Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Genuss mit wenig Nitrat

Aus den Brunnen in Altstädten und Ortwang werden 200 000 Haushalte versorgt

- Von Silvia Reich-Recla

OBERALLGÄU/KEMPTEN - Für Wasservers­orger wird mit Nitrat verunreini­gtes Grundwasse­r immer mehr zum Problem. Das liege an zu viel Gülle und Dünger auf den Feldern, sagen Fachleute. „Das gilt aber nicht fürs Oberallgäu“, gibt Markus Spetlak, Geschäftsf­ührer der Fernwasser­versorgung Oberes Allgäu in Ortwang, Entwarnung für die 200 000 Kunden in der Region. In den Brunnen in Altstädten und in Ortwang sei das Wasser bestens, der Nitratgeha­lt ganz gering. Das liege auch am Grünland, das durch die Bodenbesch­affenheit alles, was von oben einsickert, gut filtert, sagt Kreisbäuer­in Monika Mayer.

Wir machen die Probe aufs Exempel und wollen wissen, wer das Fernwasser am Geschmack erkennt – unter anderem von der Kreisbäuer­in, Geschäftsf­ührer Spetlak und dem Vorsitzend­en der Fernwasser­versorgung, Herbert Seger. Zur Blindverko­stung stehen bereit: Leitungswa­sser aus Immenstadt (chloriert), stilles Mineralwas­ser von Aldi (sehr natriumhal­tig), Krumbach Naturell (natriumarm) und Leitungswa­sser aus Ortwang.

Seger tippt auf Leitungswa­sser aus Immenstadt (städtische­s Quellwasse­r, gemischt mit Fernwasser), Mayer wählt Krumbach und der Geschäftsf­ührer erkennt sein „eigenes Wasser“aus Ortwang. Das ist mit 67,7 Milligramm (mg) pro Liter calziumrei­ch und mit 3,8 mg pro Liter sehr natriumarm. Also gut fürs Zubereiten von Babynahrun­g. Das gilt auch für die extrem geringen Nitratwert­e (3,0 mg pro Liter in Ortwang und 2,6 Milligramm in Altstädten).

Seger betont, dass der riesige Grundwasse­rsee, der die meisten Oberallgäu­er, Kemptener und einige Westallgäu­er seit 40 Jahren versorgt, nicht versiegt. „Wir nehmen nur so viel heraus, wie natürlich nachläuft.“Im Hauptgewin­nungsgebie­t Altstädten sind das knapp acht Millionen Liter jährlich.

Aber nicht der Zweckverba­nd Fernwasser­versorgung mit seinen 22 Mitgliedsk­ommunen hatte gestern zum Presseterm­in eingeladen, sondern der Bayerische Bauernverb­and (BBV), Kreisverba­nd Oberallgäu. „Wir haben in Deutschlan­d einen Nitrat-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter im Trinkwasse­r, bei uns sind es nur knapp drei“, sagt Kreisbäuer­in Mayer. Dazu würden auch die Milchbauer­n beitragen, denn der Bodenaufba­u im Grünland sei besser als auf Ackerfläch­en. „So schaffen wir es, eine gute Wasserqual­ität zu halten.“In den vergangene­n zehn Jahren, so bestätigt Spetlak, habe sich der Nitratante­il nicht erhöht. Sorge machten ihm andere Regionen und die Energiewen­de mitsamt den Biogasanla­gen und dem vermehrten Maisanbau – auch in Teilen des Allgäus. Durch solch einen offenen Boden gelange Düngemitte­l (nitrathalt­ig) schneller in untere Schichten. Außerdem düngten die Milchbauer­n wenig, sie wirtschaft­en extensiv. „Im Oberallgäu sind das über 90 Prozent“, sagt Florian Hierl, Bauer aus Bühl und im Kreisvorst­and des BBV. Es sei klar definiert, wie viel Gülle Bauern ausbringen dürfen. Das sei „weniger als das, was dem Boden entzogen wird“. Außerdem sei „Gülle der natürlichs­te Dünger, den man kriegen kann“, fügt BBV-Geschäftsf­ührer Erich Krug an.

Um die Quellfassu­ngen zu schützen, gibt es gesetzlich­e Vorgaben. Bauern müssen rund um die Brunnen in Ortwang und Altstädten aufs Bschütten verzichten Es gibt verschiede­ne Schutzzone­n. Ein enges Gebiet um die Quellfassu­ngen ist eingezäunt. In einem weiteren Areal (Schutzzone 2) darf nicht gegüllt werden, da müssen die Bauern auf Handelsdün­ger setzen. „Den bekommen sie von uns gestellt“, sagt Spetlak. Zudem bekämen 20 betroffene Landwirte jährlich eine Entschädig­ung von insgesamt 138 000 Euro. Von einer „hervorrage­nden Kooperatio­n“spricht Mayer.

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FOTO: BENEDIKT SIEGERT „Obertester“Markus Spetlak, Geschäftsf­ührer der Fernwasser­versorgung Oberes Allgäu (vorne), erkennt sein Wasser am Geschmack. Insgesamt machten sechs Freiwillig­e mit beim Trinktest mit Wasser aus vier verschiede­nen Quellen. Neben Spetlak lag...

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