Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Genuss mit wenig Nitrat
Aus den Brunnen in Altstädten und Ortwang werden 200 000 Haushalte versorgt
OBERALLGÄU/KEMPTEN - Für Wasserversorger wird mit Nitrat verunreinigtes Grundwasser immer mehr zum Problem. Das liege an zu viel Gülle und Dünger auf den Feldern, sagen Fachleute. „Das gilt aber nicht fürs Oberallgäu“, gibt Markus Spetlak, Geschäftsführer der Fernwasserversorgung Oberes Allgäu in Ortwang, Entwarnung für die 200 000 Kunden in der Region. In den Brunnen in Altstädten und in Ortwang sei das Wasser bestens, der Nitratgehalt ganz gering. Das liege auch am Grünland, das durch die Bodenbeschaffenheit alles, was von oben einsickert, gut filtert, sagt Kreisbäuerin Monika Mayer.
Wir machen die Probe aufs Exempel und wollen wissen, wer das Fernwasser am Geschmack erkennt – unter anderem von der Kreisbäuerin, Geschäftsführer Spetlak und dem Vorsitzenden der Fernwasserversorgung, Herbert Seger. Zur Blindverkostung stehen bereit: Leitungswasser aus Immenstadt (chloriert), stilles Mineralwasser von Aldi (sehr natriumhaltig), Krumbach Naturell (natriumarm) und Leitungswasser aus Ortwang.
Seger tippt auf Leitungswasser aus Immenstadt (städtisches Quellwasser, gemischt mit Fernwasser), Mayer wählt Krumbach und der Geschäftsführer erkennt sein „eigenes Wasser“aus Ortwang. Das ist mit 67,7 Milligramm (mg) pro Liter calziumreich und mit 3,8 mg pro Liter sehr natriumarm. Also gut fürs Zubereiten von Babynahrung. Das gilt auch für die extrem geringen Nitratwerte (3,0 mg pro Liter in Ortwang und 2,6 Milligramm in Altstädten).
Seger betont, dass der riesige Grundwassersee, der die meisten Oberallgäuer, Kemptener und einige Westallgäuer seit 40 Jahren versorgt, nicht versiegt. „Wir nehmen nur so viel heraus, wie natürlich nachläuft.“Im Hauptgewinnungsgebiet Altstädten sind das knapp acht Millionen Liter jährlich.
Aber nicht der Zweckverband Fernwasserversorgung mit seinen 22 Mitgliedskommunen hatte gestern zum Pressetermin eingeladen, sondern der Bayerische Bauernverband (BBV), Kreisverband Oberallgäu. „Wir haben in Deutschland einen Nitrat-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter im Trinkwasser, bei uns sind es nur knapp drei“, sagt Kreisbäuerin Mayer. Dazu würden auch die Milchbauern beitragen, denn der Bodenaufbau im Grünland sei besser als auf Ackerflächen. „So schaffen wir es, eine gute Wasserqualität zu halten.“In den vergangenen zehn Jahren, so bestätigt Spetlak, habe sich der Nitratanteil nicht erhöht. Sorge machten ihm andere Regionen und die Energiewende mitsamt den Biogasanlagen und dem vermehrten Maisanbau – auch in Teilen des Allgäus. Durch solch einen offenen Boden gelange Düngemittel (nitrathaltig) schneller in untere Schichten. Außerdem düngten die Milchbauern wenig, sie wirtschaften extensiv. „Im Oberallgäu sind das über 90 Prozent“, sagt Florian Hierl, Bauer aus Bühl und im Kreisvorstand des BBV. Es sei klar definiert, wie viel Gülle Bauern ausbringen dürfen. Das sei „weniger als das, was dem Boden entzogen wird“. Außerdem sei „Gülle der natürlichste Dünger, den man kriegen kann“, fügt BBV-Geschäftsführer Erich Krug an.
Um die Quellfassungen zu schützen, gibt es gesetzliche Vorgaben. Bauern müssen rund um die Brunnen in Ortwang und Altstädten aufs Bschütten verzichten Es gibt verschiedene Schutzzonen. Ein enges Gebiet um die Quellfassungen ist eingezäunt. In einem weiteren Areal (Schutzzone 2) darf nicht gegüllt werden, da müssen die Bauern auf Handelsdünger setzen. „Den bekommen sie von uns gestellt“, sagt Spetlak. Zudem bekämen 20 betroffene Landwirte jährlich eine Entschädigung von insgesamt 138 000 Euro. Von einer „hervorragenden Kooperation“spricht Mayer.