Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Die größte Gerechtigkeitsfrage unserer Generation“
Umwelt-Themen stehen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl im Leutkircher Bocksaal
LEUTKIRCH - Klimaschutz, Dieselskandal und Landwirtschaft – diese Themen standen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl, die am Montag im Leutkircher Bocksaal über die Bühne gegangen ist. Zu Gast waren Waldemar Westermayer (CDU), Heike Engelhardt (SPD), Agnieszka Brugger (Grüne), Benjamin Strasser (FDP), Ralph Heidenreich (Linke) und Helmut Dietz (AfD).
Organisiert wurde die gut besuchte Veranstaltung – im Saal mussten zusätzliche Stühle aufgestellt werden – vom Leutkircher Energiebündnis und dem Umweltkreis. Moderator war Gottfried Härle. Die „Schwäbische Zeitung“hat die Diskussion besucht und stellt die drei Themenkomplexe gemeinsam mit den Positionen der Kandidaten vor.
Thema Klimaschutz
Zunächst widmen sich die Politiker am Montag den Themen Klimaschutz und Energiewende. In drei Minuten beziehen die Kandidaten Stellung zur Materie. Ralph Heidenreich (Linke), der für Jasmin Runge teilnimmt, betont, dass die Menschen den Planeten nicht übernutzen dürften. Der CO2-Ausstoß nehme seiner Ansicht nach weiter zu, allerdings nur minimal. Wichtig ist dem 59-Jährigen, dass im Rahmen der Energieeinsparung nicht bei der „unteren Bevölkerungsschicht“gespart werde, sondern „von oben her angefangen wird“.
Agnieszka Brugger (Grüne) hält die Themen Klimaschutz und Energiewende für „die größte Gerechtigkeitsfrage unserer Generation“. Die Kosten dafür müssten fair auf die Bevölkerungsschichten verteilt werden. Man dürfe bei der Energiewende „nicht auf die Pausentaste drücken“. Ihrer Meinung nach gibt es eine Reihe an Dingen, die zu tun sind. Sie nennt etwa den Kohleausstieg, Veränderungen in der Stromerzeugung oder die Unterstützung in puncto erneuerbare Energien.
„Klimaschutz ist ein wichtiges Thema“, das meint auch Heike Engelhardt (SPD). Für ihre Partei sei klar, dass die Verwendung von Braunkohle zurückgefahren werden muss. Als weiteres Ziel nennt sie, den CO2-Ausstoß bis 2020 deutlich zu reduzieren. Zudem würden bis zu diesem Jahr neue Arbeitsplätze in diesem Sektor entstehen, ist sie sich sicher. Helmut Dietz (AfD), der seine Stellungnahme als einziger Kandidat nicht frei vorträgt, spricht von einer gesunden und artenreichen Umwelt, die die Lebensgrundlage für alle Menschen und zukünftigen Generationen darstelle. Daher seien Vorkehrungen zu treffen, wie den Landschaftsverbrauch zu vermindern, Schadstoffe zu reduzieren und die Luftqualität zu verbessern.
Auf das seiner Ansicht nach erfolgreiche Pariser-Klimaschutzabkommen weist indes Benjamin
Strasser (FDP) hin. Wichtig ist ihm bei der Energiewende, dass „keine nationalen Alleingänge“vorgenommen werden. Der 30-Jährige weist darauf hin, dass sich auch erneuerbare Energien den Chancen und Risiken des Marktes stellen müssten. Zudem stehe die FDP für eine Technologieoffenheit, um die Energiewende voranzutreiben.
Dass Deutschland in Sachen Klimaschutz bereits „relativ weit“ist, sagt Waldemar Westermayer (CDU). Dennoch gebe es in dieser Hinsicht viele Aufgaben. Auch er betont, dass möglichst alle Länder bei der Energiewende mitziehen sollten. Die Wasserkraft bezeichnet er als „interessante Geschichte“. Bei den erneuerbaren Energien sollte die Politik seiner Ansicht nach aktiv werden. Zudem müsste unter anderem das Speichern von Strom vorangetrieben werden.
Themen Dieselskandal und Mobilitätskonzept
Der Dieselskandal präge derzeit den Wahlkampf, meint Moderator Gottfried Härle. Wie soll dem Skandal begegnet werden und welche Vorschläge gibt’s für ein Mobilitäts-Verkehrskonzept, will er von den Kandidaten wissen. Waldemar Westermayer
(CDU) betont zunächst, dass der Dieselskandal von der Autoindustrie verursacht wurde und diese deshalb auch dafür geradestehen müsse. Die Käufer der Fahrzeuge dürften nicht dafür bestraft werden. In puncto EMobilität betont der 64-Jährige, dass sich diese nicht von heute auf morgen umsetzen lasse. Bei der Weiterentwicklung der Technologie „tut sich vieles“, meint er. Aber das brauche seine Zeit. Auch der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) befinde sich in einem Entwicklungsprozess und spiele künftig eine große Rolle. Benjamin Strasser (FDP) ist die Weiterentwicklung zum Autonomen Fahren ein wichtiges Anliegen. Dafür brauche es unbedingt schnelleres Internet in allen Regionen, betont er.
Um dieses Ziel zu erreichen, müsse der Staat mehr finanzielle Mittel bereitstellen. Zudem hofft der 30-Jährige auf eine elektrifizierte Allgäubahn, schließlich sei die SchienenInfrastruktur verbesserungsfähig. In Sachen Dieselskandal spricht sich der Bundestagskandidat gegen Fahrverbote aus.
