Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
An den Kindern wird zuerst gespart
Neue Stiftung unter dem Dach der Caritas will im Allgäu zur Chancengleichheit beitragen
LEUTKIRCH - Aus einer vor gut einem Jahr auf den Weg gebrachten Initiative ist jetzt unter dem Dach der Caritas die „Stiftung Kinderchancen Allgäu“entstanden, die zunächst den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf den Raum Isny, Leutkirch, Bad Wurzach, Aichstetten und Aitrach legen wird. Zum Vorsitzenden des Kuratoriums, das die Strategie und die Programme erarbeiten soll, wurde aus dem Kreis der 14 Mitglieder der frühere Leiter der BW-Bank-Niederlassung in Leutkirch, Walter Herter, bestimmt.
Aus der Region für die Region ist Grundkonzept
Aus der Region für die Region, so stellt Herter die Grundkonzeption der Stiftung vor, die jetzt damit beginnt, nach Finanzquellen zu suchen, um die Programme auch umsetzen zu können. Denn die Erträge aus dem Stiftungskapital in Höhe von 34 000 Euro lassen, das weiß der Bankmensch, keine großen Sprünge zu. Den ersten Feinschliff für Aktivitäten will Herter mit den anderen Kuratoriumsmitgliedern am 13. September erarbeiten. „Bevor man Geld ausgibt, muss man es erst einnehmen“, sagt der Mann, der von Ewald Kohler, dem Leiter der Caritasregion BodenseeOberschwaben, zu seinem Engagement in diesem Ehrenamt gewonnen wurde. Als Starterprojekt sollen schon in den kommenden Wochen die „Lesewelten Allgäu“in Bad Wurzach, Aitrach und Aichstetten entstehen. Gesucht dazu werden Freiwillige, die in Kindergärten oder auch Schulen einmal pro Woche eine Lesestunde abhalten, um dem durch mehrere Studien bereits belegten Rückgang der Lese- und Sprachkompetenz entgegenzuwirken. Kohler spricht davon, das Kulturgut Buch wieder mehr ins Bewusstsein zu rücken in einer Zeit, in der Kommunikation vermehrt in die digitale Welt verlagert wird. Das steigere auch die Chancengleichheit.
Kohler ist froh darüber, dass es jetzt auch im Allgäu gelungen ist, eine erstes Netzwerk aufzubauen. Vor allem die katholischen Kirchengemeinden bringen sich ein. Kohler wiederum bringt die Erfahrungen mit, die seit neun Jahren mit der Kinderstiftung Ravensburg gesammelt worden sind. Seit 2011 existiert ein vergleichbares Bündnis auch im Bodenseekreis. Nun räumt Kohler ein, dass die Region Oberschwaben rein statistisch gesehen wirtschaftlich besser dasteht als andere Landstriche Baden-Württembergs. Aber auch in den vermeintlich reichen Landkreisen sei Kinderarmut ein drängendes Thema. Ramona Wiest, die von der Caritas-Stelle Leutkirch aus als Projektleiterin die Arbeit koordinieren wird, ergänzt: „Wer in einer reichen Umgebung arm ist, für den sind die Folgen oft gravierender.“
Erfahrungen damit hat sie schon in den vergangenen Monat mit der Initiative „Chancenschenker“, gespeist aus einem Fördertopf für Einzelhilfen, gesammelt. Vor allem Alleinerziehende seien um jede Unterstützung dankbar, damit ihre Kinder von Freizeit- und Bildungsangeboten nicht ausgeschlossen sind. Als Beispiele nennt sie den Vereinsbeitrag fürs wöchentliche Kinderturnen, für eine musikalische Früherziehung oder auch den Jahresbeitrag für die Narrenzunft, die von der Initiative übernommen worden sind. Vor Ferienbeginn finanzierten die „Kinderchancen“in Zusammenarbeit mit dem Magita-Laden auch zehn Familienkarten fürs Leutkircher Freibad. „Wenn das Geld in den Familien knapp wird, dann wird zuerst an den Kindern gespart. Diesen Luxus aber können wir uns nicht leisten“, betont Kohler. Den Begriff Luxus setzt er in diesem Zusammenhang gezielt und provokant ein. Er spricht auch vom Versagen der Politik, dass caritativ ausgerichtete Einrichtungen regelmäßig einspringen müssen, um Kindern und Jugendlichen noch die Teilhabe an Freizeitaktivitäten zu ermöglichen. Zudem sei die Gesellschaft zwar stark für die Altersarmut sensibilisiert, „obwohl die Kinder viel stärker betroffen sind“.
Keine Konkurrenz zu anderen Angeboten
Vor der Gründung der Stiftung sind bei Workshops mit anderen Initiativen auch die Handlungsfelder abgesteckt worden, auf denen die neue Stiftung aktiv werden kann und will. „Wir konzentrieren uns auf jene Felder und Bedarfe, auf denen andere noch nicht vertreten sind“, stellt Kohler klar. Herter ergänzt: „Wir treten nicht in Konkurrenz zu anderen.“Deshalb bleibt vorerst auch der Raum Wangen ausgespart, weil dort bereits mit dem Verein „Lichtblick“eine ähnliche ausgerichtete Struktur besteht.