Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Immer mehr Menschen rüsten daheim auf
Stark gestiegenes Interesse an „kleinen Waffenscheinen“für Gas- und Schreckschusspistolen
KEMPTEN/OBERALLGÄU (uw/az) Abrüstung im Wohnzimmer? Eine bis nächsten Sommer geltende Amnestie soll Menschen motivieren, Waffen abzugeben, die sie illegal besitzen. Zugleich gelten strengere Regeln für die Aufbewahrung von Waffen (Ausnahmen: Sportschützen und Jäger). Tatsächlich sieht es eher nach Auf- als nach Abrüstung aus: 13 751 scharfe Gewehre, Pistolen und Revolver sind beim Landratsamt Oberallgäu registriert. Vor eineinhalb Jahren waren es fast 300 weniger. In Kempten sank die Zahl scharfer Schusswaffen um 40 auf 2846.
Heftig ist der Anstieg bei Gas-, Schreckschuss- und Luftdruckwaffen. Da man sie ab 18 Jahren ohne weitere Nachweise kaufen kann, gibt es zu ihrem Bestand keine Zahlen. Aber: Wer damit in der Öffentlichkeit herumlaufen will, benötigt einen „kleinen Waffenschein“(ausgestellt von Stadt oder Landratsamt). Die Zahl derer, die das dürfen, stieg in Kempten von 310 auf 562, im Oberallgäu von 625 auf 1081.
Zeichen eines stark gewachsenen Sicherheitsbedürfnisses? Ja, vermutet Landratsamt-Sprecherin Brigitte Klöpf. Überwiegend gäben die Antragsteller „Selbstschutz“als Grund an. Klöpf hält den Anstieg für erschreckend. Aber wenigstens flaute die Zahl neuer Anträge seit Mai deutlich ab. So wurden im Oberallgäu heuer 124, in Kempten 64 kleine Waffenscheine ausgestellt.
Für Sicherheitssorgen freilich sieht man bei der Polizei keinen objektiven Grund. Christian Eckel: „Das Allgäu ist eine der sichersten Regionen in Bayern.“Die Gewaltkriminalität im öffentlichen Raum liege deutlich unterm bayerischen Durchschnitt, noch deutlicher unter bundesweiten Zahlen. Dass immer mehr auf Schreckschusswaffen setzen oder mit Pfefferspray herumlaufen, macht der Polizei Sorgen. Damit könnten ungeübte Menschen sich und andere verletzen – womöglich ohne echte Notwehrlage. Wer unberechtigt Waffen besitzt (geerbt oder gefunden), kann die sowie Munition bis 1. Juli 2018 bei der Polizei oder Behörde abgeben. Ebenso legale Waffen zur Vernichtung. Sie müssen in geschlossenen Behältnissen transportiert und direkt zur Abgabe gefahren werden.
Eine Amnestie, um Waffen straffrei loszuwerden, hatte es 2009 nach dem Amoklauf von Winnenden gegeben. Im Oberallgäu wurden damals 200 abgegeben.