Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wenn der Galgen nicht mehr abschreckt
Der ultrakonservative Geistliche Hotjatoleslam Gholam Hossein Mohseini-Ejei gilt in Iran als Scharfmacher. Er organisierte den Geheimdienst unter Präsident Ahmadinedschad. Als oberster Staatsanwalt der Islamischen Republik war der 61-Jährige dafür bekannt, Todesurteile meist ohne großes Federlesen zu bestätigen. Für einiges Erstaunen sorgte nun eine Rede des inzwischen zum Sprecher der iranischen Justiz degradierten MohseniEjei, in der er die abschreckende Wirkung der vielen Hinrichtungen in seinem Land infrage stellte. „Wir haben in den letzten Jahren das Strafmaß ständig erhöht, aber das Verbrechen ist noch immer da“, sagte der Jurist. Es könne daher „eine gute Idee sein“, auf die Todesstrafe zu verzichten und auf Strafen auszuweichen, die nicht die „negative Wirkung der Kapitalstrafe“haben.
Hintergrund der Rede ist ein im iranischen Parlament verabschiedetes Gesetz, das die Abschaffung der Todesstrafe für Drogendelikte vorsieht. Sie soll durch eine lebenslange Freiheitsstrafe und Zwangsarbeit ersetzt werden. Gehängt werden sollen künftig nur noch Schmuggler oder Händler, die mit mehr als zwei Kilogramm Heroin und 50 Kilogramm Opium verhaftet werden. Bislang reichten 30 Gramm Heroin oder fünf Kilo Opium für den Tod am Galgen aus.
Sollte das neue Gesetz vom konservativen Wächterrat gebilligt werden, was Beobachter in Teheran für möglich halten, könnten die Todesurteile für 5300 Gefangene unter 30 Jahren in Haftstrafen umgewandelt werden, betonte Hassan Norouzi. Nach Angaben des Parlamentsabgeordneten sind in Iran 5,2 Millionen Menschen drogenabhängig. Weitere 1,7 Millionen konsumieren Drogen (Opium, Heroin, Kokain und Crystal Meth) unregelmäßig. Unter den Suchtkranken sind auch mehr als 250 000 Alkoholiker.
Früher in Arbeitslager eingesperrt
Bis zum Jahr 2000 wurden die Drogensüchtigen in Iran meist als Kriminelle, Gescheiterte oder religiös Verirrte betrachtet. Zur körperlichen Entgiftung sperrte man sie in Arbeitslager, in denen körperliche Züchtigung an der Tagesordnung war. Vor mehr als zehn Jahren hat die Regierung in Iran allerdings erkannt, dass es sich bei den Süchtigen um Kranke handelt, die hilfsbedürftig sind.
Im Kampf gegen die Schmugglerbanden kamen in den vergangenen 15 Jahren fast 5000 iranische Revolutionsgardisten ums Leben. Allein im Jahr 2016 sollen mehr als 700 Tonnen Rauschgift beschlagnahmt worden sein. Mit dem hohen Blutzoll bei der Bekämpfung des Schmuggels versuchte die iranische Justiz auch die vielen Todesurteile bei Drogendelikten zu rechtfertigen.
„Die Angehörigen der Opfer würden es nicht verstehen, wenn wir die Kriminellen am Leben lassen“, argumentierte die iranische Justiz bis vor einigen Jahren. Tatsächlich waren im Jahr 2015 90 Prozent der 977 am Galgen Hingerichteten Schmuggler und Gelegenheitsdealer. Ein langsames Umdenken setzte erst ein, als die Behörden anhand von Statistiken nachweisen konnten, dass trotz der hohen Exekutionsraten der Drogenschmuggel – und die Sucht in Iran in keinster Weise eingedämmt werden konnte.