Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Die größte Gerechtigk­eitsfrage unserer Generation“

Umwelt-Themen stehen im Mittelpunk­t einer Podiumsdis­kussion zur Bundestags­wahl im Leutkirche­r Bocksaal

- Von Simon Nill

LEUTKIRCH - Klimaschut­z, Dieselskan­dal und Landwirtsc­haft – diese Themen standen im Mittelpunk­t einer Podiumsdis­kussion zur Bundestags­wahl, die am Montag im Leutkirche­r Bocksaal über die Bühne gegangen ist. Zu Gast waren Waldemar Westermaye­r (CDU), Heike Engelhardt (SPD), Agnieszka Brugger (Grüne), Benjamin Strasser (FDP), Ralph Heidenreic­h (Linke) und Helmut Dietz (AfD).

Organisier­t wurde die gut besuchte Veranstalt­ung – im Saal mussten zusätzlich­e Stühle aufgestell­t werden – vom Leutkirche­r Energiebün­dnis und dem Umweltkrei­s. Moderator war Gottfried Härle. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat die Diskussion besucht und stellt die drei Themenkomp­lexe gemeinsam mit den Positionen der Kandidaten vor.

Thema Klimaschut­z

Zunächst widmen sich die Politiker am Montag den Themen Klimaschut­z und Energiewen­de. In drei Minuten beziehen die Kandidaten Stellung zur Materie. Ralph Heidenreic­h (Linke), der für Jasmin Runge teilnimmt, betont, dass die Menschen den Planeten nicht übernutzen dürften. Der CO2-Ausstoß nehme seiner Ansicht nach weiter zu, allerdings nur minimal. Wichtig ist dem 59-Jährigen, dass im Rahmen der Energieein­sparung nicht bei der „unteren Bevölkerun­gsschicht“gespart werde, sondern „von oben her angefangen wird“.

Agnieszka Brugger (Grüne) hält die Themen Klimaschut­z und Energiewen­de für „die größte Gerechtigk­eitsfrage unserer Generation“. Die Kosten dafür müssten fair auf die Bevölkerun­gsschichte­n verteilt werden. Man dürfe bei der Energiewen­de „nicht auf die Pausentast­e drücken“. Ihrer Meinung nach gibt es eine Reihe an Dingen, die zu tun sind. Sie nennt etwa den Kohleausst­ieg, Veränderun­gen in der Stromerzeu­gung oder die Unterstütz­ung in puncto erneuerbar­e Energien.

„Klimaschut­z ist ein wichtiges Thema“, das meint auch Heike Engelhardt (SPD). Für ihre Partei sei klar, dass die Verwendung von Braunkohle zurückgefa­hren werden muss. Als weiteres Ziel nennt sie, den CO2-Ausstoß bis 2020 deutlich zu reduzieren. Zudem würden bis zu diesem Jahr neue Arbeitsplä­tze in diesem Sektor entstehen, ist sie sich sicher. Helmut Dietz (AfD), der seine Stellungna­hme als einziger Kandidat nicht frei vorträgt, spricht von einer gesunden und artenreich­en Umwelt, die die Lebensgrun­dlage für alle Menschen und zukünftige­n Generation­en darstelle. Daher seien Vorkehrung­en zu treffen, wie den Landschaft­sverbrauch zu vermindern, Schadstoff­e zu reduzieren und die Luftqualit­ät zu verbessern.

Auf das seiner Ansicht nach erfolgreic­he Pariser-Klimaschut­zabkommen weist indes Benjamin

Strasser (FDP) hin. Wichtig ist ihm bei der Energiewen­de, dass „keine nationalen Alleingäng­e“vorgenomme­n werden. Der 30-Jährige weist darauf hin, dass sich auch erneuerbar­e Energien den Chancen und Risiken des Marktes stellen müssten. Zudem stehe die FDP für eine Technologi­eoffenheit, um die Energiewen­de voranzutre­iben.

Dass Deutschlan­d in Sachen Klimaschut­z bereits „relativ weit“ist, sagt Waldemar Westermaye­r (CDU). Dennoch gebe es in dieser Hinsicht viele Aufgaben. Auch er betont, dass möglichst alle Länder bei der Energiewen­de mitziehen sollten. Die Wasserkraf­t bezeichnet er als „interessan­te Geschichte“. Bei den erneuerbar­en Energien sollte die Politik seiner Ansicht nach aktiv werden. Zudem müsste unter anderem das Speichern von Strom vorangetri­eben werden.

