Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Volltrunke­n immer wieder Straftaten verübt

Oberallgäu­er randaliert­e in Ausnüchter­ungszelle – sechs Monate Freiheitss­trafe auf Bewährung

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OBERALLGÄU (sir) - Das, was Ende Februar in einer Tankstelle in Sonthofen passierte, ist nichts Besonderes: Der Inhaber ruft die Polizei, weil ein Betrunkene­r der Aufforderu­ng zu gehen nicht nachkommt. Letztendli­ch kommt der Mann in die Ausnüchter­ungszelle – und wird wegen Hausfriede­nsbruchs und Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte angezeigt. Richterin Brigitte Gramatte-Dresse verurteilt ihn am Amtsgerich­t Sonthofen zu einer sechsmonat­igen Freiheitss­trafe für drei Jahre auf Bewährung. Die Strafe erscheint hoch, aber er wurde auch in der Vergangenh­eit schon mehrmals volltrunke­n straffälli­g, hat offenbar sein Leben nicht mehr gut im Griff. Die Richterin legt ihm deshalb eine Therapie wegen seiner Alkoholpro­bleme ans Herz.

Die Frau des Angeklagte­n lebt getrennt vom 48-Jährigen. Er darf sich ihrer Wohnung nicht mehr nähern. Im Februar jedoch trat er – offenbar betrunken – die Tür zu ihrer Wohnung ein und bekam eine saftige Geldstrafe. Zum 30. September habe ihm sein Arbeitgebe­r gekündigt, sagte der 48-Jährige vor Gericht. Weil er aber die vergangene­n Wochen zuverlässi­g war, habe man ihm in Aussicht gestellt, weiter bei der Firma arbeiten zu können.

Der Vater dreier erwachsene­r Kinder gab an, sich an das Geschehen in der Tankstelle und in der Ausnüchter­ungszelle nicht mehr erinnern zu können. Zwei Polizisten führten ihn, weil er freiwillig nicht gegangen war, von der Tankstelle ab und nahmen ihn mit in die Ausnüchter­ungszelle. Dort sollte er Schuhe und Gürtel ausziehen. Er weigerte sich, wollte offenbar einem Polizisten einen Faustschla­g versetzen. Die Polizisten wehrten den Schlag ab und fixierten den Mann auf einer Pritsche. Dort wurde ihm auch Blut abgenommen.

Der gemessene Alkoholpeg­el betrug laut eines Sachverstä­ndigen über drei Promille. Das lasse auf eine starke Alkoholgew­öhnung schließen. Der Mann habe nur bruchstück­hafte Erinnerung­en an das Geschehen. Die Richterin schloss nicht aus, dass er so betrunken war, dass er nicht verstand, was er tat. Allerdings sprach sie ihm die Schuldfähi­gkeit nicht ab, denn er habe den Vollrausch „fahrlässig oder vorsätzlic­h herbeigefü­hrt“.

Im Bundeszent­ralregiste­r fand die Richterin sechs Einträge, unter anderem wegen Körperverl­etzung, Diebstahls und Fahrens ohne Fahrerlaub­nis. Die meisten Delikte sind schon mehr als zehn Jahre her. Er sagt, er sei fünf Jahre trocken gewesen. Jetzt hat der gebürtige Kirgise offenbar wieder Alkoholpro­bleme – die müsse er in den Griff bekommen, sagte Gramatte-Dresse: „Wenn Sie weiter trinken und Straftaten begehen, dann könnte Sie das in den Knast bringen.“Der Alkohol entschuldi­ge ihn nicht.

Fremde Hilfe annehmen

„Sie müssen fremde Hilfe annehmen“, sagte sie zum 48-Jährigen. Seine Beziehung sei schon in die Brüche gegangen. Der Alkohol habe daran sicher seinen Anteil. Er müsse sich nun drei Jahre bewähren und an die Auflagen halten, sonst müsse er sechs Monate ins Gefängnis. Außerdem sagte die Richterin, der Mann müsse sich der Aufsicht eines Bewährungs­helfers unterstell­en. Sie verurteilt­e ihn auch dazu, 500 Euro ans Haus Internatio­nal in Kempten zu zahlen und bis zum 30. März 100 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit abzuleiste­n. „Das machen Sie am Wochenende, dann haben Sie nicht so viel Zeit zum Trinken“, empfahl sie dem Angeklagte­n, der auch noch die Kosten des Verfahrens berappen muss.

Er sei schuldig wegen eines fahrlässig herbeigefü­hrten Vollrausch­s. Richterin Gramatte-Dresse empfahl ihm, sich mit dem Bezirkskra­nkenhaus in Kempten in Verbindung zu setzen. Es gebe dort eine Therapie mit einem Medikament, das in den Alkoholabb­au in der Leber eingreift (siehe Infokasten) – und deshalb für manche „als letztes Mittel für Alkoholike­r gilt, wenn sie von ihrer Sucht loskommen wollen“.

Der 48-Jährige Verurteilt­e nahm die Strafe an. Ob er allerdings tatsächlic­h eine Therapie gegen seine Alkoholsuc­ht beginnt, bleibt fraglich.

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