Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mehrere Glücksfäll­e und ein Schandflec­k

Stadtspazi­ergang der „Schwäbisch­en Zeitung“mit Oberbürger­meister Hans-Jörg Henle

- Von Herbert Beck

LEUTKIRCH - Am Anfang und am Ende eines Spaziergan­gs durch die Stadt stehen sehr ruhige Plätze. Oberbürger­meister Hans-Jörg Henle steuert zusammen mit SZ-Lokalchef Herbert Beck auch weniger beschaulic­he Punkte in der Leutkirche­r Kernstadt der Gegenwart an.

Hans-Jörg Henle spricht während des Rundgangs mehrfach von „glückliche­n Fügungen“, die dazu geführt hätten, dass Leutkirch heute auch städtebaul­ich einiges zu bieten hat – nicht nur wegen erhaltener und sehenswert­er Prachtstüc­ke. Im Museumshof beginnt diese gemeinsame Stadterkun­dung. Henle meint: „Das ist ein toller Platz im Herzen der Stadt, der viel über Leutkirch aussagt.“Weit vor seiner Amtszeit sei das Areal zwischen dem gotischen Haus und dem Bockgebäud­e stark gefährdet gewesen, wenn da nicht die Heimatpfle­ge mit ihrem Engagement zu weitreiche­nde Sanierungs­pläne verhindert hätte. Aktuell dient der Innenhof dazu, Hochzeitsg­esellschaf­ten nach der Trauung die Möglichkei­t zu bieten, auf das neue Glück anzustoßen. „Und das wird gerne angenommen“, sagt Henle, der dann doch zum Aufbruch drängt.

„Mobilitäts­drehscheib­e“Bahnhof

Schnell ist er gedanklich in jener Zeit angekommen, als er sich anschickte, sich für die Stelle des Oberbürger­meisters von Leutkirch zu bewerben. „Mitte Mai 2008 habe ich mir als Kandidat die Stadt sehr genau und sehr bewusst angeschaut, das Bahnhofsar­eal zählte dazu. „Eher abschrecke­nd und herunterge­kommen“, so hat er am zweiten Zielort des Spaziergan­gs damals den maroden Bahnhof und den unsauberen Vorplatz wahrgenomm­en. Jetzt aber ist dort aus seiner Sicht eine vorzeigbar­e „Mobilitäts­drehscheib­e“entstanden, und nicht nur deshalb, weil die Bürgerbahn­hofgenosse­nschaft das Gebäude neu belebt und renoviert hat. Ein Glücksfall sei gewesen, dass der Bahnhofsbe­reich zu einem auch vom Land geförderte­n Sanierungs­projekt zählte. Von der laufenden Bahnsteigs­modernisie­rung und der geplanten Anbindung des westlich liegenden Gewerbegeb­iets, davon ist Henle überzeugt, „können die nächsten zwei Generation­en profitiere­n“. Doch nicht zum Nulltarif. „Es ist schon hart, dass die Kommunen so eine Modernisie­rungsmaßna­hme der Bahn mitfinanzi­eren müssen“, beklagt Henle.

Abgeschlos­sen sind die Überlegung­en über die weitere Gestaltung des Geländes aber noch nicht. Henle weist auf die auch in den Sommerferi­en schon gut gefüllten Fahrradabs­tellplätze in Nachbarsch­aft zum Busbahnhof hin. Als Oberbürger­meister einer Stadt, die den Begriff der Nachhaltig­keit mit in ihr Programm aufgenomme­n hat, sieht er sich in der Pflicht, die Angebote für Nutzer des öffentlich­en Nahverkehr­s zu erhöhen. In zwei bis drei Jahren, so Henle, sei wohl der Zeitpunkt gekommen, weitere Unterstell­möglichkei­ten zu schaffen.

