Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Immer und überall: Ablenkung ist enorm
RAVENSBURG - 3214 Verkehrstote hat es im vergangenen Jahr allein in Deutschland gegeben (Quelle: Statista) – mehr als jeder Zehnte Verkehrstote ist auf Unachtsamkeit und Ablenkung am Steuer zurückzuführen, behauptet der ADAC. Inzwischen fordert Ablenkung am Steuer durch technische Geräte mehr Verkehrstote als Alkohol am Steuer – eine erschreckende Kehrseite der raschen technischen Entwicklung mobiler Endgeräte als auch der Innenausstattung eines durchschnittlichen Autos.
Aber nicht nur Bordcomputer, Navigationsgeräte, Tablets oder Smartphones bergen ein enormes Ablenkungspotenzial. Essen, trinken, rauchen, aber auch der besorgte, allwissende „Fahrlehrer“auf dem Beifahrersitz, das schreiende Baby, der quengelnde Nachwuchs auf dem Rücksitz und leuchtende Reklametafeln lassen sicheres Fahren sehr schnell zur Nebensache werden. Genau ab dem Zeitpunkt, in dem das Fahren zur Nebensache wird, beginnt die Gefährdung der eigenen Sicherheit und die der anderen stetig zu steigen. Dennoch hält dies laut Umfragen nahezu jeden zweiten Autofahrer nicht davon ab, trotzdem regelmäßig das Handy beim Fahren zu zücken.
Statt sich vollkommen auf den Akt des Fahrens zu konzentrieren und bestenfalls mit der Unachtsamkeit anderer zu rechnen, werden das eigene Leben und das anderer aufs Spiel gesetzt – leider meist unwissentlich. Klar ist, dass sich fast jeder Autofahrer sicher am Steuer fühlt. Klar ist wohl auch, dass das Autofahren für fast jeden zur Routine wurde. Genau diese Tatsache kann zum Verhängnis werden. Autofahrten werden optimiert. Sie werden genutzt für private oder geschäftliche Telefonate; Navigationsgeräte werden nicht mehr vor, sondern während der Fahrt bedient und die passende Musik schon lange parallel zur Autofahrt gesucht.
Man hört allzu oft, „ein erfahrener Autofahrer könne das schon“. Aber genau das kann er nicht, wie längst zahlreiche Tests des ADAC bestätigt haben. Eine Sekunde „Blindflug“– Blick weg von der Straße – bedeuten im Stadtverkehr fast 14, auf der Autobahn mindestens 36 höchst gefährliche Meter. Zuzüglich der menschlichen Reaktionszeit sind schwere bis tödliche Unfälle im Ernstfall unvermeidbar. Und all dies wegen einer einzigen WhatsApp-Nachricht oder um in der eigenen Playlist weiter zu zappen?
Wer ehrlich zu sich selbst ist, weiß, dass genügend Zeit bleibt, um konzentriert zu fahren und danach persönliche Angelegenheiten zu regeln. Andernfalls könnte einem die Ankunft am Zielort mit dem Auto verwehrt bleiben. Ablenkung ist nicht vermeidbar, aber deutlich minimierbar. Zum Beispiel, indem der Fahrer das Navigationsgerät zuvor programmiert und alles Unnötige mit Ablenkungspotenzial außerhalb der Reichweite des Fahrersitzes verstaut. Sicherheit sollte immer einer optimierten Zeitausbeute übergeordnet werden. Kein Mann – und auch keine Frau – kann mehrere Dinge gleichzeitig gut erledigen.