Helmut Dietz (AfD) ist der Ansicht, dass ein solches Fahrverbot für Dieselfahrzeuge ein „Schnellschuss“wäre. Vorrangig solle dagegen die Straßen-Infrastruktur ausgebaut werden, zum Beispiel mit Umgehungsstraßen. In der E-Mobilität sieht der 66-Jährige derweil große Chancen für die Zukunft. Man müsse intensiv daran arbeiten, die Technik weiterzuentwickeln.
„Wer betrügt, gehört gestraft“, das meint Heike Engelhardt (SPD) im Hinblick auf den Dieselskandal. Beim ÖPNV wolle ihre Partei derweil auf Verbindungen „mindestens im Stundentakt“setzen, auch in ländlichen Gebieten. Die E-Mobilität müsse ihrer Ansicht nach flächendeckend ausgebaut werden. Auch das Car-Sharing sowie E-Bikes spielen für die Politikerin eine wichtige Rolle. Ein weiteres Anliegen: „Mehr Güterverkehr auf die Schienen.“Agnieszka Brugger (Grüne) beginnt ihr Statement mit einem Seitenhieb auf Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, den sie als „Totalversager der Bundesregierung“betitelt, da sich in Sachen Verkehr und Infrastruktur in der Vergangenheit zu wenig verändert habe. Ihre Partei wolle bis 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zulassen. Welche Technologie dabei zur Anwendung kommt, sei offen. Ihrer Ansicht nach muss deshalb in die TechnikWeiterentwicklung „mit voller Kraft“investiert werden. Zudem solle ein Mobilpass eingeführt werden. Dieser könne Licht in einen „Tarifdschungel“bringen, der etwa bei Bahntarifen herrsche.
Als „kompliziertes Thema“bezeichnet Ralph Heidenreich (Linke)
die Mobilität. Er spricht von einem Ende des Autozeitalters und einem gleichzeitigen Beginn des Autonomen Fahrens. Wichtig ist dem 59-Jährigen, dass Autos in Zukunft nicht mehr nur mit einer Person besetzt sind. Es gelte, ein gemeinschaftliches System für den Verkehr zu bauen, betont er.
Thema Landwirtschaft
In einem weiteren Durchgang am Montag im Bocksaal sprechen die Teilnehmer an der Podiumsdiskussion über die Landwirtschaft sowie Methoden und Konzepte zur Weiterentwicklung. Ralph Heidenreich
(Linke) geht dabei auf die „billigen Preise“ein, die für Lebensmittel in Deutschland bezahlt werden müssten. Wenn die Produktion weiter so ansteige, sei ein zweiter Planet nötig. Bio-Produkte – die seiner Ansicht nach nicht viel gesünder seien – könnten sich viele Bürger nicht leisten. Heidenreich spricht sich zudem für Subventionen in Sachen Landschaftserhaltung aus.
Die Landwirtschaft ist eines der Themen, über die sich Agnieszka
Brugger (Grüne) am meisten Sorgen macht. Sie fordert, dass sich die Agrarförderung ändern muss. Bisher würden die Finanzmittel nach vorhandener Fläche an die Landwirte vergeben. Ihrer Ansicht nach sollten diejenigen stärker unterstützt werden, die beispielsweise regionale Produkte anbieten oder den Boden fördern. Glyphosat gehört für Brugger indes verboten.
„Gleiche Chancen für alle auf der Welt“– das ist für Heike Engelhardt
(SPD) wichtig, auch in puncto Landwirtschaft. Ein regionaler Anbau und eine regionale Vermarktung von Produkten ist ihrer Einschätzung nach zukunftsfähig. Zudem müssten nicht nur Großbetriebe gefördert werden, sondern auch kleinere landwirtschaftliche Unternehmen.
Die AfD strebt eine nachhaltige Erzeugung von gesunden Nahrungsmitteln und anständige Preise für
landwirtschaftliche Produkte an, erklärt Helmut Dietz (AfD). Moderne, bäuerliche Betriebe mit Verwurzelung in der Region seien dafür am besten geeignet. Er ist zudem der Ansicht, dass eine „EU-Überreglementierung“zurückgefahren werden müsse.
Benjamin Strasser (FDP) fordert dagegen, dass der Beruf des Landwirts attraktiver wird. Er betont, dass die ökologische Landwirtschaft und die konventionelle Landwirtschaft nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfe. Wichtig ist dem Bundestagskandidat auch, dass beim Bauern vor Ort gekauft wird. Zudem wünscht sich Strasser, dass die Politik ein Genossenschaftsmodell forciert, bei dem sich Bauern zusammenschließen.
Dass die Höhe der Subventionen für Landwirte mit Hektarflächen verbunden sind, hält auch Waldemar Westermayer (CDU) für falsch. Die finanzielle Unterstützung landet seiner Ansicht nach nicht bei den Landwirten, sondern bei den Verbrauchern. Schließlich seien die Preise für Lebensmittel so günstig wie nie. Positiv bewertet der Bundestagsabgeordnete, dass es in Deutschland durch Kontrollen eine hohe Lebensmittelsicherheit gebe. In Sachen Glyphosat ist Westermayer „hin- und hergerissen“. Bei verantwortungsvollem Einsetzen zeige der Stoff einen großen Nutzen. Zudem sei er nicht krebserregend eingestuft worden. Deshalb müsse man „genau hinschauen“.
Bürger können Fragen stellen
Im Anschluss an die einzelnen Themenkomplexe haben je drei Bürger die Möglichkeit, Rückfragen an die Bundestagskandidaten zu stellen. Dabei werden verschiedene Bereiche vertieft. So tauchen am Montag etwa Fragen zum Atomausstieg, zu einem Tempolimit auf Autobahnen, zu möglichen Wasserstoffantrieben oder zur hohen Fleischproduktion auf.