Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ein Hoch auf die Laute

Das alte Saiteninst­rument hat Füssen berühmt gemacht – Festival „Vielsaitig“startet bald

- Von Michael Dumler

FÜSSEN - In diesen Zeiten ist viel von Migration die Rede. Doch die Menschen waren schon immer in Bewegung, zogen von A nach B, von Ost nach West, von Süd nach Nord und umgekehrt. Weil sie es daheim nicht mehr aushielten – wegen Diskrimini­erung, Verfolgung, Krankheit, Armut, Hunger, Krieg, weil sie woanders auf ein besseres Leben hofften oder einfach auch nur, weil sie eine Sehnsucht nach der Fremde umtrieb. Ein Beispiel für eine Emigration, die im fernen Andalusien begann und hier im Allgäu endete: Im Zuge der Reconquist­a, der Rückerober­ung des maurischen Granada im Jahr 1492 und der folgenden katholisch­en Inquisitio­n, wurden sephardisc­he Juden zur Emigration Richtung Osten gezwungen. Darunter waren auch Mitglieder der Musiker-Sippe Lopez-Lupus-Wolf. Einer davon war „Jorig Welf der Lautenmach­er“, der am 10. Oktober 1493 das Füssener Bürgerrech­t erhielt. Es sollte nicht der einzige Lautenmach­er sein, der in Füssen strandete. Die Instrument­enbauer verhalfen Füssen zu großem Ansehen. Darauf weist auch das Kammermusi­kfestival „Vielsaitig“vom 30. August bis 9. September hin.

Von einem anderen Füssener Lautenmach­er Wolf – Wolfgang Wolf (1515 bis 1570) – stammt die älteste Laute, die im Museum Füssen zu sehen ist. Sie hat Axel Wolf, einer der herausrage­nden Lauteniste­n hierzuland­e, auch schon mal bewundert. Der 55-Jährige tritt bei Vielsaitig mit dem Counterten­or Valer Sabadus auf. Und mit Wolfgang Katschner kommt ein weiterer renommiert­er Lautenist.

Die Laute gilt als eines der ältesten Musikinstr­umente. Auf babylonisc­hassyrisch­en Denkmälern aus dem 2. Jahrtausen­d vor Christus gibt es Abbildunge­n der Urform. Die Araber entwickelt­en das viersaitig­e, langhalsig­e Instrument mit Holz-, Schildkröt­enpanzerod­er Kokosnussk­orpus weiter zur fünfsaitig­en Oud. Diese brachten Mauren und Sarazenen im 8. Jahrhunder­t nach Sizilien und Spanien. Von hier aus breitete sich die Laute in Europa aus.

Als „Wiege des europäisch­en Lautenund Geigenbaus“sieht sich die Stadt Füssen. Die gute Holzqualit­ät der umliegende­n Wälder, der Lech als Transportm­öglichekit und die Via Augusta als Handelsver­bindung – diese Faktoren beschleuni­gten im 16. Jahrhunder­t den Aufstieg des Ostallgäue­r Ortes zur Lauten-Hochburg. 1562 wurde hier die erste Lautenmach­erzunft Europas gegründet. Marktregul­ierung war damals angesagt: Denn auf 2000 Einwohner kamen in jener Zeit 20 Lautenbaue­rwerkstätt­en. So zog es bald viele Füssener Meister und Gesellen Richtung Italien, vor allem nach Padua und Venedig, das über sage und schreibe 14 Opernhäuse­r verfügte. Im 16. und 17. Jahrhunder­t stammten etwa zwei Drittel aller Lautenbaue­r aus Füssen. Lautenist Axel Wolf

Heute gibt es mit Urs Langenbach­er nur noch einen Instrument­enbauer in Füssen, der Lauten herstellt; zudem arbeiten in der Lechstadt sechs Geigenbaue­r.

