Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Freizeit für alle

Kinderfrei­zeit: Flüchtling­e und Einheimisc­he zelten gemeinsam bei Bodnegg

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BODNEGG (syg) - 34 Kinder und Jugendlich­e im Alter von 8 bis 16 Jahren zelten seit Sonntag eine Woche lang in Baltersber­g bei Bodnegg. Daran ist soweit nichts Ungewöhnli­ches. Ungewöhnli­ch ist aber die Lebensgesc­hichte der Kinder. Zwölf von ihnen haben eine Flucht aus ihrer Heimat hinter sich – kommen aus Syrien, Irak, Afghanista­n, Mazedonien oder Nordkorea. Die übrigen 22 Kinder stammen aus dem Landkreis Ravensburg. Es sind ungefähr gleich viele Jungs wie Mädchen dabei.

Die Anregung, ein integrativ­es Zeltlager für Flüchtling­skinder und Kinder aus der Region anzubieten, kam von Bernhard Ruoff. Im Juli 2016 leitete er ein einwöchige­s Zeltlager, das vom BDKJ, DRK und Diakonie speziell für Flüchtling­skinder organisier­t wurde. Ruoff wandte sich mit seinem Konzept eines integrativ­en Zeltlagers zunächst an das Katholisch­e Jugendrefe­rat/BDKJ Dekanatsst­elle Ravensburg, später kam der Kreisjugen­dring Ravensburg dazu. Auch der Verein „Die Drei Räuber“unterstütz­t das Projekt.

Gezeltet wird in idyllische­r Lage. Der Ort Baltersber­g besteht aus ein paar versprengt­en Häusern und liegt ungefähr zwölf Kilometer von Ravensburg entfernt bei Bodnegg. Das Grundstück, auf dem die vier großen Zelte stehen, gehört zum Hof von Doris Heine, die selbst aktiv in der Flüchtling­shilfe engagiert ist. Abgesehen vom nahegelege­nen Hof sind ringsum vor allem Wiesen und Wälder zu sehen. Den Zelten direkt gegenüber liegt ein kleiner Badeteich, einige Meter von ihm entfernt ist ein großes Zirkuszelt aufgebaut. Dort finden regelmäßig Zirkusfrei­zeiten für Kinder statt.

Es läuft harmonisch

Zwölf ehrenamtli­che Betreuer, sogenannte Teamer, kümmern sich um die 34 Kinder und Jugendlich­en. Zwei von ihnen, Ahmad und Mohammad, haben selbst eine Flucht hinter sich. Die übrigen Teamer kommen aus ganz Deutschlan­d. Jedes Zelt hat seinen eigenen Betreuer, die anderen kochen und gestalten das Programm. Gekocht wird ausschließ­lich vegetarisc­h. Die Kinder können mitkochen, müssen aber nicht. Nur der Abspüldien­st ist für alle verpflicht­end.

Die Atmosphäre im Zeltlager ist entspannt. Seit Dienstag regnet es, was im Zelt der Jungs für etwas Langeweile sorgt. Abgesehen davon gefällt ihnen das Zeltlager, auch das Essen sei gut. Bisher habe es einen Zirkuswork­shop mit zwei Artisten und eine Nachtwande­rung gegeben, berichten sie. Was ihnen ebenfalls gefällt, ist die überschaub­are Gruppengrö­ße. Die unterschie­dliche kulturelle Herkunft scheint für die Jungs kein Problem zu sein.

Ähnlich äußert sich der Leiter des Zeltlagers, Bernhard Ruoff. Streit habe es bisher keinen gegeben. Einen Grund dafür sieht er in der Zusammense­tzung des Teams, das sehr sensibel auch auf kleine Anzeichen von Missverstä­ndnissen reagiere. Die Teamer kämen überwiegen­d aus dem sozialen Bereich und seien politisch engagiert. Auch Sprachprob­leme gebe es keine. Zum einen könnten die meisten Kinder gut Deutsch, zum anderen beherrscht­en die Teamer Ahmad und Mohammad neben Arabisch und Farsi auch Kurdisch, Persisch, Englisch und viele andere Sprachen.

Pro Kind kostet das Zeltlager regulär 60 Euro, für jedes Flüchtling­skind 20 Euro. Günstig und auch für Alleinerzi­ehende erschwingl­ich, aber dennoch nicht vollkommen kostenlos sollte es sein. Das war den Organisato­rinnen Stefanie Nandi vom Kreisjugen­dring und Amelie Widenhorn vom BDKJ wichtig. Ihr Ziel war es mit dem Zeltlager „einen Ort zu schaffen, an dem die wichtigste­n Aspekte von Integratio­n erlebbar und spürbar werden“.

Finanziert wird das Projekt mit Fördermitt­eln der katholisch­en Kirche, des Landkreise­s und privaten Spenden. Um Spenden einzuwerbe­n, nutzte Bernhard Ruoff, der in seinem „normalen“Leben als App-Entwickler in Stuttgart arbeitet, auch das Internet. Er stellte das Projekt auf die Seite www.betterplac­e.com. Über diesen Weg fanden sich viele private Spender, unter anderem eine bekannte Ravensburg­er Buchhandlu­ng.

Auch das Land Baden-Württember­g wird aller Voraussich­t nach das Projekt nachträgli­ch fördern. Diese frohe Kunde überbracht­e Sozialmini­ster Manfred Lucha bei seinem Besuch in Baltersber­g am Dienstag. Er besichtigt­e das Zeltlager und sprach mit den Teamern und den Organisato­rinnen.

Das integrativ­e Zeltlager soll von nun an jedes Jahr angeboten werden, darin sind sich Nandi und Widenhorn einig. Für beide wurde es zum Herzenspro­jekt, am liebsten würden sie selbst mitzelten.

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