Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Sikh will Turban statt Motorradhelm tragen
Konvertit aus Konstanz klagt vor dem Verwaltungsgerichtshof – Richter hegen Zweifel
MANNHEIM/KONSTANZ (dpa) Darf ein Sikh-Anhänger mit Turban statt Helm Motorrad fahren? Darauf besteht der Mann aus religiösen Gründen und klagt vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) BadenWürttemberg gegen die Stadt Konstanz. Ein Urteil der Mannheimer Richter wird erst in einigen Wochen erwartet.
Bei der mündlichen Verhandlung meldete der Vorsitzende Richter Zweifel an der Argumentation des Konvertiten an. Die Glaubensfreiheit sei nicht stärker zu gewichten als die psychische Unversehrtheit anderer Unfallgegner. Denn bei einem Unfall gehe es nicht nur um mögliche Verletzungen des Motorradfahrers, sondern auch um ein mögliches Trauma bei anderen Beteiligten. Es liege deswegen ein kollidierendes Verfassungsrecht vor.
Alternativen zum Motorrad
Zugleich äußerten die Richter Zweifel, ob die Konstanzer Straßenverkehrsbehörde ihre Ermessensspielräume bei ähnlichen Entscheidungen korrekt ausgeübt hat. Diese hat in zwei Fällen in den Jahren 2011 und 2015 einer Helmpflichtbefreiung aus gesundheitlichen Gründen zugestimmt. Die Vorgänge wurden im Nachhinein von der Behörde selbst kritisiert; man würde aus heutiger Sicht anders urteilen.
Der Kläger argumentiert, er fahre täglich mit dem Motorrad und sei darauf angewiesen. Die Stadt widerspricht: Die Fahrten machten nur einen kleinen Teil des Alltags aus. Zudem könnte der Mann andere Verkehrsmittel nutzen. Er hat auch einen Autoführerschein.
Der Mann war 2005 der Religion der Sikhs beigetreten, die ihm das dauernde Tragen eines Turbans vorschreibt. 2012 verpflichtete er sich nach eigener Aussage zum Leben nach diesen Regeln. Deshalb beantragte er 2013, keinen Helm nutzen zu müssen. Die Stadtverwaltung lehnte das jedoch ab.
Niederlage in erster Instanz
Im Jahr 2015 beschäftigte sich bereits das Verwaltungsgericht Freiburg mit dem Fall. Die Richter gaben der Stadt recht, weil die Ablehnung des Antrags nicht das Grundrecht auf Religionsfreiheit verletze.
Zwar leisteten Sikhs bei ihrer Taufe den Eid, sich bis zum Lebensende die Haare nicht zu schneiden, sie zu bedecken und mit einem Turban zu schmücken, erkannten die Freiburger Richter damals an. Das Tragen eines Helmes zwinge den Kläger jedoch weder zum Schneiden der Haare noch zu ihrer Entblößung in der Öffentlichkeit.
Der Mann legte gegen das Urteil Berufung ein. Sein Fall landete nun vor dem höchsten baden-württembergischen Verwaltungsgericht in Mannheim. Eine Entscheidung wird innerhalb der nächsten vier Wochen erwartet.