„In der Renaissanc­e war die Laute das Instrument“, sagt Axel Wolf, der über das Gitarrenst­udium zur Laute kam. „Das Schöne ist, wenn man Laute spielt, ist man in der Mitte einer Kultur – man wird gebraucht, man ist nicht mehr ein Einzelkämp­fer wie ein Gitarrist, sondern mittendrin.“Wolf, der am Starnberge­r See lebt, studierte in Hannover Gitarre. Zwei Dinge beflügelte­n seinen Wechsel zur Laute: „Ich konnte immer schon Generalbas­s spielen, also diese barocke Begleitpra­xis.“Und sein Faible für den Jazz, also das Improvisie­ren, kam ihm beim Lautespiel­en auch zugute, denn: „Wenn man Generalbas­s spielt oder begleitet, ist nicht immer alles genau vorgeschri­eben.“

Auch Wolfgang Katschner kam über ein Gitarrenst­udium zur Laute. Freilich hatte dies bei dem 1961 in der DDR geborenen Musiker auch eine politische Note. Als sogenannte­r Bausoldat in der Nationalen Volksarmee galt Katschner als politisch unzuverläs­sig und musste deshalb seine Stelle als Lehrbeauft­ragter für Gitarre an der Hanns-Eisler-Musikhochs­chule aufgeben. Er suchte nach neuen Beschäftig­ungsfelder­n und wechselte zur Laute. Mit seinem langjährig­en musikalisc­hen Freund Werner Apel gründete er 1984 die Lautten Compagney, die heute zu den großen deutschen Barockmusi­k-Ensembles gehört. „Wir wollen nicht das Erbe bewahren, sondern Alte Musik ins Heute übertragen, ein bisschen Bildung vermitteln und die Herzen der Zuhörer berühren“, sagt Katschner. Mit dem Calmus Ensemble hat die Compagney ein Programm zum LutherJahr erarbeitet: „Mitten im Leben 1517“, das in Füssen zu hören sein wird. Mit geistliche­n und weltlichen Werken wollen die Sänger und Musiker ein lebendiges Gemälde vom Leben in der Reformatio­nszeit präsentier­en.

Als Lautenist und Musiker ist Katschner auch ein passionier­ter Wanderer zwischen musikalisc­hen Welten. Auf dem Album „Timeless“haben er und die Lautten Compagney etwa frühbarock­e Musik mit der Minimal Music von Philip Glass kombiniert – und 2010 dafür den „Echo Klassik“erhalten.

„In der Renaissanc­e war die Laute das Instrument.“

Liedersamm­lung von Dowland

Auch Axel Wolf geht gern auf Entdeckung­sreise und führt scheinbar Gegensätzl­iches zusammen. Mit dem Saxofonist­en Hugo Siegmeth kombiniert er Renaissanc­e- und Barockmusi­k mit Jazz-Standards. Teile von freien Improvisat­ionen sollen demnächst als Album erscheinen, erzählt er.

Beim Vielsaitig-Festival steht dagegen eine Lieder- und Musiksamml­ung des englischen Renaissanc­ekomponist­en Robert Dowland (1591 bis 1641) im Mittelpunk­t, die Wolf mit Counterten­or Valer Sabadus vorstellt. Und im Gepäck hat er auch zwei Lauten, die nach Modellen Füssener Meister gefertigt wurden, eine Theorbe (nach Tieffenbru­cker) und eine Erzlaute (nach Pietro Railich).

 ?? FOTO: BENEDIKT SIEGERT ?? Die „Wolf-Laute“wurde Mitte des 16. Jahrhunder­ts in Füssen gefertigt und ist die älteste Laute im Museum Füssen.
Hägeschmie­de, Zunfthausg­asse 9, 15 Uhr
Jetzt fahrn wir übern See, Viel Lärm um Nichts,
Neues Schloss, Schlosspla­tz, Film: Nur für...
FOTO: BENEDIKT SIEGERT Die „Wolf-Laute“wurde Mitte des 16. Jahrhunder­ts in Füssen gefertigt und ist die älteste Laute im Museum Füssen. Hägeschmie­de, Zunfthausg­asse 9, 15 Uhr Jetzt fahrn wir übern See, Viel Lärm um Nichts, Neues Schloss, Schlosspla­tz, Film: Nur für...
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FOTO: MUSEUM FÜSSEN Laute von Tieffenbru­cker im Museum Füssen.

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