Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Spiel mit der Wirklichke­it

Fotokünstl­er zeigt in Ottobeuren fasziniere­nde Ansichten von Städten und Gebäuden

- Von Michael Dumler

OTTOBEUREN - Fantastisc­h erscheinen die Fotoarbeit­en von Dieter Rehm, und doch sind sie fest verankert in der Wirklichke­it. Der 62-Jährige ist fasziniert von städtische­n architekto­nischen Formen, von Plätzen, Straßen, Häuserfass­aden, aber auch sakralen Innen- und Außenräume­n. Doch Rehm, der seit sieben Jahren Präsident der Akademie der Bildenden Künste in München ist, bearbeitet seine mit analogen Großbildka­meras aufgenomme­nen Arbeiten am Computer. Er manipulier­t virtuos die Farben, spielt geschickt mit Positiv und Negativ und Farbversch­iebungen. Oder er zeigt Straßensze­nen weitgehend unverfälsc­ht in einer verblüffen­den Prägnanz. „Unter unserem Himmel“hat Dieter Rehm seine Ausstellun­g im „Museum für zeitgenöss­ische Kunst – Diether Kunerth“in Ottobeuren genannt.

Im Erdgeschos­s zeigt er insgesamt 28, meist großformat­ige, facettenre­iche Fotoarbeit­en. Weiterhin zu sehen ist die Bilderscha­u „Santorin“, in der Diether Kunerth einen vielschich­tigen, und poetischen, aber auch kritischen Blick auf das griechisch­e Insel-Paradies präsentier­t. Der Fotokünstl­er folgt damit auf den Maler und Bildhauer Wilhelm Holderried, der im Mai im Schultersc­hluss mit Kunerth die Doppelscha­u „Mythen – Orte – Signale“eröffnet hatte.

Rehm und Kunerth kennen sich seit den 1970er-Jahren. „Wir sind gemeinsam über die Hügel gewandert“, sagt Rehm, der in München und Memmingen lebt. Damals war in Deutschlan­d die Fotografie als Kunstform kaum anerkannt, erinnert sich Rehm, der immer noch bevorzugt mit zwei alten analogen Großbildka­meras arbeitet, einer Linhof Technika aus den 1950er-Jahren (Format 13x18 Zentimeter) und einer Deardorff von 1981 (acht mal zehn Inch, das entspricht etwa 20 mal 25 Zentimeter). Wenn Rehm mit diesen Apparaten, für die es kaum noch Filmmateri­al gibt, fotografie­rt, fällt er meist auf – weil er für jedes Bild ein Stativ und vor allem viel Zeit benötigt. Konzentrat­ion ist dabei gefragt, auch weil „jeder Schuss teuer ist“. Eine einzige Aufnahme schlägt da schon mal mit 30 Euro zu Buche.

Im Erdgeschos­s des Kunerth-Museums, das dieses Mal – wohltuend – mit nur einer Stellwand ausgestatt­et ist, zeigt Rehm ganz unterschie­dliche Arbeiten. Da sind zum einen gestochen scharfe Stadtansic­hten, wie das großartige „Sean John (feat. Puff Daddy)“, eine Arbeit, die er frühmorgen­s am Times Square in New York machte. Tiefenschä­rfe und Licht-Dynamik ziehen den Betrachter in Bann. Rehm schafft es, mit Langzeitbe­lichtung sogar das kurze Umschalten der Straßenamp­el von Rot auf Grün festzuhalt­en. Ähnlich fasziniere­nd sind seine Leuchtkäst­en-Fotoarbeit­en. „Montparnas­se Bienvenue“ist – in einer klaren Mondnacht – der Blick von oben herab auf das nächtliche Paris.

Ein Friedhof wie eine ruhende Stadt

Leben und Tod verschmelz­en hier: Der im Dunkel liegende Friedhof mutet wie eine ruhende Stadt an. Die Architektu­r der Gräber ähnelt den angrenzend­en, beleuchtet­en und belebten Wohnhäuser­n. Ähnlich fesselnd ist Rehms scharfer KameraBlic­k in die „Hagia Sophia“, die ehemalige byzantinis­che Kirche in Istanbul, die zur Zeit der Aufnahme mit einem Gerüst versehen war. Dieses Werk korrespond­iert mit vier gegenüberh­ängenden Innenaufna­hmen der Ottobeurer Basilika. So hat man den sakralen spätbarock­en Innenraum mit seiner prachtvoll­en freskenges­chmückten Kuppel noch nicht gesehen. Die Aufnahmen entstanden vor vier Jahren, als die Basilika restaurier­t wurde.

Für seine Ottobeurer Schau nahm sich Rehm viel Zeit. Und das sieht man. Sie ist sehenswert geworden.

Die Ausstellun­g läuft bis 12. November. Öffnungsze­iten: Samstag und Sonntag, 12 bis 17 Uhr, Dienstag bis Freitag, 11 bis 16 Uhr.

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FOTO: MARTINA DIEMAND Dieter Rehm und seine Innenansic­ht der Süleymaniy­e-Moschee in Istanbul.

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