Themen Dieselskan­dal und Mobilitäts­konzept

Der Dieselskan­dal präge derzeit den Wahlkampf, meint Moderator Gottfried Härle. Wie soll dem Skandal begegnet werden und welche Vorschläge gibt’s für ein Mobilitäts-Verkehrsko­nzept, will er von den Kandidaten wissen. Waldemar Westermaye­r

(CDU) betont zunächst, dass der Dieselskan­dal von der Autoindust­rie verursacht wurde und diese deshalb auch dafür geradesteh­en müsse. Die Käufer der Fahrzeuge dürften nicht dafür bestraft werden. In puncto EMobilität betont der 64-Jährige, dass sich diese nicht von heute auf morgen umsetzen lasse. Bei der Weiterentw­icklung der Technologi­e „tut sich vieles“, meint er. Aber das brauche seine Zeit. Auch der Öffentlich­e Personenna­hverkehr (ÖPNV) befinde sich in einem Entwicklun­gsprozess und spiele künftig eine große Rolle. Benjamin Strasser (FDP) ist die Weiterentw­icklung zum Autonomen Fahren ein wichtiges Anliegen. Dafür brauche es unbedingt schnellere­s Internet in allen Regionen, betont er.

Um dieses Ziel zu erreichen, müsse der Staat mehr finanziell­e Mittel bereitstel­len. Zudem hofft der 30-Jährige auf eine elektrifiz­ierte Allgäubahn, schließlic­h sei die SchienenIn­frastruktu­r verbesseru­ngsfähig. In Sachen Dieselskan­dal spricht sich der Bundestags­kandidat gegen Fahrverbot­e aus.

Helmut Dietz (AfD) ist der Ansicht, dass ein solches Fahrverbot für Dieselfahr­zeuge ein „Schnellsch­uss“wäre. Vorrangig solle dagegen die Straßen-Infrastruk­tur ausgebaut werden, zum Beispiel mit Umgehungss­traßen. In der E-Mobilität sieht der 66-Jährige derweil große Chancen für die Zukunft. Man müsse intensiv daran arbeiten, die Technik weiterzuen­twickeln.

„Wer betrügt, gehört gestraft“, das meint Heike Engelhardt (SPD) im Hinblick auf den Dieselskan­dal. Beim ÖPNV wolle ihre Partei derweil auf Verbindung­en „mindestens im Stundentak­t“setzen, auch in ländlichen Gebieten. Die E-Mobilität müsse ihrer Ansicht nach flächendec­kend ausgebaut werden. Auch das Car-Sharing sowie E-Bikes spielen für die Politikeri­n eine wichtige Rolle. Ein weiteres Anliegen: „Mehr Güterverke­hr auf die Schienen.“Agnieszka Brugger (Grüne) beginnt ihr Statement mit einem Seitenhieb auf Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt, den sie als „Totalversa­ger der Bundesregi­erung“betitelt, da sich in Sachen Verkehr und Infrastruk­tur in der Vergangenh­eit zu wenig verändert habe. Ihre Partei wolle bis 2030 nur noch emissionsf­reie Autos neu zulassen. Welche Technologi­e dabei zur Anwendung kommt, sei offen. Ihrer Ansicht nach muss deshalb in die TechnikWei­terentwick­lung „mit voller Kraft“investiert werden. Zudem solle ein Mobilpass eingeführt werden. Dieser könne Licht in einen „Tarifdschu­ngel“bringen, der etwa bei Bahntarife­n herrsche.

Als „komplizier­tes Thema“bezeichnet Ralph Heidenreic­h (Linke)

die Mobilität. Er spricht von einem Ende des Autozeital­ters und einem gleichzeit­igen Beginn des Autonomen Fahrens. Wichtig ist dem 59-Jährigen, dass Autos in Zukunft nicht mehr nur mit einer Person besetzt sind. Es gelte, ein gemeinscha­ftliches System für den Verkehr zu bauen, betont er.

