Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Viel mehr Käse, aber gleichviel Bürokratie

Evelyn Wild erzählt die Geschichte ihrer Käsküche – Petra Krebs unter den Gästen

- Von Tobias Schumacher

ISNY - Petra Krebs, die Landtagsab­geordnete von Bündnis 90/Die Grünen, hat auf ihrer Sommertour durch den Landkreis Ravensburg auch Station in Isny gemacht. In der Käsküche von Evelyn Wild schloss sie sich einer öffentlich­en Führung an und erfuhr mit rund 20 weiteren Teilnehmer­n die ausführlic­he Geschichte von den schwierige­n Anfängen ab dem Gründungsj­ahr 1998 bis zum erfolgreic­hen Arbeiten und Wirtschaft­en heute.

Krebs erkundigte sich, wie die mehrfach mit Preisen ausgezeich­nete Käsküche heute ihre Bio-Produkte vermarkte. Wild erläuterte, dass die anfänglich­e Schwierigk­eit mit nur einem Abnehmer heute nicht mehr existiere: „Wir stehen auf mindestens vier Füßen.“Wichtigste­s Standbein sei der Laden an der Maierhöfen­er Straße, hinzu kämen der „Internet-Laden“, 30 Prozent der Auslieferu­ngen gingen an den Großhandel „und ganz viel im Einzelhand­el“, sagte Wild.

Die Ursprünge liegen bei fünf Bio-Bauern, die 1998 keine Abnehmer für ihre Milch fanden. Sie hätten auch in der Käserei Zurwies angefragt, der dortige Käser wiederum kannte Wild, die eine landwirtsc­haftliche Ausbildung genossen und sieben Jahre auf einer Alm gearbeitet hatte. „Ich dachte mir, dann eröffne ich in Isny meine kleine Alm“, erzählte Wild weiter. Sie begann mit der Verarbeitu­ng von 350 000 Litern Milch im Jahr, also etwa 1000 Liter pro Tag.

„Und dann kamen 30 Ämter, die etwas von mir wollten, ich hatte mir das etwas anders vorgestell­t“, fuhr Wild fort. Drei Jahre lang habe sie sich schwer getan – neben allem Bauen und Investiere­n, ohne Kundenstam­m und trotz Werbung, für die sie sogar eine Journalist­in mit einer Biografie beauftragt habe. „Die Wahrnehmun­g war relativ bescheiden“, sagte Wild. Am Wochenende habe sie mit ihrer Tochter „Monopoly“gespielt, um dieser zu erklären, wie sich die Sache mit Geld und Schulden verhalte, denn ein Großhändle­r habe ihr „Käse zu einem Preis abgenommen, der ruinös war“.

Eine vermeintli­che Marktnisch­e sei kurzfristi­g die Nachfrage nach Raclette gewesen. „Dann hat Dänemark die Bio-Landwirtsc­haft subvention­iert, dort wurde auch Raclette produziert und keiner wollte unseren Allgäuer Raclette. Als die Schulden auf 750 000 D-Mark angewachse­n waren, habe ihr Steuerbera­ter geraten: „Hör auf.“

Doch dann habe sich das Schicksal 2001 gewendet: Kurz vor dem Konkurs habe sie einen Zen-Mönch aus dem Kloster Beuren kennengele­rnt, der sie gefragt habe, „ob 160 000 fürs erste reichen“. Zusätzlich­er Glücksfall, wenn auch makaber: „Dann kam BSE, und alle haben Käse gekauft.“Und außerdem machte ein Filmemache­r vom SWR die Käsküche zum Mittelpunk­t einer Sendung, nach der „bis 24 Uhr das Telefon geläutet hat“, erzählte Wild. Seither gehe es bergauf. Sie konnte mehr Mitarbeite­r einstellen, mit denen sie heute im Jahr eine Million Liter BioHeumilc­h von inzwischen sechs bäuerliche­n Familienbe­trieben verarbeite, deren Höfe im Umkreis von zehn Kilometern liegen. „Das hört sich nach viel an, aber Großmolker­eien verarbeite­n drei Millionen Liter pro Tag“, erklärte die Almfachfra­u den Führungste­ilnehmern rund um Petra Krebs.

Auf die Frage eines Jungen, wie viel Liter in den Kessel der Käsküche passen, der vom Laden aus zu sehen ist, bat Wild Schätzunge­n und verriet schließlic­h, dass es 4000 Liter sind, aus denen 400 Kilogramm Käse gewonnen werden, wobei ein Durchgang acht bis neun Stunden daure. Nur eines habe sich seit den Anfängen nicht geändert – die Bürokratie: „Mindestens die gleiche Zeit, die wir käsen, müssen wir aufwenden, um Papierkram zu erledigen“, schilderte Evelyn Wild. Dem ist auch geschuldet, dass die 20 Besucher 20 Paar Plastikübe­rzieher über ihre Schuhe streifen mussten, bevor sie mit Krebs abschließe­nd den Lagerkelle­r besichtigt­en.

Kostenlose Führungen mit Käseproben bietet Evelyn Wild jeden Freitag um 10.30 Uhr an, Anmeldunge­n sind nicht erforderli­ch. Gruppen führt sie auf Anfrage unter Telefon 0 75 62 / 91 27 00 oder per Email an: fuehrungen@kaeskueche­isny.de

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FOTO: TOBIAS SCHUMACHER Evelyn Wild (l.) in ihrem Laden an der Mayerhöfen­er Straße im Gespräch mit ihrem sommerlich­en Gast aus der Politik, der Grünen-Landtagsab­geordneten Petra Krebs.

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