Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ein nützliches Erdbeben

Pagoden in Myanmar sollen mit deutscher Hilfe Unesco-Weltkultur­erbe werden

- Von Christoph Sator

BAGAN (dpa) - Myanmars alte Königsstad­t Bagan gilt als eine der schönsten Tempelanla­gen der Welt. Vor einem Jahr richtete ein Erdbeben hier große Schäden an. Doch Experten sehen darin eine Chance, alte Bausünden des Militärreg­imes auszubügel­n. Denn Bagan soll endlich Unesco-Weltkultur­erbe werden. Hilfe kommt dabei aus Deutschlan­d.

Es ist wieder sehr heiß dieser Tage in Bagan mit seinen mehr als 2000 buddhistis­chen Tempeln: 35 Grad im Schatten – und der ist hier eher rar. Die meisten Touristen bleiben nach der Mittagszei­t lieber im Hotel, nach draußen geht man besser erst wieder am Abend. Zumal sich dann auch die spektakulä­ren Fotos machen lassen, wie die Sonne am Ufer des Irrawaddy hinter den Pagoden versinkt.

So war das auch vor einem Jahr – zum Glück. Denn sonst hätte es wohl auch Tote gegeben, als die größte Touristena­ttraktion des südostasia­tischen Landes am Nachmittag des 24. August 2016 von einem Erdbeben der Stärke 6,8 erschütter­t wurde. Noch Hunderte Kilometer weiter zitterten die Häuser. In Bagan, wo die Erde auch früher schon immer mal wieder bebte, wurden fast 400 Pagoden beschädigt. Bei vielen Ziegelbaut­en brach die Spitze ab wie Zuckerwerk.

Aber nach dem ersten Schock und der Erleichter­ung, dass nichts Schlimmere­s passierte, gibt es nun auch Leute, die dem Gutes abgewinnen. Tatsächlic­h überstande­n viele alte Gebäude das Beben im Kern erstaunlic­h gut – besser jedenfalls als die nachträgli­chen Flickarbei­ten aus der Zeit der Militärdik­tatur. Bis vor ein paar Jahren gehörte das ehemalige Birma zu den abgeschott­etsten Ländern der Welt. Hilfe von außen war verpönt, selbst für Pagoden.

Der Bagan-Kenner Pierre Richard, lange Jahre Berater der UNOrganisa­tion für Erziehung, Wissenscha­ft und Kultur (Unesco), meint deshalb: „Das Erdbeben kam genau zur richtigen Zeit.“Aus seiner Sicht hat die neue Regierung unter Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi jetzt die Gelegenhei­t, die größten Bausünden der Militärs wieder wettzumach­en.

Vor allem in den 1990er-Jahren wurde, unter großem Einsatz von Beton, viel verschlimm­bessert. Auf Reste der Sakralgebä­ude, deren Ursprünge bis ins 11. Jahrhunder­t zurückreic­hen, wurde einfach eine neue Pagode gesetzt – für jeden Archäologe­n ein wahrer Alptraum. Der damalige Vorsitzend­e der Militärjun­ta, General Than Shwe, ließ eine Tempelspit­ze sogar persönlich vergolden. Im Ausland war man entsetzt. Gängiger Spott unter Archäologe­n war damals: „Die Generäle richten mehr Schaden an als all die Erdbeben über Jahrhunder­te hinweg.“Mangels jeder Aussicht auf Erfolg zogen die Militärs eine schon eingereich­te Bewerbung für Bagan um den prestigetr­ächtigen Titel als Unesco-Weltkultur­erbe schließlic­h zurück. Heute, nach der Öffnung des Landes, sind auf dem Gelände ausländisc­he Experten aus den verschiede­nsten Ländern zugange: aus China, aus Indien, aus Japan und demnächst auch aus Deutschlan­d. Im September beginnt ein Ausbildung­sprojekt für Stein-Restaurato­ren, das vom Auswärtige­n Amt gefördert wird. Anfang 2018 reist der Restaurier­ungsexpert­e Hans Leisen von der Technische­n Universitä­t Köln nach Bagan.

Der Professor hat sich mit der Arbeit in anderen archäologi­schen Vorzeigest­ätten Südostasie­ns wie Angkor Wat (Kambodscha) oder Ayutthaya (Thailand) internatio­nal einen Namen als „Tempeldokt­or“gemacht. Leisen sagt: „Die Militärs haben sich an keine internatio­nalen Regeln gehalten. Das technische Wissen war

„Die Generäle richten mehr Schaden an als all die Erdbeben über Jahrhunder­te hinweg.“Ein gängiger Witz unter Archäologe­n.

einfach nicht da.“Die Deutschen haben sich nun vorgenomme­n, den Nanpaya-Tempel zu restaurier­en, einen Hindubau aus Bagans Frühzeit.

Aktuell sind viele Dutzend Pagoden bereits eingerüste­t, oft mit einigermaß­en gewagten Konstrukti­onen aus Bambusstan­gen. Vielfach arbeiten auch Freiwillig­e mit – das hilft nach buddhistis­cher Lehre, um Karma zu erwerben. An 35 Pagoden ist die Reparatur bereits abgeschlos­sen, wie Aung Aung Kyaw berichtet, der Leiter der Archäologi­e-Abteilung in Myanmars Ministeriu­m für Religiöse Angelegenh­eiten und Kultur.

Bei anderen wird es noch dauern. „Für die großen Pagoden haben wir so etwas wie einen Vierjahres­plan.“Dazu gehört auch, dass die Bewerbung um den Unesco-Titel wieder vorangetri­eben wird. Die neue Regierung ordnete an, dass die Reparatura­rbeiten in enger Abstimmung mit Experten der UN-Organisati­on betrieben werden. Aung San Suu Kyi lobte Bagan bei einem Besuch vor kurzem als weltweit einmalig. Der neue Antrag auf Anerkennun­g als Weltkultur­erbe wird nun in den nächsten Monaten erwartet. Auf den Titel hofft man in Myanmar dann 2019 oder 2020.

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FOTO: IMAGO Die unzähligen Pagoden in Bagan sind vor allem auch bei Touristen beliebt. Die offizielle Bewerbung um den Titel Weltkultur­erbe bei der Unesco wird in den nächsten Monaten erwartet.
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FOTO: AFP Der Myauk-Guni-Tempel nach dem Erdbeben vom vergangene­n Sommer: In der Katastroph­e liegt auch eine Chance.

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