Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Der Club der Bartträger
Isnyer und Aulendorfer wollen amerikanische Bart-Gemeinschaft importieren und sich sozial engagieren
ISNY/AULENDORF - Sie sind begeisterte Bartträger, sehen ein bisschen aus wie Rocker und haben eine Vision. Der Isnyer Sebastian Graf (39) und Marc Tondorf (37) aus Aulendorf wollen die Welt „Bart für Bart zu einem besseren Ort machen“. Dafür möchten sie einen offiziellen deutschen Ableger der US-amerikanischen Bart-Gemeinschaft „Mad Viking Beard and Mustache Club“gründen. Dass ihnen der Wikinger im Namen, der bärtige Totenkopf im Logo und die an Rockerclubs erinnernden Strukturen mitunter Stirnrunzeln bis offene Ablehnung einbringen, finden sie schade. „Es ist mehr als ein Club, es ist Familie“, sagt Tondorf, selbst Vater eines Sohnes.
Bislang ist die deutsche Gruppe kein Verein oder offiziell anerkannter Ableger des amerikanischen Clubwesens, sondern eine geschlossene Facebook-Gruppe mit 400 Mitgliedern. Tondorf und Graf sind Administratoren der Facebook-Gruppe „Mad Viking Germany Beard Club“. Einige Treffen im realen Leben habe es im süddeutschen Raum auch schon gegeben, berichten sie – mit am Anfang fünf, zuletzt 20 Teilnehmern.
„Mad Viking ist mehr als nur eine Bartseite, ein Bartclub oder eine Firma“, so beschreibt sich die Gruppe selbst auf ihrer Facebookseite. Dabei ist der kommerzielle Ursprung unübersehbar. Hinter der Bewegung steht die Firma „Mad Viking Beard“, die Bartpflegeprodukte und Merchandisingartikel vertreibt, und die Club-Kultur unterstützt. Ihr Logo ist auch das Club-Logo: ein grimmig dreinschauender, bärtiger Totenschädel. Firma und Club sind eigenen Angaben zufolge sozial engagiert und unterstützen eine Kinderkrankenhausstiftung. Die weltweite Club-Gemeinschaft zählt auf Facebook mehr als 11 000 Mitglieder.
„Was mich am Mad Viking Beard Club fasziniert hat“, sagt Graf, „ist das Familiäre, der Zusammenhalt und die Hilfe untereinander.“Neben der Hilfsbereitschaft in der Gruppe ist es auch das soziale Engagement, das die Bartträger anspricht. „Viele Menschen wollen helfen, vergessen aber dabei, vor ihrer eigenen Haustüre zu schauen“, sagt Graf. Die beiden wollen nun genau dort ansetzen und haben ein erstes Wohltätigkeitsprojekt aufgelegt. Sie starteten einen Aufruf auf der Facebookseite und sammelten Sachspenden für den Württemberger Hof in Ravensburg, einer Einrichtung der Arbeits- und Wohnungslosenhilfe.
Die Resonanz sei riesig gewesen. „Seit ein paar Wochen sind wir ständig am Hin- und Herfahren und Sachen einsammeln“, berichtet Tondorf. Am kommenden Samstag wollen sie die Spenden übergeben. Ein weiteres Projekt in Isny zugunsten von Alleinerziehenden und sozial schwachen Familien sei angedacht. Längerfristig wollen sie dann den Sprung schaffen, von einer Facebook-Gruppe zu einem eigenständigen, lizensierten „Club-Chapter“, dem deutschen Ableger des amerikanischen Clubs.
Der bärtige Kult samt Wikinger im Namen stammten übrigens, so berichten Tondorf und Graf, von einem Vorfahren einer der Firmengründer, der aus Schweden in die USA auswanderte und dort den Spitznamen „The mad viking“(der verrückte Wikinger) bekam. Dass die Verehrung nordischer Symbolik auch in der neonazistischen Szene gebräuchlich ist, habe ihnen noch nie Probleme bereitet, erklären die beiden, mit der „rechten Ecke“hätten sie nichts zu tun. „Eine unserer Regeln ist: Rassismus wird nicht geduldet“, erklärt Tondorf, in der Selbstbeschreibung der Gruppe heißt es zudem: „Unabhängig von Religion, Hautfarbe, politischen Ansichten oder Ähnlichem zählt für uns Bruderschaft und Zusammenhalt.“Sie seien sogar toleranter als andere Bart-Clubs, scherzen sie: „Wir nehmen auch Männer ohne Bärte und Frauen auf.“
Ein anderes Vorurteil begegnet den beiden Bartträgern und Mad-VikingBeard-Club-Anhängern da schon eher. „Ich wurde schon mal gefragt, ob wir Rocker sind, auch wegen des Logos“, berichtet Tondorf. Auch die Struktur des amerikanischen Clubs in Chapter, wie die lokalen Untergruppen genannt werden, erinnere an Rockerclubs. „Generell sind Motorradclubs ja nichts Böses, nur weil es große und bekannte Negativbeispiele gibt“, spricht sich Graf gegen Vorurteile aus. Es gebe auch keine „Prospects“(Laufburschen) oder Aufnahmerituale. Fest steht für die beiden auf jeden Fall: „Auch Leute, die böse aussehen, können nette Helfer sein.“