Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ulrike Dahm sorgt für Sterbende
Ambulanter Besuchsdienst für Schwerstkranke in Lindau lebt von ehrenamtlichem Einsatz
LINDAU - Sie ist gelernte Krankenschwester, Fachkraft für ganzheitliche Pflege und hat eine Palliativausbildung. Ulrike Dahm hat aber auch schon elf Jahre lang als ambulante Pflegekraft gearbeitet. Jetzt hat die 52-Jährige eine ganz neue Herausforderung angenommen: Sie koordiniert nun den ambulanten Besuchsdienst für Schwerstkranke und Sterbende im Landkreis Lindau. Das auch vor dem Hintergrund, dass sie während ihrer Arbeit in einer Palliativstation erfahren hat: „Ganz viele Menschen wollen einfach zu Hause sterben.“
Vor gut 30 Jahren hatten Maja Dornier und ihre Mitstreiterin Christa Popper den ambulanten Besuchsdienst für Schwerstkranke und Sterbende ins Leben gerufen: Ehrenamtliche kümmern sich seither um Menschen, die am Lebensende stehen. Anfang der 2000er Jahre war Dornier klar: „Wir brauchen für diese wichtige Aufgabe im häuslichen Bereich eine gute Beratung.“Unter anderem die spätere Hospizleiterin Uta Reinholz kümmerte sich darum. Doch erst seit zehn Jahren wird eine hauptamtliche Koordinatorin für den ehrenamtlichen Besuchsdienst von den Krankenkassen bezahlt, blickt Dornier heute im Gespräch mit der LZ zurück.
Astrid Schneider hatte sich in den vergangenen Jahren um diese Aufgabe gekümmert. Und sie hatte mehr als genug zu tun: Die bisherige Koordinatorin kümmerte sich allein im vergangenen Jahr um 56 Menschen, die ihrem Tod entgegensahen. „Und wir haben dazu noch einmal fast genauso viele Anfragen für Beratungen gehabt“, weiß Dornier. Deswegen reiche die 50-Prozent-Stelle, die Schneider und nun ihre Nachfolgerin Ulrike Dahm haben, auch gar nicht aus: Uta Reinholz und Arthur Brasch unterstützen Dahm mit 450Euro-Stellen in ihrer anspruchsvollen Aufgabe.
„Noch brauche ich eine Landkarte, um alles zu finden“, sagt die aus der württembergischen Nachbarschaft stammende Fachkraft und lacht. Das Lindauer Hospiz unterdessen kennt sie bereits gut – hat sie doch dort bereits einige Zeit lang als Pflegekraft ausgeholfen. „Ich will die Menschen in dieser schwierigen Lebensphase unterstützen“, beschreibt Ulrike Dahm die Gründe für ihren Wechsel. Natürlich „ist es eine ganz andere Arbeit als die reine Pflege“, ist sich die Mutter von vier erwachsenen Kindern bewusst. Aber ihre Arbeit in einer Palliativstation habe ihr dafür schon gutes Rüstzeug „und ganz viel Wissen“mitgegeben.
Dahm koordiniert die Einsätze der Ehrenamtlichen, ist Ansprechpartnerin für diese, wenn ihnen schwere Fälle auf der Seele brennen. „Wenn es sein muss, auch 24 Stunden rund um die Uhr.“Die 52-Jährige ist aber auch Dreh- und Angelpunkt für die Sterbenden selbst wie auch für deren Angehörige: „Es ist wichtig, dass diese sich rechtzeitig Rat und Hilfe holen, wenn sie ein schwerstkrankes Familienmitglied zu Hause pflegen.“Wobei Dahm durchaus bewusst ist, dass dieses „rechtzeitig“durchaus „eine Gratwanderung ist“. Sie weiß aber auch: „Viele der Betroffenen haben nicht Angst vor dem Sterben, sondern nur vor möglichen Schmerzen.“ Weshalb die Palliativversorgung in Dahms Augen eine äußerst wichtige Säule sowohl im stationären Hospiz als auch im häuslichen Bereich ist. Was für Maja Dornier ein Wermutstropfen an der Koordinationsstelle ist: „Wir bekommen sie nur bezahlt, wenn auch ein Ehrenamtlicher eingesetzt ist.“Nur Rat oder Trost gingen zu Lasten der Vereinskasse, die das über Spenden abdecken muss. „Vom Finanziellen her müsste da die öffentliche Hand eigentlich noch nachbessern“, wünscht sich Dornier.
Ulrike Dahm unterdessen lebt ihre neue Aufgabe. „Man spürt, dass hier etwas von Grund auf gewachsen ist“, sagt sie und freut sich, dass ihr bei Fragen auch immer die Pflegekollegen vom Hospiz zur Seite stehen. Dieses Miteinander hält sie für wichtig.