Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Verfahren gegen Allgäuer Pfarrer eingestellt
Laut Ministerium keine weiteren Ermittlungen gegen Kirchenvorstände geplant – Dekane fordern Vorgaben
KEMPTEN (raf) - Allgäuer Pfarrer und Kirchengremien, die Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt haben, müssen offenbar auch ohne Zutun von Ministerpräsident Horst Seehofer nicht mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Die Staatsanwaltschaft Kempten hat bereits Ermittlungsverfahren gegen mehrere Pfarrer eingestellt. Dass die Justiz darüber hinaus Kirchenvorstände belangt, ist nach jetzigem Stand unwahrscheinlich. Gleichwohl fordern Allgäuer Kirchenvertreter zügig eine einheitliche Regelung durch Politik und Justiz. „Wir brauchen hier klare Vorgaben, die dem jahrtausendealten Schutzrecht der Kirche gerecht werden“, sagt Jörg Dittmar, evangelischer Dekan in Kempten.
Dittmar greift damit die jüngste Ankündigung des Ministerpräsidenten auf, das Asyl hinter Kirchenmauern unter besonderen Schutz zu stellen. Bei der Eröffnung der Allgäuer Festwoche sagte Seehofer: „Vor gut acht Tagen habe ich dagesorgt, für dass die Staatsanwaltschaften Zurückhaltung üben.“Gemeinsam mit den Ministerpräsidenten anderer Länder werde er besprechen, wie hier bundesweit zu verfahren sei.
Bislang ist Bayern das einzige Bun- desland, in dem bei einem Kirchenasyl gegen Kirchenvertreter ermittelt wird.
Die Staatsanwaltschaft Kempten wisse um die besondere Bedeutung des Kirchenasyls, sagt deren Leiter Uwe Erlbeck. Die Strafprozessordnung gebe aber klar vor, dass der Sachverhalt zu prüfen sei. Dies bedeute jedoch nicht zwingend juristische Konsequenzen. Die wenigen Ermittlungsverfahren wurden bereits zuvor wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Auch die Vorermittlungen gegen Mitglieder zweier Allgäuer Kirchenvorstände werden wohl im Sande verlaufen. Beide Gremien hatten sich geweigert, Protokolle der Abstimmungen über die Gewährung des Kirchenasyls an die Staatsanwaltschaft zu senden. Weitere Vorermittlungen gegen diese ehrenamtlichen Gremien seien bayernweit nicht geplant, sagt Thomas Pfeiffer, Sprecher des bayerischen Justizministeriums. Da das Kirchenasyl aber kein rechtsfreier Raum sei, wolle das Ministerium „eine saubere rechtliche Lösung, die möglichst bundeseinheitlich vollzogen wird und das Ausländerrecht wie das Strafrecht im Blick hat“.
„Kirchenasyl war doch auch vorher kein rechtsfreier Raum“, kontert Dekan Dittmar. Er spricht vielmehr von einem „transparenten Vorgang mit klaren Regeln“, die einer Vereinbarung der Kirchen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie dem Bundesinnenministerium entsprächen. Demnach erhielten die Behörden noch am selben Tag die Daten des aufgenommenen Flüchtlings. „Das Kirchenasyl wird immer das letzte Mittel bleiben. Wir prüfen sehr genau, wer hier infrage kommt“, sagt Dittmar. Mehrfach seien Flüchtlinge abgewiesen worden, weil sie keine Aussicht auf ein Bleiberecht hatten oder nach einer Abschiebung keine direkte Gefahr für Leib und Leben bestand.
Auch der katholische Dekan Bernhard Ehler spricht von hohen Hürden bis zur Gewährung des Asyls. „Wir wollen nicht Recht brechen, sondern dem Recht zum Zug verhelfen.“In der Regel gehe es darum, Zeit für eine umfassende Prüfung des Asylantrags zu gewinnen. Ehler versteht nicht, weshalb das lange geltende „gentleman agreement“zwischen Kirchen und Behörden, in diesen begründeten Einzelfällen nicht einzugreifen, nicht mehr gelte. Dittmar spricht von einer „unnötigen Drohkulisse“, die jene einschüchtere, die sich für Staat und Gemeinwohl einsetzten.
„Die Ermittlungen haben für Frust und Unverständnis gesorgt“, sagt der evangelische Pfarrer Ulrich Gampert (Immenstadt). Auch er hofft auf eine verbindliche Regelung. Die sei sicherlich kein Freibrief. „Kirchenasyl ist für alle Beteiligten eine enorme Belastung“, betont er. Allein das sorge dafür, dass der Schutz in Gotteshäusern nur in wenigen Fällen zum Tragen komme.