Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Das Rad nicht neu erfinden – aber neu justieren
Katholische Kirche will Reformprozess einleiten, jetzt ist die Basis gefragt
ISNY - Die Kirche müsse die „Zeichen der Zeit“wahrnehmen, sich reformieren, denn die Gesellschaft verändere sich: „Sind wir noch dran an den Menschen mit dem, wie wir als Kirche leben und anbieten?“Diese Frage diskutiert ein „Prozess-Team“, dem Pfarrer, Diakone und Kirchengemeinderäte der Seelsorgeeinheit Isny angehören.
Man müsse zwar das Rad nicht neu erfinden, „aber wir müssen es neu einstellen, damit es gut läuft“, heißt es in einem Arbeitspapier der Diözese, das zu Reformen in den Gemeinden anregen will. „Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten“, ist der Reformprozess übertitelt, was die Absicht einer Breitenwirkung andeutet. Das Evangelium von Jesus Christus liege vor, so wie es in der Bibel vorgegeben sei, die Eucharistie werde gefeiert, auf der Tradition lasse sich aufbauen, heißt es dort.
„Aber wir müssen etwas verändern, aktualisieren, denn die Kirche erreicht in ihrer aktuellen Ausrichtung viele Menschen nicht mehr, das ist einfach eine Tatsache“, sagt der Isnyer Pastoralreferent Erich Nuß. Ein Reformprozess von unten sei erwünscht, mit Vorschlägen, Meinungen, Kritik von Nahestehenden der Kirche und von Fernstehenden. „Wo und wie möchten Sie die Kirche in ein paar Jahren sehen? Wie können wir für den heutigen, modernen Menschen attraktiver werden?“, werde von jenen gefragt, die sich verantwortlich fühlen.
Schnelle, vorgefertigte Antworten der „Oberen“helfen nicht weiter, wird befürchtet, weshalb Diakon Jochen Rimmele betont: „Das Ergebnis durch die Basisbeteiligung ist völlig offen. Die notwendigen Veränderungen müssen von den Menschen an der Basis kommen und dann gemeinsam getragen werden.“Jeder Beitrag sei wichtig und werde ernst genommen, wobei auch klar sei, dass für die Umsetzung durch das Prozess-Team Schwerpunkte gesetzt werden müssen, um sich nicht im Vielerlei und im Aktionismus zu verzetteln.
Pfarrer Edgar Jans sagt, er habe Abraham, den Urvater des Glaubens, vor Augen, der aufgefordert war, in unbekanntes Land aufzubrechen. Ohne zu wissen, wo er letztendlich landet, machte er sich auf den Weg und wurde reich gesegnet, Gott habe ihm seinen Mut hoch angerechnet.
Dem fügt Nuß ein Bildwort des Evangeliums vom Reich Gottes hinzu: Es wachse von selbst, vergleichbar einem Samenkorn, bis zur Ernte, ohne Zutun des Bauern, der es in den Boden ausgestreut hatte. Die Kirchen seien die irdischen Repräsentanten des Reich Gottes, die Frage sei nur, „ob wir uns als die Samen verstehen, die wachsen und reifen sollen, um Früchte zu bringen für Menschen und für unsere Welt“, sagt Nuß.
Die Evangelischen feierten 2017 ihre Reformation, die katholische Kirche strebe eine Reformation vor Ort an: „Wie also die Stellschrauben in den Gemeinden neu justieren? Wir wollen es gerne von Ihnen wissen“, lautet die Aufforderung des ProzessTeams an die Isnyer Katholiken. Für Rückmeldungen sind in jeder Kirche Stellwände aufgestellt, an denen Themenstichworte auf Ergänzungen aus der Basis warten – „gerne anonym, ohne jede Kontrolle“, betont das Team.