Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wahlen nur alle fünf Jahre
Einigkeit in Sachen Verlängerung der Legislaturperiode
BERLIN (dpa/AFP) - Fünf Jahre statt nur vier: Die im Bundestag vertretenen Fraktionen haben sich für eine Verlängerung der Legislaturperiode ausgesprochen. Dies könnte vom Jahr 2021 an gelten. Linke und Grüne verknüpften den Vorstoß mit der Forderung nach Einführung direkter Demokratie-Instrumente wie Volksentscheide.
Der Fraktionsgeschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer (CDU), sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die meisten Landtage und das Europäische Parlament würden für fünf Jahre gewählt. Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sprach sich für eine Verlängerung aus. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte: „Das würde der Komplexität vieler Gesetze gerecht, und es wären sinnvolle Nachsteuerungen noch vor der nächsten Wahl möglich.“Bisher haben 15 Landesparlamente eine Fünf-Jahres-Periode.
BERLIN - In Deutschland werde zu oft gewählt, sagen manche Experten und Politiker. Sie kritisieren, dass dem Bundestag zu wenig Zeit bleibe, um große Reformen auf den Weg zu bringen und die immer komplexere Arbeit zu erledigen. So vergingen nach einer Wahl erst einmal Monate, bis der Bundestag und die Bundesregierung überhaupt arbeitsfähig seien. Und unmittelbar vor der nächsten Wahl werde in Wahlkampfzeiten vom Parlament nichts mehr auf den Weg gebracht, so die Begründung.
Auch der scheidende Bundestagspräsident Norbert Lammert war in der Vergangenheit nicht müde geworden, für eine Verlängerung der Wahlperiode des Parlaments zu werben. Jetzt scheint es plötzlich eine ganz große Koalition zu geben, die diese Idee in der Praxis umsetzen will. Zumindest die führenden Vertreter der Bundestagsfraktionen sprachen sich am Donnerstag dafür aus: Fünf Jahre statt wie bisher vier Jahre solle eine Legislaturperiode in Zukunft dauern, fordern sie.
Nach der Bundestagswahl am 24. September könnte darüber beraten und entschieden werden. Sollte es eine Mehrheit im Parlament dafür geben, würde der nächste Bundestag womöglich bereits für fünf Jahre gewählt. Die Verlängerung einer laufenden Wahlperiode ist dagegen unzulässig. Verfassungsrechtler sehen darin eine Selbstermächtigung des Parlaments, die nicht vom Grundgesetz gedeckt ist.
Wahlkampf und Koalitionsverhandlungen, immer komplexere Gesetzgebungsverfahren – die Befürworter einer längeren Wahlperiode erhoffen sich mehr Zeit für die parlamentarische Arbeit und verweisen darauf, dass auch 15 der 16 Landtage sowie das Europaparlament für fünf Jahre gewählt werden. „Das würde der Komplexität vieler Gesetze gerecht, und es wären sinnvolle Nachsteuerungen noch vor der nächsten Wahl möglich“, wirbt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.
Vor der Wahl erfordere der Wahlkampf Zeit, und nach der Wahl werde viel Zeit für Koalitionsverhandlungen benötigt, erklärte Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU). Offen zeigt man sich auch bei der Opposition. Nach Einschätzung des FDP-Vizevorsitzenden Wolfgang Kubicki gibt es in seiner Partei mehr Unterstützer als Gegner des Vorhabens. Auch die AfD-Spitzenkandidaten können dem Vorschlag etwas abgewinnen. „Fünf Jahre als Legislaturperiode ist in vielen Ländern üblich und hat sich dort durchaus bewährt“, sagte Alice Weidel. Auch ihr Kollege Alexander Gauland ist dafür: „Denn das böte mehr Kontinuität.“Die AfD fordert in ihrem Programm für die Bundestagswahl, das Volk solle „die Möglichkeit erhalten, eigene Gesetzesinitiativen einzubringen und per Volksabstimmung zu beschließen“.
Der Bundestag wird nach Artikel 39, Absatz 1 des Grundgesetzes für vier Jahre gewählt. Für eine Verlängerung der Wahlperiode wäre eine Verfassungsänderung notwendig, dafür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit von Bundestag und Bundesrat erforderlich. Dies ist eine hohe Hürde.
Teilentmündigung der Wähler
Einige Experten sehen den Vorstoß kritisch: „Das wäre eine Teilentmündigung des Souveräns, des Wählers“, kritisierte Parteienforscher Jürgen W. Falter im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Das ist eine gravierende Einschränkung demokratischer Mitwirkungsrechte der Wählerinnen und Wähler“, sagte der Parteienforscher der Universität Mainz. „Den Parteien und Abgeordneten käme das wunderbar zu Pass. Auch die Regierung wäre ein Jahr länger im Amt“, erklärte er.
Gesetze und Reformen, die man nicht nach vier Jahren verabschiedet habe, bringe man auch im fünften Jahr nicht mehr auf den Weg, argumentiert Falter gegen die vorgeschlagene Verlängerung der Legislatur. „Die Argumente für eine Verlängerung der Wahlperiode überzeugen mich nicht“, sagte er.
Eine längere Wahlperiode müsse kompensiert und mit stärkeren plebiszitären Elementen verknüpft werden, forderte der Parteienforscher. Es müssten gleichzeitig Volksbegehren und Volksabstimmungen eingeführt werden. Mehr Zeit für den Bundestag? Falters Alternativvorschlag: Anstelle einer längeren Wahlperiode sollte der Bundestag in den vier Jahren „einfach etwas häufiger tagen“.