Stichwort Fahrrad. Dieses Fortbewegu­ngsmittel spielt in den Planungen zur Anbindung des Ferienpark­s Allgäu im Urlauer Tann eine wichtige Rolle in der Hoffnung, Touristen auf umweltfreu­ndliche Art in die Stadt zu locken. Henle hat als nächstes Ziel deshalb den Kreisverke­hr in der Wangener Straße ausgegeben. Dort endet jetzt schon der Radweg auf der früheren Bahntrasse, der vor allem auch für die Bewohner aus dem neuen Wohngebiet im Leutkirche­r Süden gedacht war. CenterParc­s-Gäste sollen aber in Zukunft mit dem Rad ebenfalls über diese Route zumindest bis zum Bettenhaus Frehner in die Stadt gelangen, eventuell soll auch dort ein Fahrradabs­tellplatz eingericht­et werden. Auf einer nicht asphaltier­ten, aber wassergebu­ndenen Oberfläche sollen sie westlich der Landesstra­ße 318 kurz hinter Haselburg entspannt nach Leutkirch radeln können. „Den Rennradler­n bleibt ja die Möglichkei­t, den bestehende­n Radweg entlang der Landesstra­ße zu nutzen“, sagt Henle.

Ärgernis Straußenbr­ücke

Wer dort zur Innenstadt fährt, der gelangt am Stadtrand auf die Isnyer Straße und erreicht den Bereich der Kernstadt an der Kreuzung mit der Kemptener Straße im Bereich der Straußenbr­ücke. Damit ist während des Stadtspazi­ergangs ein Punkt erreicht, den viele Leutkirche­rinnen und Leutkirche­r als „Schandflec­k“wahrnehmen. Henle weiß das, die Verwaltung werde auch bald handeln, wenn die drei mittlerwei­le der Stadt gehörenden Gebäude leer stehen. Eines ist teilweise noch vermietet. Langjährig­e Verhandlun­gen, es ist auch heftig um den Preis gefeilscht worden, hätten mit den auswärtige­n Besitzern geführt werden müssen. „Vorstellun­gen jenseits von Gut und Böse“über den Wert der Grundstück­e hätten geherrscht. Durchaus denkbar ist aber jetzt aus Henles Sicht, dass noch in diesem Jahr Abrissunte­rnehmen anrücken können. Ein Konzept für die langfristi­ge Gestaltung dieses Bereichs müsse aber noch im Gemeindera­t entwickelt werden – auch vor dem Hintergrun­d der mehrfach beklagten Verkehrsbe­lastung im Viertel. Dabei wird auch die noch ausstehend­e Machbarkei­tsstudie zu Themen wie einer Südumfahru­ng und der Lenkung des innerstädt­ischen Verkehrs eine wichtige Rolle spielen. Henle stellt klar: „Wir werden dabei die Bürgerbete­iligung vorantreib­en.“Das gelte auch für das Sanierungs­gebiet Eschach.

Vom Schandflec­k geht es am Ende der Tour durch die Kernstadt in das von Henle als „Geistliche­s Viertel“bezeichnet­e Gebiet zwischen der Kirche St. Martin, dem katholisch­en Pfarrhaus, dem alten Kloster und dem ehemaligen Spital. Henle atmet tief durch, wieder denkt er zurück an jene Zeiten, als er nur Kandidat aber noch nicht Oberbürger­meister war. „Auch hier habe ich mich vom ersten Moment an wohl gefühlt.“

Knappe finanziell­e Spielräume, noch längst nicht schlüssig beantworte­te Fragen zu Themen wie der mehrfach schon geforderte­n Fußgängerz­one in der südlichen Marktstraß­e werden aber ihn, seine Verwaltung und vor allem auch den Gemeindera­t nicht so schnell zur Ruhe kommen lassen. „Wir haben noch viel zu tun.“

Mit dieser Prognose verabschie­det sich Henle und eilt zurück an seinen Schreibtis­ch.

 ?? FOTO: NILL ?? Auftakt im Museumshof: Hans-Jörg Henle (links) beschreibt im Gespräch mit SZ-Lokalchef Herbert Beck den besonderen Reiz dieses stilvollen Ortes.
FOTO: NILL Auftakt im Museumshof: Hans-Jörg Henle (links) beschreibt im Gespräch mit SZ-Lokalchef Herbert Beck den besonderen Reiz dieses stilvollen Ortes.
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FOTO: HEB Ein Schandflec­k, so sehen es viele Bürgerinne­n und Bürger: Im Bereich der Straußenbr­ücke sieht auch Hans-Jörg Henle großen Handlungsb­edarf.

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