Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Die Spekulationen der Schlecker-Kinder
Angestellte des Landeskriminalamts legt Erkenntnisse zu Geldflüssen vor der Pleite dar
STUTTGART - Im Prozess um die Insolvenz der Drogeriemarkt-Kette ging es am Montag in Stuttgart um die Frage, wie es im Januar 2012 um die Schlecker-Tochter LDG stand. Aus ihren Kassen hatten sich die Schlecker-Sprösslinge Meike und Lars sieben Millionen Euro überwiesen – obwohl sie von der Lage des Gesamtkonzerns wussten.
Als LDG-Gesellschafter durften sich die beiden durchaus Geld ausschütten, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Wer diese verletzt, macht sich strafbar. Dazu gehört, dass ein Unternehmen nicht existenziell bedroht sein darf und dass das Stammkapital durch die Ausschüttung nicht angetastet wird.
Daher sollte am Montag eine Sachbearbeiterin des Landeskriminalamtes erläutern, wie es nach Erkenntnis der Ermittler im Januar 2012 um die LDG stand. Nicht sehr gut, so ihr Fazit. Die Schlecker-Tochter, deren Gesellschafter Lars und Meike waren, hatte nur einen einzigen Kunden – die DrogeriemarktKette der Familie. Immer wieder hatten Wirtschaftsprüfer seit 2008 betont, dass das Wohl und Wehe der LDG an der großen Mutter hing.
Zweieinhalb Jahre lang hatten sich Meike und Lars zuvor Gewinne aus der LDG und einer weiteren Tochter BDG ausbezahlen lassen. Mehr als 41,8 Millionen Euro sollen es laut der Ermittlungen gewesen sein.
Das war solange unbedenklich, wie Gewinne anfielen. Doch im Januar 2012 war die Lage nach Sicht der Ermittler eine völlig andere. Nach Darstellung der LKA-Angestellten konnte die LDG bereits zu Jahresbeginn 2012 laufenden Zahlungsverpflichtungen nur schwer nachkommen. Man wartete auf Rückzahlungen des Finanzamtes, doch auf den Konten waren bereits zum Jahresbeginn nur noch rund 3000 Euro.
2,56 Millionen Euro pro Kopf
Erlöse wurden von Personalkosten erheblich geschmälert. Daran habe sich bis zu jenem 20. Januar nichts Entscheidendes geändert. Im Gegenteil: Meike und Lars wussten wohl, dass ihr einziger Kunde, nämlich die Drogeriemarkt-Kette in die Insolvenz gehen wollte.
Denn: Am Montag, 23. Januar 2012, stellte Anton Schlecker seinen Insolvenzantrag. Am Freitag vorher, dem 20. Januar, besuchte seie Tochter Meike einen LDG-Manager der LDG daheim. Der war krank. Doch es eilte, denn Meike Schlecker berichtete von den Insolvenzplänen der Drogeriemärkte. Noch am selben Tag ließen sich Lars und Meike jeweils 2,56 Millionen Euro aus der LDG-Kasse ausschütten. Zusammen mit den Steuern in Höhe von 1,8 Millionen Euro waren das sieben Millionen Euro.
Die Bilanz der LKA-Finanzprüferin lautete daher in einem Vermerk: „Die Vorab-Ausschüttung erfüllt Tatbestand des existenzvernichtenden Eingriffs.“Dies ist strafbar. Denn obwohl die Schlecker-Kinder von der drohenden Pleite wussten, die auch die LDG gefährdete, beschlossen sie, „aus dem zu erwartenden Bilanzgewinn vorab als Gewinnanteil eine Ausschüttung“vorzunehmen. Doch Gewinne waren längst nicht mehr in Sicht.
Die Anwälte der Geschwister argumentieren, Lars und Meike hätten zurecht anstehende Steuerrückerstattungen mit ins LDG-Vermögen eingerechnet. Diese beliefen sich auf rund 1,5 Millionen Euro. Allerdings kam der Bescheid mit der exakten Summe erst 2013. Denncoh, so die Verteidigung, hätten die Schleckers wissen können, mit wie viel Geld vom Finanzamt zu rechnen sei. Die Ermittler halten dagegen: Rückerstattungen dürfe man erst dann einplanen, wenn der entsprechende Bescheid vorliege.
Bemerkenswert ist auch ein anderer Fakt: Dass sich Meike und Lars aus der klammen LDG überhaupt sieben Millionen Euro ausschütten konnten, verdankten sie einem Immobilienverkauf. Mehrere Logistikzentren des Konzerns in Österreich wurden verkauft. Das Geld floss auf Privatkonten von Anton Schlecker und von dort an die LDG. Zuvor hatte es laut Vermerken, die am Montag zitiert wurden, eine eindeutige Anweisung gegeben. Der Erlös solle in das Vermögen der Kinder fließen, ohne dass hohe Steuern anfielen.
Die umstrittene Ausschüttung am 20. Januar hielt später bekanntlich selbst der Insolvenzverwalter für so kritisch, dass die Familie auch deshalb rund zehn Millionen Euro aus ihren Privatkassen zurückzahlten. Als Schuldeingeständnis gilt das jedoch rechtlich nicht.
Sollten die Richter die Ausschüttung vom Januar 2012 als nicht gerechtfertigt ansehen, wirkt sich diese freiwillige Zahlung allenfalls strafmildernd aus. Von einer möglichen Strafe befreien würde sie die Schlecker-Geschwister nicht.