Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Schulz fordert Ultimatum für Erdogan
Türkischer Präsident setzt brisante Reform um – Deutscher Pilger verhaftet
BERLIN - SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz fordert ein härteres Durchgreifen der Bundesregierung gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. „Wir müssen ihm eine Frist setzen. Ich bin nicht bereit, noch Monate zu warten. Da muss es um wenige Wochen gehen“, sagte Schulz am Sonntag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“im Hinblick auf die in der Türkei inhaftierten deutschen Staatsbürger. Sollten die festgenommenen Deutschen nicht freikommen, müssten die Gespräche über die Ausweitung der EU-Zollunion und die Beitrittshilfen gestoppt werden, forderte Schulz.
Der Herausforderer von Angela Merkel (CDU) griff die Bundeskanzlerin für ihre Türkei-Politik scharf an. „Sie meidet alle schwierigen Themen“, warf er Merkel vor. Schulz erklärte, auf Regelbrüche Erdogans dürfe man nicht mit „fein ziselierten Äußerungen reagieren“.
Am Wochenende wurden zudem Teile einer politisch brisanten Reform in der Türkei bekannt. Erdogan kann demnach ab sofort über die Abschiebung ausländischer Häftlinge in ihre Heimatländer entscheiden. Die Abschiebungsregelung war im Jahr 2015 auf Antrag der Opposition vom türkischen Verfassungsgericht verworfen worden – Erdogan führt sie jetzt per Erlass unter dem Ausnahmezustand trotzdem ein.
Die Neuregelung sieht laut Erlass vor, dass ausländische Häftlinge in der Türkei „in ein anderes Land ausgeliefert oder gegen Untersuchungshäftlinge oder rechtskräftig Verurteilte, die sich in einem anderen Land befinden, ausgetauscht werden können“. Westliche Politiker befürchten, dass Erdogan nun inhaftierte Bürger anderer Staaten als Druckmittel nutzen könnte, um vom Ausland die Überstellung von Gegnern des türkischen Präsidenten zu erzwingen.
Auch mehrere deutsche Journalisten und Menschenrechtler sitzen teilweise seit Monaten in türkischen Gefängnissen. Laut einem Bericht der „Bild am Sonntag“wurde ein deutscher Pilger bereits vor fünf Monaten in der Türkei verhaftet. Bislang sei unklar, warum türkische Behörden den 55-jährigen David B. festnehmen ließen.