Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Irakische Armee erobert Tal Afar vom IS zurück
40 000 Zivilisten sind in der Großstadt eingeschlossen
LIMASSOL - Schneller als erwartet ist der „Islamische Staat“aus seiner Hochburg Tal Afar vertrieben worden. Befanden sich am Samstag noch fünf Prozent der strategisch wichtigen Großstadt im Nordwesten des Irak unter der Kontrolle der Terrormiliz, verkündete der irakische Brigadegeneral Najim Jouburi tags darauf die „hundertprozentige Befreiung des gesamten Stadtgebietes mit der Hilfe Allahs“. Lediglich im Vorort Aayaziyah hielten sich noch einige IS-Kämpfer verschanzt.
Als Grund für die Niederlage des IS nannten irakische Militärsprecher Erschöpfung und fehlende Mannschaftsstärke. Lediglich 2000 Aktivisten hätten sich den rund 50 000 anrückenden irakischen Soldaten, Polizisten und Milizionären entgegengestellt. Bereits im Juni hatten proiranische Milizen den Großraum Tal Afar vom Rest des IS-Herrschaftsgebiets abgetrennt. In der Stadt hatten vor der Einnahme durch den IS im Jahr 2014 etwa 200 000 irakische Turkmenen gelebt.
Zum Zeitpunkt der Offensive, die vor zehn Tagen begann, sollen sich nach US-Erkenntnissen 20 000 Zivilisten in Tal Afar aufgehalten haben. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen geht von 40 000 Eingeschlossenen aus, welche in Lagern in der Umgebung untergebracht werden könnten. 9000 Zivilisten soll in den letzten Tagen die Flucht gelungen sein.
Es ist bereits das zweite Mal innerhalb von zehn Jahren, dass Tal Afar befreit werden musste. Nach der US-Invasion 2003 hatten Kämpfer des Terrornetzwerkes al-Kaida die Wüstenstadt unter ihre Kontrolle gebracht und als Stützpunkt für Angriffe gegen US-Soldaten genutzt. 2007 gelang amerikanischen Elitetruppen die Rückeroberung vom Tal Afar, aber der Wiederaufbau stockte. Die auch von der Zentralregierung in Bagdad vernachlässigte Stadt blieb ein Unruheherd. Die Rückkehr der Dschihadisten im Juni 2014, dieses Mal unter der schwarzen Flagge des IS, war daher keine Überraschung.
Bagdad und Washington bemühen sich derzeit um die Vernichtung des IS in der an Syrien, Jordanien und Saudi-Arabien grenzenden Provinz Anbar sowie die Rückeroberung der letzten IS-Gebiete im Großraum Kirkuk. Fortschritte im Kampf gegen den IS macht auch die Assad-Armee. Sie konnte zuletzt ein 2000 Quadratkilometer großes Gebiet in Zentralsyrien zurückerobern und den IS im Grenzgebiet zum Libanon zur Kapitulation zwingen. Kurz vor dem Fall steht zudem die von überwiegend kurdischen Milizen belagerte „ISHauptstadt“Rakka.