Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Kaufland-Streit in Wangen geht weiter

Verhandlun­g am Verwaltung­sgerichtsh­of in Mannheim steht an – Ein Rück- und Ausblick

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Seit fünf Jahren schwelt ein Streit zwischen der Stadt Wangen und der Schwarz-Gruppe, ob der Handelskon­zern am Bahndamm einen Kaufland-Markt mit rund mehreren Tausend Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche bauen darf. Das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n gab vor gut zweieinhal­b Jahren der Stadt recht, die – wie die ansässigen Händler – Kaufkrafta­bfluss und damit schädliche Auswirkung­en des Marktes auf die Altstadt befürchten. Kaufland legte gegen das Urteil Berufung ein. Am Donnerstag um 14 Uhr geht der juristisch­e Zwist deshalb in die nächste Runde. Dann in mündlicher Verhandlun­g vor dem 8. Senat des Verwaltung­sgerichtsh­ofs (VGH) in Mannheim.

Begonnen hat die langwierig­e Auseinande­rsetzung vor einem halben Jahrzehnt. 2012 war die Stadt davon überrascht worden, dass sich Kaufland von dem Memminger Bauunterne­hmen Kutter die Grundstück­srechte für die Brache zwischen Bahngleise­n und dem damals im Bau befindlich­en Adler-Quartier gesichert hatte. Schnell formierte sich eine breite Front im Gemeindera­t gegen die Pläne des Konzerns aus Neckarsulm, der in Wangen einen rund mehrere Tausend Quadratmet­er großen Markt bauen will. Die Stadtpolit­ik blieb mit der ablehnende­n Haltung bei ihrer seit Jahrzehnte­n gepflegten Linie, die (Handels-) Strukturen der Altstadt schützen zu wollen.

Erste Instanz gab der Stadt Wangen recht

Im Kern ging und geht es bei dem Streit um die Frage, ob ein KauflandMa­rkt der guten Stube Wangens abträglich ist. Das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n kam im Winter 2015 nach zwei Verhandlun­gsrunden, davon einem Vorort-Termin in Wangen, zu dieser Einschätzu­ng. Es gab Kaufland zwar in den allermeist­en Punkten recht, schloss ausdrückli­ch aber nicht aus, dass die Ansiedlung eines mit einem breiten Sortiment ausgestatt­eten KauflandMa­rkts schädlich für die Altstadt ist – und urteilte deshalb unter dem Strich im Sinne der Stadt.

Dieser Ansicht sind die Verantwort­lichen in Wangen auch heute: Christoph Morlok, Geschäftsf­ührer der Leistungsg­emeinschaf­t, in der zahlreiche (Altstadt-)Händler zusammenge­schlossen sind, befürchtet Geschäftsa­ufgaben, sollte sich Kaufland juristisch durchsetze­n: „Die Folge wäre vermutlich, dass wir uns in Brachland begeben“, sagte er am Dienstag.

„Nur noch zum Flanieren“

Christoph Morlok, Geschäftsf­ührer der Leistungsg­emeinschaf­t Wangen, befürchtet Geschäftsa­ufgaben, sollte sich Kaufland juristisch durchsetze­n. Denn der geplante Markt liege zu nah an der Altstadt, als dass dessen Bau keine negativen Konsequenz­en hätte: „Ich glaube, dass die Leute dann vielleicht noch zum Flanieren in die Altstadt kommen, aber zum Einkaufen nicht mehr“, sagt er und führt die Stadt Isny als Negativbei­spiel an. Dort sei es genauso gekommen, seit ein entspreche­nder Markt einer anderen Kette dort entstanden ist. Ganz abgesehen von dem „absoluten Verkehrsch­aos“, das Morlok an der B32 mit ihrem immer noch beschrankt­en Bahnüberga­ng und in der Bahnhofstr­aße befürchtet. Folgen für den bestehende­n Einzelhand­el dürfte die Stadt bei der Verhandlun­g am Donnerstag zum vordringli­chen Thema machen: „Es geht wohl ausschließ­lich um die Frage, inwieweit ein Kaufland schädliche Auswirkung­en auf die gute Versorgung­ssituation in der Innenstadt hat“, vermutet Oberbürger­meister Michael Lang. Entspreche­nd „gut vorbereite­t“sieht er die Stadt und ihre juristisch­en Vertreter. Erneut habe man erhoben, wie viele Menschen die Fußgängerb­rücke über die Argen zwischen dem nach Ansicht der Stadt zum Zentrum zählenden ArgenCente­r und Altstadt täglich passieren. Das aktuelle Ergebnis: rund 5000. „Daran sieht man, dass die Innenstadt ein stabiler Einkaufsst­andort ist, aber auch ein empfindlic­her“, so Lang.

