Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Der Unersetzliche
Basketball-Nationalspieler Dennis Schröder polarisiert
TEL AVIV (dpa/SID) - Den malerischen Blick aufs Mittelmeer vom Balkon des Fünf-Sterne-Hotels durfte Dennis Schröder nach der Ankunft in Tel Aviv nur kurz genießen. Als erste Mannschaft starteten die deutschen Basketballer am Dienstagmittag ihr Vor-Ort-Training für die am Donnerstag beginnende EM – als letzter Spieler warf der NBAJungstar noch lange nach Schluss der zweistündigen Einheit im schwarzen T-Shirt Distanzwürfe.
Nach dem Ende der Ära Nowitzki in der Nationalmannschaft trägt der 23-jährige Point Guard der Atlanta Hawks die Hauptlast der Hoffnungen auf eine erfolgreiche Europameisterschaft. „Die Stimmung ist hervorragend, alle sind zusammen. Wir unternehmen viel außerhalb des Feldes, für die EM ist es sehr wichtig, so eine Bindung aufzubauen“, sagte Schröder vor der ersten Partie gegen die Ukraine, „es läuft auf jeden Fall besser als vor zwei Jahren.“Damals war das deutsche Team mit Nowitzki und Schröder in Berlin schon in der Vorrunde gescheitert.
Dies soll mit Schröder als unumstrittenem Chef nun anders werden. „Alle sind zehn, zwanzig Prozent besser, wenn er das Spielfeld betritt“, lobte Bundestrainer Chris Fleming seinen Aufbauspieler.
Auch für Nowitzki ist Schröder die „Zukunft des deutschen Basketballs“– die häufig formulierten Vergleiche mit dem aus dem Nationalteam zurückgetretenen Superstar nerven Schröder jedoch. „Dirk ist Dirk und ich bin ich“, erwidert er stets, formuliert seinen Anspruch aber offensiv: „Unsere Rolle ist anders. Ich bin Point Guard – und will das Team führen.“
Zuletzt forderte er öffentlich mehr Unterstützung, auch vom Deutschen Basketball Bund (DBB), und drohte mit seinem Rücktrit. Die zum Teil heftige Kritik an seiner Spielweise gefiel ihm ganz und gar nicht. Als ihn in der EM-Vorbereitung beim Supercup in Hamburg ein Zuschauer unablässig beschimpfte, hörte Schröder nicht etwa weg, sondern keifte zurück, traf im nächsten Angriff seinen Dreier, zeigte auf den pöbelnden Fan und legte den Finger auf die Lippen. „Das ist halt Deutschland“, sagte Schröder resigniert. Nicht jeder mag seine großspurige Art. So feierte er sich zuletzt erst wieder dafür, dass er künftig in Atlanta groß abkassiert. „Mein neuer 70-Millionen-Vertrag klickt am 15. November ein. Dann legt der Big Boy los“, sagte er der „Welt am Sonntag“.
Schröder, unbestritten das größte deutsche Talent seit Nowitzki, polarisiert. Sportlich ist er über jeden Zweifel erhaben. Seine Schnelligkeit, sein Spielwitz, seine Energie und seine Erfahrung, auch mit 23, ist für das deutsche Team die Grundlage für ein erfolgreiches Turnier. Allein der Gedanke an eine Verletzung Schröders dürfte Chris Fleming den Schweiß auf die Stirn treiben. Der Big Boy ist unersetzlich.