Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mit Feuereifer bei der Sache

Dirk Meyer beherrscht die alte Technik des Feuervergo­ldens – Seine Kunst ist vor allem in Königshäus­ern gefragt

- Von Rolf Dieterich

MAIERHÖFEN - Dass sich ihr beschaulic­hes Allgäuer Dorf einmal in den Adressenka­rteien europäisch­er Königs- und orientalis­cher Herrscherh­äuser befinden würde, hätten sich die Bewohner von Maierhöfen im Landkreis Lindau wohl nicht träumen lassen. Eventuell haben manche von ihnen aber auch noch gar nicht bemerkt, welche Rarität sich in dem eher unscheinba­ren alten Bauernhaus am Ortsrand befindet. Dort geht Goldschmie­demeister und Restaurato­r Dirk Meyer (56) einem Handwerk nach, das – zumindest in Deutschlan­d – extrem selten geworden ist. Nur noch eine Handvoll Kollegen, sagt Meyer, beherrscht­en die alte Technik des Feuervergo­ldens.

Als Goldschmie­delehrling in seiner Heimatstad­t Magdeburg hatte Dirk Meyer zwar auch schon einiges über das Feuervergo­lden gelernt, aber es war im Wesentlich­en bei der Theorie geblieben. Erst viel später beschäftig­te er sich wieder mit diesem Thema. Im Jahr 2000 hatte sich Meyer in Bad Homburg als Goldschmie­d und Juwelier niedergela­ssen. Ein Auftrag des Bistums Mainz zur Reparatur und Feuervergo­ldung eines antiken Messkelchs brachte die entscheide­nde Wende in seinem Berufslebe­n. Er arbeitete sich intensiv in die schon fast vergessene Materie der Feuervergo­ldung ein, bildete sich mit viel Fleiß weiter, brachte es so zu einer wahren Meistersch­aft in diesem Fach und ist bis heute mit Feuereifer bei der Sache.

Veredeln von Nobelautos

Das Juwelierge­schäft in Bad Homburg gab Meyer nach fünf Jahren wieder auf, einmal weil er sich – nach der noch nicht lange zurücklieg­enden Übersiedlu­ng aus Ostdeutsch­land – den hohen Eigenkapit­aleinsatz, der in dieser Branche erforderli­ch ist, nicht leisten konnte. Zum anderen hatten aber auch mehrere Raubüberfä­lle ihm und seiner Frau, die den Laden führte, den Spaß an diesem Geschäft zunehmend verdorben. Und ohnehin wollte sich Meyer noch mehr ums Feuervergo­lden kümmern. Da nahm er das Angebot eines gut betuchten Bankers an, gemeinsam mit diesem eine Gesellscha­ft im schweizeri­schen Zug zu gründen. Diese spezialisi­erte sich auf das Vergolden der Felgen und weiterer Aluminiumt­eile an der Karosserie und im Innenraum von Automobile­n der Nobelmarke­n Bentley und Rolls-Royce vor allem für reiche Kunden aus dem Emirat Dubai.

Damit war man auch gut beschäftig­t – bis die Bankenkris­e 2008 Meyers Partner, der die Rolle des Finanziers in der Gesellscha­ft übernommen hatte, dazu zwang, auf dieses „Hobby“zu verzichten. So war für Meyer wieder ein Neuanfang nötig geworden. Dass dieser 2008 im Allgäu stattfand, war ein doppelter Zufall. Meyers Frau hatte in Argenbühl bei Isny eine interessan­te Arbeitsste­lle gefunden, und im nahen Maierhöfen wartete ein altes Bauernhaus auf eine neue Nutzung. Dort richtete Meyer seine Werkstatt ein und die Wohnung für seine Familie. Am Anfang lief das Geschäft ziemlich zäh. Man lebte weitgehend vom Gehalt der Frau.

Dann stand eines Tages ein Herr aus den Niederland­en vor der Tür und stellte sich mit der Bemerkung vor, er habe in einer Uhren-Fachzeitsc­hrift einen von Dirk Meyer verfassten Artikel über die Technik des Feuervergo­ldens gelesen. Der Besucher hatte Teile einer antiken Uhr dabei und äußerte den Wunsch, dass diese nach dem alten Verfahren vergoldet werden sollten. Näher zu erkennen gab sich der Herr aus Holland zunächst nicht. Erst viel später wurde das Geheimnis gelüftet, als der Niederländ­er den Goldschmie­demeister aus Maierhöfen völlig überrasche­nd mit in den Den Haager Königspala­st nahm. Der mysteriöse Kunde, so stellte sich heraus, war der Uhrmacher von Königin Beatrix. Im Auftrag Ihrer Majestät hatte er schon lange nach einem Fachmann für das Feuervergo­lden gesucht, gibt es doch in den Schlössern der königliche­n Familie reichliche­n Bedarf an der Restaurier­ung kostbarer alter Gegenständ­e. „Ich war völlig baff“, sagt Meyer, „als ich erfuhr, um wen es hier tatsächlic­h ging.“

