Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Zunder für Trumps Spiel mit dem Feuer
Mag die Welt noch besorgter nach der aggressiven Rhetorik von Donald Trump vor den Vereinten Nationen sein – Israels Premier Benjamin Netanjahu hat ihm höchsten Beifall gezollt. Niemals habe er in seinen 30 Jahren Erfahrung mit den UN „eine kühnere und mutigere Rede“gehört, begeisterte sich Netanjahu über den US-Präsidenten. Wetterte der doch nicht nur gegen Nordkorea und dessen Atomwaffenpotenzial, sondern auch gegen Iran, das in Trumps UN-Rede gleich zwölfmal vorkam im Kontext von Bedrohungsszenarien.
Trump hatte das 2015 von seinem Vorgänger Barack Obama abgesegnete, internationale Abkommen mit Teheran über ein Aussetzen seines Nuklearprogramms gegen Aufhebung verhängter Sanktionen als „Schande für die Vereinigten Staaten“bezeichnet. Netanjahu stimmt zu. Dieser Deal müsse entweder korrigiert oder aufgekündigt werden, appellierte er an die UN-Vollversammlung.
Neu ist die Kritik an dem Abkommen nicht. Von Beginn an hat Israel vor der Befristung gewarnt. Nach Auslaufen des Atom-Deals in zehn bis 15 Jahren sei das Mullah-Regime zu nichts verpflichtet. Netanjahu nannte das „Sonnenuntergangsklausel“, die dringendst aus dem Vertragswerk getilgt werden müsse. „Wenn die Sonne untergeht, wird ein großer Schatten auf den gesamten Nahen Osten fallen“, erklärte Netanjahu den Begriff – weil Iran dann wieder straffrei Uran für eine Kernwaffenproduktion anreichern könne.
Israelische Experten bezweifeln allerdings, dass Trump das Iran-Abkommen tatsächlich zu Fall bringen wird. Am 15. Oktober muss der USPräsident wie alle drei Monate die Vereinbarung zertifizieren. Tut er das nicht, könnte der US-Kongress wieder Sanktionen gegen Iran verhängen. Damit würde Trump den Konflikt mit anderen Weltmächten im UN-Sicherheitsrat riskieren.
Bislang kein Verstoß
Neben China, Russland, Frankreich und Großbritannien hat auch Deutschland den Deal mit Teheran unterschrieben. Laut der Atomaufsichtsbehörde in Wien ist den Iranern bislang kein Verstoß gegen die Auflagen nachzuweisen. Der Vertrag wird sogar als Modell einer denkbaren Entschärfung des Konflikts mit Nordkorea genannt. Eine Option, die sich erledigt hätte, sollten die USA ausscheren.
Amos Yadlin, Leiter des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien der Tel Aviver Universität und früher Chef des militärischen Geheimdienstes, führt noch ein weiteres Gegenargument an. Falls Trump den Deal platzen lasse, würden die Iraner erst recht alles daransetzen, Kernwaffen zu entwickeln. Ohne internationalen Rückhalt für neue Wirtschaftssanktionen bliebe nur die militärische Intervention, um Teheran zu hindern, Atommacht zu werden. Solange niemand einen realistischen Plan habe, solche iranischen Ambitionen zu vereiteln, „hält man sich besser an ein bestehendes Abkommen“, so Yadlin.
Womöglich wollte Netanjahu mit seinem Beschwören der atomaren Gefahr aus Iran auch mehr die Korruptionsermittler daheim beeindrucken, die ihn bald vorladen wollen, so israelische Kommentatoren.