Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Macht und Pracht“locken die Massen
Besucheransturm auf Schloss Zeil am Tag des offenen Denkmals
LEUTKIRCH - Dieser Ansturm hat alle überrascht: Weit mehr als 100 Besucher strömten am Sonntagnachmittag nach Schloss Zeil zur Führung in der Pfarrkirche und rund um das Fürstliche Renaissancegebäude. Dazu eingeladen hatte die Heimatpflege Leutkirch im Rahmen des Tags des offenen Denkmals, doch auch Heimatpflege-Vorsitzender Michael Waizenegger räumte ein: „Mit dieser Masse hätte ich nicht gerechnet!“Zumal das Schloss selbst bekanntermaßen nicht besichtigt werden kann, da es bewohnt ist.
Dennoch: „Macht und Pracht“, so das Motto des bundesweiten Tags des offenen Denkmals 2017, interessieren, ja faszinieren ganz offensichtlich. Architektur, Baukunst und bildnerische Ausgestaltung spiegeln schließlich seit jeher die enge Verbindung zwischen dem Wunsch nach Schönheit, Wohlstand und weltlichen wie religiösen Machtansprüchen wider. Und wenn „Macht und Pracht“direkt vor der Haustüre zu finden sind, umso besser.
Voll besetzte Kirche
Günther Falter, Ortsvorsteher von Reichenhofen und mit Schloss Zeil seit Langem eng verbunden, stellte sich der stimmlichen Herausforderung und führte die schier endlose Besucherschlange eineinhalb Stunden lang durch den Park und die Innenhöfe der Zeiler Schlossanlage.
In der voll besetzten Kirche („der Pfarrer hätte seine Freude“) gab er zu Beginn einen Überblick über die künstlerische Ausgestaltung des 1612 geweihten und immer wieder modernisierten Gotteshauses. In der verglasten Fürstenloge wohnt die fürstliche Familie noch heute dem Gottesdienst bei, Deckengemälde symbolisieren das Zusammenwirken von Kirche und Staat, die besten Künstler ihrer Zeit wurden für die Arbeiten verpflichtet.
Auf Kirche und Stift (ein Hauskloster) folgte der Bau des heutigen Renaissanceschlosses. Truchsess Froben von Waldburg hatte es zwischen 1599 und 1614 anstelle einer mittelalterlichen Burg errichten lassen, hoch droben auf einem Bergsporn, mit weitem Blick bis in die Alpen. Repräsentativ sollte es sein, dem Stil von Schloss Wolfegg nachempfunden, und Rang und Wohlstand der Familie sichtbar machen. Ganz fertig wurde es erst 1888, um 1960 begann der 2015 verstorbene Fürst Georg mit einer umfassenden Restaurierung.
Überreste der alten Burg sind noch heute vorhanden, im Bereich der ehemaligen Gärtnerei, wie auf dem anschließenden Rundgang zu entdecken war. Günther Falter hatte dabei nicht nur Interessantes über bauliche Veränderungen und die Ausgestaltung des Schlosses selbst parat („eine Schatztruhe voller Kunstwerke und Jagdtrophäen“), sondern auch zur gesamten Anlage. Etwa, dass sich „das gesamte wirtschaftliche Leben“einst im Unteren Hof, dem sogenannten Wirtschaftshof, abspielte. Dass eine Reittreppe von dort aus bis in den zweiten Stock des Schlosses führte, dass die Gärtnerei die Bewohner komplett versorgte oder dass der heutige „Grüne Baum“schon seit 1611 als Hofwirtschaft bestand. Mehr noch: Fürstliche Hofapotheke, Krämerladen, Kindergarten und Schule: „Bis zum Zweiten Weltkrieg war Schloß Zeil eine völlig autarke Gemeinde“, blickte Falter zurück. Ordensschwestern versorgten die Kranken kostenlos – „bezahlt hat sie das fürstliche Haus“. Adel verpflichtet, heißt es – über „Macht und Pracht“hinaus.