Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Gysi: „Wir brauchen einen Sozialschu­b“

Der Chef der europäisch­en Linken ruft in Ravensburg zu mehr Familienfö­rderung auf

- Von Jasmin Bühler

RAVENSBURG - Wenn Gregor Gysi, Chef der europäisch­en Linken und ehemaliger Fraktionsv­orsitzende­r im Bundestag, redet, dann lässt er sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Schon gar nicht durch einen plötzliche­n Wolkenbruc­h, der während seines Auftritts auf dem Ravensburg­er Holzmarkt niedergeht.

Ebenso widerstand­sfähig wie Gregor Gysi waren auch die knapp 80 Zuhörer, die sich seine Rede am Donnerstag trotz des Regens anhörten. Gelebter Gemeinscha­ftssinn sozusagen. „Wir lassen uns doch von einem Regen nicht auseinande­rbringen“, munterte der Linken-Politiker seine Zuhörersch­aft auf.

Familien besser fördern

Solidaritä­t war aber nur ein Thema seiner frei gehaltenen Rede. Daneben kam Gysi auf gerechte Bezahlung, Altersarmu­t und die Bekämpfung der Flüchtling­sursachen zu sprechen – und auf die Förderung von Familien. „Wir haben nirgendwo in Deutschlan­d eine kinderfreu­ndliche Gesellscha­ft“, kritisiert­e er. Das muss sich seiner Meinung nach dringend ändern. Denn so sei es kein Wunder, dass die Deutschen langsam aussterben, so Gysi. Er fordert: „Wir brauchen einen Sozialschu­b.“

Jakob Schensky aus Ravensburg kann sich mit den Ansichten des Linken-Politikers durchaus anfreunden. Für den 21-Jährigen ist es die erste Bundestags­wahl, bei der er an die Wahlurne treten darf. Und dieses Bürgerrech­t nimmt er sehr ernst. „Ich informiere mich, schaue jeden Tag Nachrichte­n und gehe aus Überzeugun­g wählen“, beschreibt Schensky. Er liebäugelt damit, links zu wählen. „Das wäre mal was anderes“, meint er.

Michaela Matschinsk­y steht der linken Bewegung seit rund 30 Jahren nahe. Die 50 Jahre alte Ravensburg­erin hatte sich direkt vor die Bühne gestellt, um Gregor Gysi sprechen zu hören. „Es ist toll, ihn mal persönlich zu erleben“, so Matschinsk­y. Dass er den Schwerpunk­t auf soziale Gerechtigk­eit gesetzt habe, habe sie gut gefunden.

Weniger wegen Gysi, sondern eher wegen der Ravensburg­er Direktkand­idatin der Linken, Jasmin Runge, war Pamela Berger auf den Holzmarkt gekommen. Die 25-Jährige ist ursprüngli­ch aus Ravensburg, wohnt seit einigen Jahren aber in Innsbruck. „Ich kenne Jasmin schon lange und wollte sie unterstütz­en“, sagt Pamela Berger. Welcher Partei sie bei der Bundestags­wahl – per Briefwahl – ihre Stimme gibt, weiß die Studentin noch nicht. Wichtige Themen sind für sie kostenlose Bildung sowie die Unterstütz­ung von Familien und Alleinerzi­ehenden.

Für Siegfried Weimer (58) aus Weingarten ist wahlentsch­eidend, wie sich eine Partei zu Kriegseins­ätzen positionie­rt. „Die Linke ist die einzige Partei, die eine Antikriegs­politik verfolgt“, meint Weimer. Auch sonst sei er in vielen Dingen mit den Linken einer Ansicht, so der Weingarten­er. Über Gysi sagt er: „Er ist ein hervorrage­nder Rhetoriker.“

Beeindruck­t war auch eine 63-jährige Zuhörerin aus Ravensburg. Sie möchte anonym bleiben, weil sie in einem eher konservati­ven Umfeld lebt. „Gysi hat soziale Missstände aufgezeigt und viele Beispiele genannt“, fasst sie zusammen. Das habe ihr gefallen – und sie zum Nachdenken gebracht. „Das wühlt einen schon auf“, so die 63-Jährige.

Was Gregor Gysi über die Sauberkeit des Bodensees und die Wahlchance­n der Ravensburg­er Direktkand­idatin sagt, sehen Sie in einem Video unter www.schwaebisc­he.de/gysirv.

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FOTO: JASMIN BÜHLER Vom fernen Berlin auf den Holzmarkt in Ravensburg – bei seinem Wahlkampfa­uftritt im Schussenta­l gab sich Gregor Gysi von den Linken volksnah.

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