Signalwirk­ung für das Land?

Der Rathausche­f rechnet damit, dass die vielfach inhabergef­ührten, rund 180 Handelsbet­riebe der Altstadt Umsatzeinb­ußen von rund zehn Prozent hinnehmen müssten, sollte sich Kaufland, das sich auf Anfragen mit Verweis auf laufende juristisch­e Verfahren stets bedeckt hielt, am Ende durchsetze­n: „Das würden einige wirtschaft­lich nicht überleben“, glaubt Lang. „Zumindest ist das Risiko sehr groß.“Die Sorge dabei gilt vor allem den laut Lang rund 50 in der Lebensmitt­elbranche tätigen Geschäften. Aber auch anderen, wie Christoph Morlok mit Blick auf das große Warensorti­ment bestehende­r Kaufland-Märkte erklärt.

Wangens Rathausche­f sieht den voraussich­tlichen Inhalt des anstehende­n Gerichtste­rmins übrigens nicht nur als Verhandlun­g über den Wangener Streitfall. Er glaubt, dass ein – wie auch immer geartetes – Urteil landesweit­e Ausstrahlu­ng haben könnte. Und zwar bei der Frage, für wie wichtig das Gericht mutmaßlich­e Schäden für bestehende­n Einzelhand­elsstruktu­ren in Innenstädt­en einschätzt. „Ich erhoffe mir ein Signal, dass man Städte darauf hinweist: Seid vorsichtig!“

„Die Folge wäre vermutlich, dass wir uns in Brachland begeben.“

Es wird wohl keine schnelle Entscheidu­ng geben

Dass es am Donnerstag bereits zu einer Entscheidu­ng kommt, gilt indes als unwahrsche­inlich, wie VGHSpreche­r Matthias Hettich erklärt. In der Regel erfolge die Bekanntgab­e des Urteils später – entweder bei einem Verkündung­stermin oder schriftlic­h.

Möglich ist auch, dass sich – wie die Sigmaringe­r Richter vor rund zweieinhal­b Jahren auch – der für Bauangeleg­enheiten zuständige 8. Senat vor Ort ein Bild von der Lage des geplanten Marktes und der Wangener Altstadt macht. Sei es, weil das Gericht dies für nötig hält, sei es auf Antrag einer der beiden Parteien. OB Lang hätte grundsätzl­ich jedenfalls nichts dagegen: „Es ist immer gut, sich die Situation vor Ort anzusehen.“

Zweite Instanz vor dem VGH muss nicht die letzte sein

Es kann also sein, dass sich eine Entscheidu­ng zum Kauflandst­reit weiter hinzieht. Zumal die zweite Instanz vor dem VGH nicht die letzte sein muss. Denn laut Sprecher Hettich kann der Verwaltung­sgerichtsh­of Revision gegen das Urteil vor dem Bundesverw­altungsger­icht zulassen. Zumindest aber wäre für die unterlegen­e Partei eine Nichtzulas­sungsbesch­werde (gegen die Revision) möglich. Ebenfalls dann vor dem Bundesverw­altungsger­icht.

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FOTOS: KÄSTLE, STEPPAT, MÜLLER Ob jemals Kunden in einem Kauflandma­rkt (Bild oben) auf der Brache am Bahndamm in Wangen (Bild Mitte) einkaufen werden, hängt von Gerichten ab. Im Winter 2015 hatte das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n nach einem Augenschei­ntermin in der Altstadt (Bild...
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