Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Demokratische Beteiligung wird ausgehebelt“
Zum SZ-Artikel „Drei Baugebiete in der Kernstadt geplant“vom 11. August schreibt ein Leser: Wohnbebauung muss sein, aber brauchen wir eine Regelung, die unsere Natur und Landschaft kaum mehr berücksichtigt? Der im Artikel beschriebene schnelle Weg der Wohnbebauung bezieht sich auf den bei der letzten Novellierung des Bundesbaugesetzes auf Druck der CSU aufgenommenen Paragraphen 13b. Die Novelle wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien durchgesetzt. Damit haben sie sich für Baulobby und Verwertungsinteressen und gegen Natur- und Landschaftsschutz entschieden.
Die Regelung wurde selbst von Verbänden, wie dem Bund Deutscher Landschaftsarchitekten, abgelehnt. Die Rechtsnorm sieht vor, Wohnbaugebiete im Außenbereich, unter bestimmten Voraussetzungen, ohne Flächenausgleich, ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und ohne frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung zu genehmigen. Damit werden Instrumente und Gesetze, wie demokratische Beteiligung oder Rechtsnormen zum Landschafts- und Flächenschutz, ausgehebelt.
Weiterhin ignorierten die Regierungsparteien mit dem Durchwinken des Paragraphen 13b den eigenen Koalitionsvertrag. In diesem wurde als Ziel der Bundesregierung vereinbart, den täglichen Flächenverbrauch in der Bundesrepublik auf maximal 30 Hektar zu begrenzen. Zur Zeit liegt dieser bei etwa 60 Hektar pro Tag und könnte nach Aussage der Deutschen Umwelthilfe auf bis zu 120 Hektar pro Tag steigen, wenn nur die Hälfte aller deutschen Gemeinden Gebrauch vom Paragraph 13b machen. Der Paragraph gilt zwar nur für überbaubare Flächen bis zu einer Größe von einem Hektar, welche Bruttoflächen jedoch durch geschickte Ausweisung und Planung möglich sind, ist zu erahnen, wenn man im Artikel von Planflächen mit über vier Hektar liest. Wohnbebauung muss sein, aber brauchen beziehungsweise wollen wir tatsächlich die Anwendung einer Regelung, die unsere Natur und Landschaft kaum mehr berücksichtigt und deshalb weitreichende Negativkonsequenzen für diese Schutzgüter haben wird?
Rainer Häckler, Leutkirch