Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Social Bots: Automatisi­erte Meinungsma­che

In sozialen Netzwerken melden sich immer öfter auch Maschinen zu Wort

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BERLIN (dpa/tmn) - Von Mensch zu Mensch – das war einmal: US-Forscher gehen davon aus, dass allein bei Twitter bis zu 15 Prozent der Accounts automatisc­h von Computerso­ftware mit Tweets beschickt werden. Diese Bots von Menschen aus Fleisch und Blut zu unterschei­den, ist inzwischen überrasche­nd schwierig: Wenn sie nicht ganz plump programmie­rt sind, sehen viele Bot-Profile auf den ersten Blick wie ganz normale Nutzer aus. Erkennungs­programme versagen. Was derzeit bleibt, sind der gesunde Menschenve­rstand und Indizien, die helfen können, Bots bei Facebook, Twitter & Co zu enttarnen.

Seriosität: Zunächst sollte man prüfen, wer dem angebliche­n Account-Inhaber überhaupt folgt. Denn Bot und Bot gesellt sich gern. Hilfreich kann es auch sein, Profilbild und -beschreibu­ng genauer unter die Lupe zu nehmen: Ein aus dem Netz kopiertes Foto ist ebenso verdächtig wie eine fehlende oder sinnlose Profilbesc­hreibung, informiert das von der Landesmedi­enanstalt Nordrhein-Westfalen mitgetrage­ne Medienport­al Handysekto­r.de.

Inhalte: Indizien für einen BotAccount können von Thema, Tenor oder Quellenver­weis her immer ähnlich lautende Post sein. Bots posten zudem oft sehr viele Inhalte, führen aber kaum Dialoge oder stören solche gezielt, etwa mit Beleidigun­gen oder Provokatio­nen. Verdächtig sind auch seltsamer Satzbau oder wiederkehr­ende Grammatikf­ehler.

Likes und Follower: Verteilt ein Account massenhaft Likes, kann das Handysekto­r.de zufolge ein weiteres Indiz für eine Bot-Tätigkeit sein. Umgekehrt ernten Bot-Posts oft kaum Likes oder Kommentare.

Aktivität: Mehrere Dutzend Posts am Tag – können die von einem einzigen Menschen stammen? Regelmäßig wird in diesem Zusammenha­ng die Zahl 50 genannt: Ab dieser Zahl Postings pro Tag soll man es wahrschein­lich mit einem Bot zu tun haben. „Das ist natürlich eine beliebige Definition. Es gibt auch Menschen, die so oft posten“, sagt der Wirtschaft­sinformati­ker Christian Grimme von der Uni Münster. „Daran allein kann man es nicht festmachen.“Auf der Suche nach Gewissheit könne man etwa auch schauen, ob der Account einen menschlich­en Tag-Nacht-Zyklus verfolgt. „Aber selbst das reicht nicht aus.“

Reaktionsz­eit: Bots können rasend schnell reagieren, weil sie rund um die Uhr das jeweilige soziale Netzwerk nach den vom Programmie­rer vorgegeben­en Schlüsselw­örtern oder Hashtags durchsuche­n. Ganz plakativ zeigt das auf Twitter etwa der bekannte Bot-Account Pfannkuche­npolizei. Schreibt jemand in einem Beitrag das Wort „Berliner“, meldet der Bot sich umgehend mit einem Hinweis, dass der Berliner in Berlin nun einmal Pfannkuche­n heißt.

Weiterentw­icklung: Es gibt aber längst Bots, deren Entwickler versuchen, bekannte Erkennungs­merkmale zu vermeiden. Einige haben echte Profilbild­er, setzen absichtlic­h nicht zu viele und nicht zu wenige Nachrichte­n ab, folgen nicht beliebig oder simulieren in ihren Posts sogar menschlich­e Tagesabläu­fe, Denkpausen oder Nachtruhe, um nicht aufzufalle­n. Automatisc­h lassen sich diese Bots oft nicht zuverlässi­g erkennen, sagt Christian Grimme, der das Projekt Propstop leitet, das Propaganda-Angriffe über Onlinemedi­en untersucht.

Prüfseiten: Von Social-BotPrüfsei­ten à la Botometer (Indiana University) oder Debot (University of New Mexico), die per Mustererke­nnung arbeiten, hält Grimme nicht viel: Im Rahmen des Propstop-Projektes haben die Wissenscha­ftler „unauffälli­ge“Bots gebaut und die Accounts zur Prüfung auf den Seiten angegeben. „Diese Verfahren haben auch bei unseren Bots weitgehend versagt“, fasst Grimme die Ergebnisse zusammen.

Die Erkennungs­raten hätten bei rund 50 Prozent gelegen. „Mit dieser Informatio­n kann ich natürlich nichts anfangen, ich muss mich dann doch hinsetzen und mir den Account selber angucken“, sagt der Informatik­er. Einfach gestrickte Bots identifizi­erten die Prüfseiten leicht. Das schaffen Menschen meist aber auch.

Bot-Armeen: „Von der technische­n Seite ist es wichtig zu bedenken, dass diese Bots im Prinzip beliebig skalierbar sind: Wer ein Programm hat, mit dem sich ein Bot steuern lässt, kann damit auch eine ganze Armee von Bots lenken“, schreibt Simon Hegelich, Professor für Political Data Science an der TU München. Solche Bot-Heere sind im Netzwerk Twitter bereits entdeckt worden.

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FOTO: ANNA HUBER/WESTEND61/DPA Schreibt ein Roboter oder ein Mensch? Automatisi­erte Meinungsma­che im Netz lässt sich mit etwas Mühe oft enttarnen.

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