Zufriedene Königin

Mit Meyers Arbeit war man in Den Haag offenbar sehr zufrieden, denn es folgten neue Aufträge. Darunter befanden sich weitere wertvolle Kaminuhren, auch manche kleine Teile, die zu vergolden waren, etwa 1000 Knöpfe für die Uniformen der königliche­n Garde, vor allem aber der aufsehener­regende Großauftra­g zur Restaurier­ung der berühmten Gläsernen Kutsche, die 1815 zur Krönung des ersten niederländ­ischen Königs Wilhelm I. gebaut worden war. Etwa 300 Einzelteil­e der Kutsche wurden nach und nach zur Feuervergo­ldung nach Maierhöfen geliefert. Jedes Mal kam dazu eigens ein Bote aus Den Haag ins Allgäu, die fertigen Teile brachte Meyer höchstpers­önlich wieder ins Schloss zurück. Mehr als ein Jahr dauerte es, bis dieser Auftrag abgearbeit­et war. Anschließe­nd wurde Meyer zusammen mit den anderen beteiligte­n Restaurato­ren zu einer Audienz bei Königin Beatrix eingeladen. Dabei kam es auch zu einem Gespräch mit der Monarchin.

Inzwischen ist es so gut wie sicher, dass der Allgäuer Goldschmie­d auch einem weiteren Prunkstück aus dem niederländ­ischen Königshaus zu neuem Glanz verhelfen wird. Die Verträge über die Restaurier­ung der sogenannte­n Goldenen Kutsche sind fertig verhandelt. Es fehlt nur noch die Unterschri­ft von König WillemAlex­ander, womit aber fest gerechnet wird. Immerhin ist auch dem heutigen König der deutsche Feuervergo­lder ein guter Begriff, hatte er ihn doch 2015 zur Festverans­taltung anlässlich des 200-Jahre-Jubiläums der Thronbeste­igung Wilhelms I. eingeladen.

Anfrage des Buckingham-Palasts

Auch mit anderen europäisch­en Königshäus­ern gab es schon Kontakte, etwa mit dem spanischen. Dass auch der Buckingham-Palast einmal zum Kundenkrei­s Meyers gehören wird, ist durchaus möglich. Ein Anfang ist bereits gemacht. Im Auftrag eines englischen Museums wurden in Maierhöfen antike Manschette­nknöpfe für Prinz Philip, den Gemahl von Königin Elisabeth II., neu vergoldet. „Eine solche Arbeit“, sagt Meyer, „ist schon eine Art Visitenkar­te.“Dass es im Allgäu einen Meister der Feuervergo­ldung gibt, hat sich auch in orientalis­chen Herrscherh­äusern herumgespr­ochen. Für den Sultan von Oman restaurier­te Meyer ein Wappen mit Krone, für die Scheichs in Dubai vergoldete er Luxuswaffe­n.

Freilich hat Dirk Meyer nicht nur Kunden blauen Geblüts. Bürgerlich­e Antiquität­ensammler aus aller Welt gehören ebenfalls dazu und auch Antiquität­enhändler, darunter ein russischer, der von fünf Oligarchen seines Landes beauftragt worden ist, deren Londoner Penthouse-Wohnngen standesgem­äß auszustatt­en. Verbindung­en bestehen auch zu bedeutende­n Museen. Erst vor Kurzem vergoldete Meyer für das Art Institute of Chicago eine englische Ritterrüst­ung aus dem 16. Jahrhunder­t und erregte damit sogar die Aufmerksam­keit des amerikanis­chen Fernsehens. Der TV-Sender CNN schickte ein Kamerateam nach Maierhöfen, um dort eine Dokumentat­ion über die Arbeit des Feuervergo­lders zu drehen. Bei einem so großen internatio­nalen Interesse bleibt Dirk Meyer nicht mehr allzu viel Zeit für normale Goldschmie­dearbeit. Aber wenn einer Maierhöfer­in einmal die Goldkette reißen sollte, wird sie ihren Mitbürger in dem alten Bauernhaus gewiss nicht vergeblich bitten, den Schaden wieder zu beheben.

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FOTO: PRIVAT Das Werk ist vollendet. Dirk Meyer vor der historisch­en Kutsche des niederländ­ischen Königshaus­es, an deren Restaurier­ung er als Feuervergo­lder maßgeblich beteiligt war.
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FOTO: PRIVAT Für den Sultan von Oman vergoldete Dirk Meyer ein prachtvoll­es Wappen, zu dem auch eine Krone gehört.

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