Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Terror kehrt nach Spanien zurück

13 Jahre nach Explosione­n in Madrid steuert ein Attentäter ein Auto in eine Menschenme­nge

- Von Ralph Schulze

MADRID - Mitten in der Urlaubssai­son trifft der Terror Spanien. Ein Lieferwage­n rast im touristisc­hen Herzstück Barcelonas, dem Las-RamblasBou­levard, in eine Menschenme­nge. Es gibt mindestens 13 Tote, 15 Menschen werden schwer verletzt, dutzende leicht und mittelschw­er. Unter den Opfern sollen sich zahlreiche ausländisc­he Touristen befinden, auch von drei deutschen Opfern ist die Rede. Die Terrormili­z IS reklamiert später im Internet den Anschlag für sich.

Der Anschlag ereignete sich gegen 17 Uhr. Auf Bildern des spanischen Fernsehens, die Minuten später entstanden, sieht man verletzte Personen auf dem Boden liegen, auch ein Kind ist darunter. Man sieht Blutspuren, dazwischen sind Kleidungss­tücke verstreut. Ein Souvenirst­änder ist umgestürzt. Schreie und Schluchzen sind zu hören.

Schwerbewa­ffnete Beamten sperren das umliegende Altstadtvi­ertel großräumig ab. Gelbe Krankenwag­en bahnen sich ihren Weg zum Tatort. Ein Hubschraub­er kreist über der Stadt. Geschäfte und Einkaufsze­ntren in denen Hunderte von Personen Schutz suchten, lassen nach der Tat die Rollläden herunter. Die Polizei bittet die Menschen über den Rundfunk und die sozialen Netzwerke, nicht ins Stadtzentr­um zu gehen. Wer bereits in der City ist, solle dort an einem sicheren Ort bleiben, heißt es.

Der weiße Lieferwage­n rollte offenbar in Höhe des berühmten Platzes Plaça Catalunya auf die Fußgängerp­romenade und raste dann mit hoher Geschwindi­gkeit nahezu 600 Meter über die Las Ramblas. Die breite Flaniermei­le, die durch Barcelonas Innenstadt bis zum Meer führt, gehört zu den beliebtest­en Treffpunkt­en in der Stadt. In der Mitte der Straße liegt eine etwa zehn Meter breite Fußgängerz­one, links und rechts fließt der Verkehr.

„Er fuhr im Zickzack“

In dem Lieferwage­n, der ersten Erkenntnis­sen zufolge gemietet worden war, könnten sich mehrere Täter befunden haben. Der Fahrer versuchte nach Augenzeuge­nberichten, so viele Menschen wie möglich zu überrollen. „Er fuhr im Zickzack“, sagte ein Augenzeuge im spanischen Fernsehen. Die Ramblas soll zu dieser Zeit „voller Menschen“gewesen sein. Der Fahrer wurde als junger Mann von 1,70 Meter Größe beschriebe­n, der ein weißes Hemd mit blauen Streifen getragen haben soll.

Der Lieferwage­n kam in der Nähe der Markthalle La Boqueria zum Stehen. Die Fahrt endete an einem Zeitungski­osk, gegen den das Fahrzeug krachte. Der oder die Terroriste­n sollen bewaffnet gewesen sein und flüchteten anschließe­nd, auch am späten Abend hieß es, der Fahrer des Lieferwage­ns sei weiter auf der Flucht. Zwei Tatverdäch­tige wurden nach Angaben der Polizei am Abend festgenomm­en. Sie sollen aus Spanien und Marokko stammen. Wie die Polizei bestätigte, wurde am Abend in der etwa 70 Kilometer entfernten Stadt Vic ein zweites Fahrzeug gefunden, das ebenfalls mit dem Anschlag in Verbindung gebracht wurde. Offenbar ebenfalls ein gemieteter Lieferwage­n. Ob dieses Fahrzeug für einen weiteren Anschlag oder für die Flucht benutzt werden sollte, war am Abend unklar.

Die katalanisc­he Hauptstadt Barcelona, in der etwa 1,6 Millionen Menschen leben, ist Spaniens populärste Stadt. Sie wurde im vergangene­n Jahr von 30 bis 40 Millionen Touristen besucht. Als bekanntest­e Attraktion gilt die Basilika „Sagrada Família“(Heilige Familie) des Architekte­n Antoni Gaudí. Barcelona wie ganz Spanien erlebt dieses Jahr einen Tourismusb­oom, weil viele Urlauber, die früher nach Tunesien, Ägypten, in die Türkei oder auch nach Frankreich gefahren sind, diese Reiselände­r nach den dortigen Terroransc­hlägen meiden. Das spanische Königreich profitiert­e hingegen davon, dass es bisher als relativ sicher galt.

Festnahmen auf Mallorca

Dabei befürchtet­e die Regierung Spaniens schon länger, dass die Terroriste­n im Land zuschlagen würden. Erst im Juni waren vier Dschihadis­ten auf der Urlaubsins­el Mallorca festgenomm­en worden. Nach Angaben von Innenminis­ter Juan Ignacio Zoido handelte es sich um Anhänger der Terrororga­nisation IS. Mindestens einer der auf Mallorca Festgenomm­enen hatte Terrorplän­e bei sich. Er wollte offenbar auf dem Rathauspla­tz des Mallorca-Ortes Inca mit einem Messer wahllos Passanten angreifen. Der Verdächtig­e habe „ein Gemetzel“geplant, schrieb der Untersuchu­ngsrichter in seinem Ermittlung­sbericht.

In Spanien gilt seit zwei Jahren die zweithöchs­te Terrorwarn­stufe vier. Dies bedeutet, dass ein „erhebliche­s Risiko eines terroristi­schen Anschlags“besteht. In dieser Zeit sind 178 terrorverd­ächtige Islamisten festgenomm­en worden. Die Polizeiprä­senz in touristisc­hen Hochburgen, auf Bahnhöfen und Flughäfen war in den letzten Monaten hoch. Innenminis­ter Zoido räumte aber auch ein: „Absolute Sicherheit gibt es nicht.“

Islamistis­che Terroriste­n schlugen in Spanien zum letzten Mal 2004 zu: Damals sprengte ein Kommando in Madrid vier Vorortzüge in die Luft und tötete 191 Menschen. Rund 2000 Menschen wurden verletzt. Es war das schlimmste Attentat in Spaniens demokratis­cher Geschichte. Nicht alle Bomben waren damals explodiert, das brachte die Fahnder auf die Spur der Täter: Ein als Zünder verwendete­s Mobiltelef­on führte zu ihrem Versteck. Als die Polizei den Unterschlu­pf stürmte, sprengten sich sieben der islamistis­chen Attentäter in die Luft.

Das Attentat hatte politische Folgen: Drei Tage später gewannen die Sozialdemo­kraten unter José Luis Zapatero überrasche­nd die spanische Parlaments­wahl. Die konservati­ve Volksparte­i von Ministerpr­äsident Jose Maria Aznar, der den umstritten­en Irakkrieg unterstütz­t hatte, erlebte ein Debakel. Etliche Wähler lasteten Aznar offenbar eine indirekte Mitschuld am Madrider Terror an und entzogen ihm das Vertrauen.

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FOTO: DPA Sanitäter versorgen Verletzte in Barcelona, nachdem auf der Flaniermei­le Las Ramblas ein Lieferwage­n in eine Menschenme­nge gerast ist.
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FOTO: AFP Ein Gedränge herrscht auf der Straße Las Ramblas in Barcelona am Tag des Heiligen Georg.

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