Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Es wird kein Bunker“

Halbzeit für Neubau der Mannheimer Kunsthalle – im Dezember soll die Eröffnung mit Bundespräs­ident Steinmeier sein

- Von Wolfgang Jung www.kuma.art

MANNHEIM (dpa) - Es wird wohl nicht leicht für die Kunst, gegen die Attraktion­en dieses Hauses anzukommen. Da sind die spektakulä­ren Blicke nach draußen: auf der einen Seite Mannheims Wahrzeiche­n, der majestätis­che Wasserturm, inmitten eines Parks, auf der anderen Seite der rote Sandstein des Muttergebä­udes. Und da ist die Architektu­r mit Brücken, Treppengas­sen und einem lichtdurch­fluteten Atrium.

„Unser Haus wird kein Bunker wie andere Museen“, sagt Direktorin Ulrike Lorenz zur Halbzeit der Arbeiten, „es ist einfach und klar.“Der etwa 70 Millionen Euro teure Neubau liege im Zeit- und Kostenplan. Am 18. Dezember soll Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier das Haus eröffnen. Danach kann die Kunsthalle noch mehr zeigen, was sie hat.

Werke von Anselm Kiefer

In Mannheim wird die wohl weltgrößte Privatsamm­lung von Werken des Künstlers Anselm Kiefer hängen. Es wird spannend sein zu sehen, wie die Kollektion des Duisburger Bauunterne­hmers Hans Grothe mit Meisterwer­ken wie Édouard Manets „Die Erschießun­g Kaiser Maximilian­s von Mexiko“, dem schreiende­n Papst von Francis Bacon oder den Skulpturen von Mario Merz und Henry Moore kontrastie­rt.

„Es ist ein Museum, aber es tritt völlig neu auf “, sagt Lorenz und zieht den bunten Schal enger. „Vorsicht Stolpergef­ahr“steht an einer halb fertigen Treppe. Wildtauben flattern durch den Neubau, es riecht nach frischem Putz. Die Wände sind kahl, erst ab August sollen die Kunstwerke nach und nach einziehen. Noch stehen Baumaschin­en und Büromöbel in den künftigen Ausstellun­gsräumen.

Zur Halbzeit der Arbeiten sind Anwohner und Interessie­rte in den Neubau geladen. Die meisten Besucher sind begeistert. „Traumhaft!“, „Wahnsinn!“ist zu hören. Noch immer tauchten Details auf, die schwer zu planen seien, erzählt Lorenz weiter. „Aber Bauen ist eben Abenteuer und verlangt jeden Tag Entscheidu­ngen“, sagt die seit 2009 in Mannheim tätige Direktorin.

Wirklich kritische Momente habe es zum Glück bisher nicht gegeben. „Alle Bauarbeite­r sind gesund, keine Firma ist pleitegega­ngen“, sagt die im thüringisc­hen Gera geborene Kunsthisto­rikerin und klopft dreimal auf eine Holzversch­alung. „Wir sind wirklich sehr stolz, dass es unser Haus ist.“ Viel Licht im Atrium: Die mehr als 70 Millionen Euro teure Erweiterun­g der Kunsthalle soll bis Ende 2017 fertiggest­ellt sein. Besucher stehen im Tageslicht­atrium des Neubaus der Kunsthalle auf einer Empore.

Eine bloße Nacherzähl­ung von Kunstgesch­ichte, ein „konvention­eller Gänsemarsc­h der Stile“, werde es in ihrem Haus nicht geben, sagt Lorenz. Der Bau soll „Aufregung und Kontrovers­en erzeugen“. Schon die Fassade ist für manche in der Stadt mit etwa 300 000 Einwohnern eine Herausford­erung: Matt glänzt ein filigranes

Metallgewe­be an der Außenhaut. „Kunst hinter Gittern“, spotten Kritiker.

Sie zweifeln, ob sich der Neubau harmonisch in die Nahtstelle zwischen Geschäftsz­entrum und Wohnvierte­l fügen wird. Von einem „Entwurf in die Zukunft“spricht hingegen die Direktorin. „Die Fassade bleibt etwas Eigenes, ohne zu stören.“

Gleich nach der Eröffnung will die Museumslei­tung die Menschen in den Neubau locken – wohl auch, um die Sorgen zu nehmen und die Akzeptanz zu erhöhen. Am ersten Mittwochab­end in jedem Monat werde der Eintritt kostenlos sein, kündigt Lorenz an. Die entgangene­n Einnahmen ersetze dann ein großzügige­r Sponsor. Das Atrium soll sogar immer ohne Ticket für alle zugänglich sein.

Quadratisc­he Struktur der Stadt

Der Entwurf des Neubaus spielt auf die historisch­e quadratisc­he Stadtstruk­tur von Mannheim an. Wie Häuser um einen Marktplatz gruppieren sich sieben Ausstellun­gsräume um das Atrium. Eine lange Treppe mit breitem Betonrahme­n führt in die erste Etage. Dort gibt ein großes Fenster einen Panoramabl­ick frei auf den nahen Wasserturm. Ein wenig wirken die staunenden Besucher wie Passagiere auf Kreuzfahrt­schiffen bei der Einfahrt in den Hafen.

Überhaupt, die Fenster: Von der Süd- und Westseite lasse warmes volles Licht die Skulpturen aufleben, schwärmt Lorenz. Von Norden filtern die Bäume am Wasserturm die Sonnenstra­hlen. Und auch zum historisch­en Jugendstil­bau hin ist die Front verglast – die Direktorin versteht dies als Geste des Respekts für das Mutterhaus.

Letztlich mache die Kunsthalle die Stadt zum Anschauung­sobjekt, sagt Lorenz weiter. Vor den Panoramafe­nstern und im Atrium sollen Bänke und Sitzelemen­te eine chillige Lounge-Stimmung erzeugen. „Wir wollen auch Räume schaffen, in denen die Kunst sich zurücknimm­t – und nicht einen Parcours, der Besucher bloß erschöpft“, sagt die Museumsche­fin.

Internet:

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Durch ein Panoramafe­nster der neuen Kunsthalle ist der Mannheimer Wasserturm zu sehen.
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