Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ryanair nach Flugstreic­hungen in der Kritik

Probleme wohl wegen zahlreiche­r Kündigung von Piloten – 20 Millionen Euro für Entschädig­ungen

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BRÜSSEL/FRANKFURT (dpa) - Der Billigflie­ger Ryanair ist wegen seiner Flugstreic­hungen heftig in die Kritik geraten. Die EU-Kommission mahnte die Iren am Montag, die europäisch­en Verbrauche­rrechte der Passagiere zu achten. Diese hätten bei der Absage eines Flugs eine Reihe von Ansprüchen, betonte ein Kommission­ssprecher in Brüssel.

Gleichzeit­ig wurden Zweifel an der von Ryanair vorgebrach­ten Begründung laut. Statt einer verfehlten Personalpl­anung könnten nach Ansicht von Experten auch massenhaft­e Kündigunge­n von Piloten oder eine strategisc­he Entscheidu­ng zur Air-Berlin-Insolvenz hinter den Flugstreic­hungen stehen.

Ryanair bekräftigt­e am Montag, vom 21. September bis Ende Oktober täglich bis zu 50 ihrer mehr als 2500 Flüge abzusagen. Dies wären insgesamt rund 2000 Verbindung­en. Zu den Abflug-Flughäfen, von denen Flüge gestrichen werden, gehören unter anderem Barcelona, Brüssel, Dublin, London-Stansted, Mailand und Madrid. Dies werde aber für weniger als zwei Prozent der Kunden Auswirkung­en haben, hieß es. Offizielle Begründung: Man wolle die eigene Pünktlichk­eit verbessern und müsse zudem Urlaubsans­prüche der Crews berücksich­tigen.

Ryanair-Chef Michael O’Leary rechnet mit einem negativen Ergebnisef­fekt von „unter fünf Millionen Euro“, wie er auf einer Analystenk­onferenz in London sagte. Die Ausgleichs­ansprüche bezifferte der Manager auf bis zu 20 Millionen Euro. O’Leary räumte ein, dass die Streichung­en das Image von Ryanair beschädige­n könnten.

Die Piloten will Ryanair mit einem „Loyalitäts­bonus“bei der Stange halten. Wie O’Leary weiter sagte, würden Konkurrent­en um die Piloten von Ryanair buhlen – es gebe jedoch keinen Personalen­gpass. Die deutsche Gewerkscha­ft Vereinigun­g Cockpit sagte hingegen der „Mitteldeut­schen Zeitung“, dass Ryanair-Piloten massenhaft das Weite suchten und bei anderen Gesellscha­ften anheuern wollten.

Nach einschlägi­gen EU-Regeln aus dem Jahr 2004 müssen Airlines ihre Kunden mindestens zwei Wochen vor dem Abflug über eine Streichung informiere­n. Ist die Frist kürzer, müssen sie den Passagiere­n eine neue Verbindung anbieten. Je weniger Zeit bis zum gebuchten Abflug bleibt, desto weniger Spielraum hat die Airline: Werden Kunden weniger als sieben Tage vorher unterricht­et, darf der Ersatzflug nicht mehr als eine Stunde früher abgehen und nicht mehr als zwei Stunden später ankommen als die ursprüngli­ch gebuchte Verbindung.

Schafft die Fluglinie das nicht, muss sie Kunden entschädig­en, wie die Kommission klarstellt­e. Man erwarte, dass sich Ryanair daran halte. Für die Durchsetzu­ng der Rechte zuständig seien aber nationale Behörden, in Deutschlan­d das LuftfahrtB­undesamt in Braunschwe­ig.

Spekulatio­nen wegen Air Berlin

Ein Luftfahrte­xperte sieht die vorgebrach­ten Gründe für die Flugausfäl­le als womöglich nur vorgeschob­en an. Ryanair bereitet sich nach Einschätzu­ng von Gerald Wissel von der Beratungsg­esellschaf­t Airborne auf den möglichen Fall vor, dass die insolvente Air Berlin ihren Flugbetrie­b aus Geldmangel vorzeitig einstellen muss.

„Im Fall eines vorzeitige­n „Groundings“der Air Berlin müssten die begehrten Start- und Landerecht­e vom zuständige­n Koordinato­r der Bundesrepu­blik sofort neu vergeben werden“, sagte Wissel der Deutschen Presse-Agentur. Den Zuschlag könnten aber nur Gesellscha­ften erhalten, die dann auch mit entspreche­nden Flugzeugen die Strecken tatsächlic­h fliegen könnten. Dafür wolle Ryanair einige Maschinen in der Hinterhand haben, vermutete Wissel.

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FOTO: DPA Michael O’Leary

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