Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der Schatz im Obersee

Stefan Kuhn verliert Geldbeutel im Strandbad Kißlegg – 25 Jahre später taucht er auf

- Von Jan Scharpenbe­rg

KISSLEGG - Es war im Sommer 1992, als Stefan Kuhn auf das Drei-MeterBrett im Kißlegger Strandbad stieg. 14 Jahre alt war er damals und dachte nicht an den Geldbeutel in der Tasche. Der ging bei dem Sprung ins kühle Nass alleine auf Tauchstati­on. „Ich selber konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, dass ich den Geldbeutel verloren hatte“, erzählt Kuhn, der heute als Fotograf arbeitet.

Szenenwech­sel in den Sommer 2017. „Dieses Jahr haben sich ein paar Jungs vorgenomme­n, den Bereich einmal abzutauche­n“, erzählt der leitende Bademeiste­r Darius Krzisch. Der Obersee ist an dieser Stelle beachtlich­e viereinhal­b Meter tief. Da seien dann ein paar interessan­te Sachen aufgetauch­t. Alte Sonnen- und Taucherbri­llen zum Beispiel. Und sensatione­llerweise zogen die Kinder auch das 25 Jahre alte Portemonna­ie von Stefan Kuhn aus dem Schlick.

Genauso erstaunlic­h wie der Fund selbst, war der Zustand des Inhalts. Eine Visitenkar­te vom Gasthaus Linde in Kißlegg wirkt völlig unbeschädi­gt. Die Münzen sind etwas angerostet. Zahlen kann man damit nicht mehr. Was aber allein daran liegt, dass es sich noch um D-Mark handelt.

Die zwei Passfotos von Stefan Kuhn sind nicht mehr in bestem Zustand, zu erkennen ist er darauf jedoch mit Leichtigke­it. „Auf denen sehe ich noch aus wie ein kleiner Junge“, sagt er selbst zu den Motiven aus der Tiefe. Selbstport­räts mit 25 Jahre natürliche­r Seereifung kann sicherlich auch nicht jeder Fotograf vorweisen. Das letzte Stück Inhalt hat besonders Bademeiste­r Krzisch gefreut: „Es war noch eine Bankkarte darin mit Ablaufdatu­m 1993. Das ist das Jahr, in dem ich selber im Strandbad angefangen habe.“Noch so ein besonderer Zufall in dieser Geschichte.

Seinen Geldbeutel bekam Stefan Kuhn dann wieder bei einem Besuch im Strandbad ausgehändi­gt. Von dem australisc­hen Bademeiste­r Matt George, der jüngst wieder die Heimreise Down Under angetreten hat. „Er redet nur gebrochen Deutsch, und als er zu mir kam, hat er nur gesagt: „Unglaublic­he Story, unglaublic­he Story!“Ich hab mir gedacht, was kommt jetzt? Dann gab er mir das Portemonna­ie und ich dachte auch nur: Das ist ja unglaublic­h“, berichtet Stefan Kuhn.

Die Finder des Geldbeutel­s selbst sind Stefan Kuhn bisher jedoch unbekannt. Trotz Aufruf im Kißlegger, dem Amtsblatt der Gemeinde, haben sie sich noch nicht bei ihm gemeldet. Es dürfte sich lohnen. „Die Kinder bekommen auf jeden Fall Finderlohn von mir. Auch keine D-Mark, sondern einen Pizza-Gutschein“, so Kuhn.

Eigentlich verliere er ansonsten nicht sehr häufig Dinge, sagt er. Ein weiterer Geldbeutel ist ihm jedoch 1998 abhanden gekommen. „Das war auf Bali. Da glaube ich allerdings nicht daran, dass ich den irgendwann mal wiedersehe.“Abwarten. 2023 wäre dann ein Vierteljah­rhundert Verlustzei­t für diesen Geldbeutel vorbei. Vielleicht taucht auch der dann wieder auf.

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