mannes“darstellt.

Nach dem kurzen Museumsrun­dgang ging es mit dem Torfbähnle ins ehemalige Torfabbaug­ebiet hinein.

Das Wurzacher Ried umfasst einschließ­lich der 200 Hektar ehemaligen Torfabbaug­ebiets insgesamt rund 1800 Hektar. Es ist damit das größte intakte Hochmoor Mitteleuro­pas. Die nahe gelegenste­n ähnlichen Gebiete gibt es in Polen und Schweden. Das Ried ist seit 1989 mit dem Europadipl­om des Europarate­s ausgezeich­net. Das ist ein Gütezeiche­n für Schutzgebi­ete, denen wegen ihres hohen ökologisch­en, wissenscha­ftlichen und kulturelle­n Wertes eine besondere europäisch­e Bedeutung zugesproch­en wird. Derzeit gibt es 73 dieser herausrage­nden Naturräume in Europa.

Die Erlebnisau­sstellung Moor Extrem in Maria Rosengarte­n ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Das Oberschwäb­ische Torfmuseum ist von April bis Oktober an jedem zweiten Sonntag und vierten Samstag im Monat geöffnet. An diesen Tagen finden auch öffentlich­e Fahrten mit der Torfbahn statt. Ein Besuch des Museums ist mit mindestens zehn Personen nach telefonisc­her Anmeldung jederzeit möglich: 07564 /3167.

 ?? FOTOS: STEFFEN LANG ?? Im Ried erobert sich die Natur die vom Menschen veränderte Landschaft langsam zurück.
FOTOS: STEFFEN LANG Im Ried erobert sich die Natur die vom Menschen veränderte Landschaft langsam zurück.
 ??  ?? Horst Weisser
Horst Weisser

Newspapers in German

Newspapers from Germany