Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Versöhnungsappell in einem geschundenen Land
Papst Franziskus trifft auf dem Höhepunkt seiner Reise in Kolumbien Opfer des Bürgerkriegs
VILLAVICENCIO - Der Papst war bewegt, als er hörte, was Pastora Mira García zu berichten hat. Die Frau ist 61 Jahre alt und hat viele Schicksalsschläge erlitten. Als sie sechs Jahre alt war, wurde ihr Vater wegen seiner politischen Gesinnung ermordet. Später töteten rechte Todesschwadronen zwei ihrer Kinder. Als wäre das nicht genug, verlor sie auch noch ihren ersten Mann durch die Gewalt, die sich wie ein blutiger Faden durch die Geschichte Kolumbiens zieht.
Nun steht Pastora Mira García in Villavicencio in der kolumbianischen Provinz auf einer Bühne. Nur wenige Meter neben ihr sitzt das Oberhaupt der katholischen Kirche und hört, so wirkt es, ungläubig dem Horror zu, der so typisch ist für das geschundene südamerikanische Land. Das Treffen mit den Opfern der Gewalt ist der Höhepunkt des fünftägigen Mammuttrips von Papst Franziskus durch vier Städte. Es ist der dritte Tag der Reise, die eine klare Botschaft hat: Vergeben und Versöhnen. Bei dem Auftritt in Villavicencio erzählen vier Opfer des bewaffneten Konflikts ihre Geschichte: Eine Frau hat durch eine Anti-Personen-Mine Teile ihre Beins verloren, ein Zwangsrekrutierter der FarcGuerilla hat im Krieg seine Hand eingebüßt, eine junge Frau war bei den Paramilitärs und hat den Weg heraus geschafft. Aufstehen, vergeben, weitermachen und an den Schicksalsschlägen wachsen. Es ist genau die Botschaft, die Franziskus in einem der wichtigsten Momente der Geschichte des Landes mit nach Kolumbien gebracht hat.
Die Wunden heilen langsam
Der 53 Jahre dauernde Bürgerkrieg hat das Leben der Menschen verändert. 250 000 Tote, 100 000 Verschwundene, sieben Millionen Vertriebene hat der längste innere Konflikt Lateinamerikas gefordert. Es wird Generationen dauern, bis diese Wunden verheilen. Man kann das gut daran sehen, wie schwer es den Menschen im drittgrößten Land Südamerikas fällt, den Friedensvertrag mit den „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens“(Farc), der ältesten und größten Guerilla der Welt, zu akzeptieren.
Dass ein Vertrag keine Wunden heilt, weiß auch Papst Franziskus. Dennoch ruft er die Menschen dazu auf, ihren Frieden zu machen. „Der Hass darf nicht das letzte Wort haben“, sagt Franziskus im vielleicht berührendsten Moment der PapstReise. Aber für noch allzu viele Menschen in Kolumbien klingt Versöhnung nach Ungerechtigkeit und Straflosigkeit. Es sind all diejenigen, denen Rechtsaußen und Ex-Präsident Álvaro Uribe eine Stimme gibt. Das hat Franziskus sehr wohl verstanden. Versöhnen bedeute nicht, „individuelle oder strukturelle Ungerechtigkeiten zu legitimieren“, betonte er.
Die Farc, die seit Kurzem eine politische Partei ist, geht den ersten Schritt. Ihr Führer Rodrigo Londoño, der einst den Kriegsnamen „Timochenko“trug, bat in einem offenen Brief an Franziskus um Verzeihung für „jede Träne oder jeden Schmerz“, den wir dem kolumbianischen Volk zugefügt haben.