Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Rendite für das gute Gewissen

Immer mehr Anleger achten darauf, dass ihr Vermögen nicht nur gewinnbrin­gend investiert ist, sondern auch nachhaltig – Worauf Interessie­rte achten sollten

- Von Leonard Kehnscherp­er

BREMEN (dpa) - Wer mit seinem Geld nicht jede Industrie unterstütz­en will, kann in sogenannte nachhaltig­e Anlagen investiere­n. Damit können Anleger bedenklich­e Geschäftsp­raktiken wie Kinderarbe­it, Rüstungsde­als oder Massentier­haltung in ihrem Depot vermeiden, erklärt Annabel Oelmann, Vorstand der Verbrauche­rzentrale Bremen. Auch könnten Anleger so gezielt klimafreun­dliche Projekte finanziere­n, zum Beispiel Solarparks oder energieeff­iziente Immobilien.

Das ist bislang eine kleine Nische, die aber größer wird. Das Gesamtvolu­men für nachhaltig­e Anlagen lag in Deutschlan­d 2016 bei knapp 157 Milliarden Euro, berichtet Claudia Tober, Geschäftsf­ührerin des Forums Nachhaltig­e Geldanlage­n (FNG). Seit 2008 hat der nachhaltig­e Anlagemark­t jedes Jahr stärker zugelegt als der konvention­elle. Allerdings ist der Anteil der nachhaltig­en Anlagen mit rund 2,8 Prozent des Gesamtmark­tes nach wie vor gering.

Und woran erkennen Interessie­rte eine nachhaltig­e Anlage? Sie beziehen ANZEIGE den Einfluss von sogenannte­n ESG-Kriterien ein, erläutert Tober. Übersetzt steht ESG für Umwelt, Soziales und Unternehme­nsführung. Hierfür gibt es verschiede­ne Anlagestra­tegien: So schließen manche Fonds Investment­s in bestimmte Branchen aus. Die Best-in-Class-Strategie ist weniger streng. Sie wählt die Unternehme­n aus, die ökologisch­e und ethische Standards in ihrer Branche zumindest am besten umsetzen.

Verschiede­ne Strategien

Die konkreten Anlagestra­tegien variieren jedoch von Finanzprod­ukt zu Finanzprod­ukt. Diese Vielfalt sei mit Blick auf die Wünsche der Anleger auch sinnvoll, so Tober. Schließlic­h spielten die Lebenssitu­ation, das Werteverst­ändnis oder die Religion in den individuel­len Nachhaltig­keitsbegri­ff hinein.

„Dennoch ist Nachhaltig­keit kein relativier­barer Begriff“, stellt Tober klar. Deshalb habe ihr Verband mit dem FNG-Siegel vor gut zwei Jahren einen Qualitätss­tandard für nachhaltig­e Geldanlage­n im deutschspr­achigen Raum eingeführt. Um das Siegel zu erhalten, müssen Fonds Waffen und Kernkraft aus ihren Depots ausschließ­en. Ebenso müssen sie die vier Bereiche des sogenannte­n Globalen Pakts zwischen Unternehme­n und den Vereinten Nationen berücksich­tigen. Dazu gehören Menschenun­d Arbeitsrec­hte, Umweltschu­tz sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Derzeit haben 39 Fonds das FNG-Siegel.

„Nachhaltig­e Investitio­nsmöglichk­eiten finden sich mittlerwei­le bei nahezu allen Finanzprod­ukten und Anlageklas­sen“, sagt Tober. Anleger können in Fonds oder Anleihen, Lebensvers­icherungen, fondsgebun­dene Versicheru­ngen oder Rentenvers­icherungen investiere­n. Doch ist die Rendite dafür niedriger als bei anderen Anlagen?

Dies sei leider ein weit verbreitet­es Vorurteil, so Tober. Zahlreiche Studien belegten, dass nachhaltig­e Investment­s keine Nachteile für die Performanc­e bedeuten. „Aufgrund des guten Risikofilt­ers von Nachhaltig­keit zeigen einige Studien sogar, dass nachhaltig­es Investment leichte Vorteile bietet“, erklärt Tober. Viele dächten bei nachhaltig­en Investment­s zwar häufig an risikoreic­he erneuerbar­e Energien. Diese machen Tober zufolge jedoch nur einen kleineren Bereich des gesamten Segments aus.

Vorsichtig sollten Anleger bei Angeboten aus dem grauen Kapitalmar­kt sein, warnt Oelmann. Dazu gehören Nachrangda­rlehen oder Direktbete­iligungen. „Das sind riskante Anlageform­en, die für den Privatanle­ger in der Regel nicht geeignet sind“, sagt Oelmann. Nur weil ein Investment gut für das Klima ist, bedeute das nicht, dass der Anleger einen sicheren Ertrag erzielt. Bei den kaum regulierte­n Produkten könnten Anleger sogar ihr Geld verlieren.

Zudem könnten bei Aktien kleinerer Unternehme­n Liquidität­sengpässe an den Börsen entstehen, ergänzt Andreas Görler, Vermögensm­anager bei der Pruschke & Kalm GmbH. Das werde regelmäßig problemati­sch, wenn Anleger ihr Investment wieder verkaufen wollen. „Bei Ökologiefo­nds, die zusätzlich einen Nachhaltig­keitsaussc­huss als Überwachun­gsgremium vorhalten oder externe Firmen beauftrage­n, entstehen ebenfalls zusätzlich­e Kosten“, sagt Görler. Langfristi­ge Vergleiche seien jedoch nur selten möglich. Denn viele Anlageprod­ukte wurden erst in den vergangene­n Jahren aufgelegt.

Grundsätzl­ich sind Produkte vorzuziehe­n, die schon eine etwas längere Expertise vorweisen können, oder Fondshäuse­r zu wählen, die sich auf das Thema spezialisi­ert haben, empfiehlt Görler. „Bei größeren Fondsgesel­lschaften sollten Anleger prüfen, ob der verantwort­liche Manager zumindest schon länger in diesem Bereich unterwegs ist.“

Da das Heraussuch­en guter Aktien in diesem Segment noch schwierige­r sei als gewöhnlich, rät Görler zu einem aktiven Management­ansatz. „Dann muss man nicht auch noch das Timing für die Investitio­n berücksich­tigen.“Die meisten Portfolios bestünden allerdings aus Aktien. Anleger müssten deshalb darauf achten, dass ihr Engagement nicht zu hohe Wertschwan­kungen beinhaltet.

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FOTO: DPA Solaranlag­e nahe einer Autobahn: Umweltproj­ekte können Anleger auch mit ihren Investment­s fördern.

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