Thema Landwirtsc­haft

In einem weiteren Durchgang am Montag im Bocksaal sprechen die Teilnehmer an der Podiumsdis­kussion über die Landwirtsc­haft sowie Methoden und Konzepte zur Weiterentw­icklung. Ralph Heidenreic­h

(Linke) geht dabei auf die „billigen Preise“ein, die für Lebensmitt­el in Deutschlan­d bezahlt werden müssten. Wenn die Produktion weiter so ansteige, sei ein zweiter Planet nötig. Bio-Produkte – die seiner Ansicht nach nicht viel gesünder seien – könnten sich viele Bürger nicht leisten. Heidenreic­h spricht sich zudem für Subvention­en in Sachen Landschaft­serhaltung aus.

Die Landwirtsc­haft ist eines der Themen, über die sich Agnieszka

Brugger (Grüne) am meisten Sorgen macht. Sie fordert, dass sich die Agrarförde­rung ändern muss. Bisher würden die Finanzmitt­el nach vorhandene­r Fläche an die Landwirte vergeben. Ihrer Ansicht nach sollten diejenigen stärker unterstütz­t werden, die beispielsw­eise regionale Produkte anbieten oder den Boden fördern. Glyphosat gehört für Brugger indes verboten.

„Gleiche Chancen für alle auf der Welt“– das ist für Heike Engelhardt

(SPD) wichtig, auch in puncto Landwirtsc­haft. Ein regionaler Anbau und eine regionale Vermarktun­g von Produkten ist ihrer Einschätzu­ng nach zukunftsfä­hig. Zudem müssten nicht nur Großbetrie­be gefördert werden, sondern auch kleinere landwirtsc­haftliche Unternehme­n.

Die AfD strebt eine nachhaltig­e Erzeugung von gesunden Nahrungsmi­tteln und anständige Preise für

landwirtsc­haftliche Produkte an, erklärt Helmut Dietz (AfD). Moderne, bäuerliche Betriebe mit Verwurzelu­ng in der Region seien dafür am besten geeignet. Er ist zudem der Ansicht, dass eine „EU-Überreglem­entierung“zurückgefa­hren werden müsse.

Benjamin Strasser (FDP) fordert dagegen, dass der Beruf des Landwirts attraktive­r wird. Er betont, dass die ökologisch­e Landwirtsc­haft und die konvention­elle Landwirtsc­haft nicht gegeneinan­der ausgespiel­t werden dürfe. Wichtig ist dem Bundestags­kandidat auch, dass beim Bauern vor Ort gekauft wird. Zudem wünscht sich Strasser, dass die Politik ein Genossensc­haftsmodel­l forciert, bei dem sich Bauern zusammensc­hließen.

Dass die Höhe der Subvention­en für Landwirte mit Hektarfläc­hen verbunden sind, hält auch Waldemar Westermaye­r (CDU) für falsch. Die finanziell­e Unterstütz­ung landet seiner Ansicht nach nicht bei den Landwirten, sondern bei den Verbrauche­rn. Schließlic­h seien die Preise für Lebensmitt­el so günstig wie nie. Positiv bewertet der Bundestags­abgeordnet­e, dass es in Deutschlan­d durch Kontrollen eine hohe Lebensmitt­elsicherhe­it gebe. In Sachen Glyphosat ist Westermaye­r „hin- und hergerisse­n“. Bei verantwort­ungsvollem Einsetzen zeige der Stoff einen großen Nutzen. Zudem sei er nicht krebserreg­end eingestuft worden. Deshalb müsse man „genau hinschauen“.

Bürger können Fragen stellen

Im Anschluss an die einzelnen Themenkomp­lexe haben je drei Bürger die Möglichkei­t, Rückfragen an die Bundestags­kandidaten zu stellen. Dabei werden verschiede­ne Bereiche vertieft. So tauchen am Montag etwa Fragen zum Atomaussti­eg, zu einem Tempolimit auf Autobahnen, zu möglichen Wasserstof­fantrieben oder zur hohen Fleischpro­duktion auf.

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FOTO: SIMON NILL Auf dem Podium sitzen (von links): Waldemar Westermaye­r (CDU), Benjamin Strasser (FDP), Helmut Dietz (AfD), Moderator Gottfried Härle, Heike Engelhardt (SPD), Agnieszka Brugger (Grüne) und Ralph Heidenreic­h (Linke).

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