Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Berger Mordprozess: Staatsanwaltschaft plädiert auf schuldig
Urteil könnte am Freitag gefällt werden
RAVENSBURG - Das Ende im Berger Mordprozess rückt in greifbare Nähe, das Urteil könnte am Freitag verkündet werden. Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl und Nebenkläger Jürgen Caillet haben am Mittwoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit ihre Plädoyers gehalten. Wie der Oberstaatsanwalt mitteilte, sah er es in seinem Plädoyer als erwiesen an, dass der 46-jährige Angeklagte in der Nacht von 9. auf 10. Juli 2016 seine 43 Jahre alte Ehefrau in Berg erwürgt und dann ihren Selbstmord durch Erhängen vorgetäuscht hat.
Der Angeklagte war mit seinen drei Kindern am 9. Juli in ein Thermenhotel nach Erding gefahren. Laut Anklage soll er von dort nachts wieder nach Berg gefahren, seine von ihm getrennt lebende Ehefrau getötet und am frühen Morgen zurück nach Erding gefahren sein. Der umfangreiche Indizienprozess habe aus Sicht der Staatsanwaltschaft die Anklage „umfänglich bestätigt“. Die Tat weise die Merkmale eines Mordes auf: Heimtücke, Habgier und sonstige niedere Beweggründe. Dass der Angeklagte seine drei Kinder quasi als Alibi missbraucht habe, wertete der Vertreter der Anklage darüber hinaus als „planvoll, kaltblütig und perfide“. Deshalb forderte er das Gericht nicht nur auf, eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen, sondern auch eine besondere Schwere der Schuld festzustellen. Wenn das Landgericht Ravensburg der Forderung der Staatsanwaltschaft folgt, wird der Angeklagte frühestens in 20 Jahren aus der Haft entlassen.
Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft wurde die Öffentlichkeit bei den Plädoyers deshalb nicht zugelassen, weil die Kinder des Angeklagten bereits zuvor unter Ausschluss der Öffentlichkeit per Videovernehmung vernommen worden waren.
Den Plädoyers vorausgegangen waren am Mittwoch die letzten drei Beweisanträge des Angeklagten und seines Verteidigers. Fünf Anträge hatte das Gericht zuvor abgelehnt. Im letzten Antrag der Verteidigung drehte sich alles um einen „Abschiedsbrief“, den die 43-Jährige Ehefrau am Tag vor ihrem Tod geschrieben haben soll. Im Laufe des Antrags rückte der Pflichtverteidiger Hans Bense von der Bezeichnung „Abschiedsbrief“ab und sprach von „einem Brief“. Dieser sei handgeschrieben und liege der Verteidigung vor. Auf Grundlage dieses Briefs beantragte der Rechtsanwalt die Ladung des Polizeibeamten, der den Esstisch der 43-Jährigen nach ihrem Tod untersuchte. Sowohl Richter als auch Staatsanwalt zeigten sich von der Erwähnung eines „Abschiedsbriefes“irritiert. Auf die Frage, woher der Angeklagte den Brief habe, antwortete der Angeklagte zunächst, die Staatsanwaltschaft habe ihm den Brief geschickt. Daraufhin Diehl: „Ich habe dem Angeklagten sicher keinen Brief zugesandt, der sich nicht in den Akten befindet.“
Darauf änderte der Angeklagte seine Antwort und sagte, er habe den Brief vom Gericht bekommen, was der Vorsitzende Richter Jürgen Hutterer mit ungläubigem Staunen aufnahm. Schließlich sagte der Angeklagte, dass sich der Brief in einem Karton mit Briefen und Unterlagen befunden habe, den er im September oder Oktober 2016 von seinem Bruder und seinen Mitarbeitern bekommen habe. Vergangene Woche habe er dann die Unterlagen durchgesehen und darin den Brief gefunden.
„Anträge werden immer absurder“
Der Bitte des Gerichts, den Brief als Beweismittel vorzulegen, wollte die Verteidigung zunächst nicht folgen. Oberstaatsanwalt Diehl kommentierte den Vorgang mit „die Anträge der Verteidigung werden immer absurder“. Schließlich erklärte sich die Verteidigung bereit, den vermeintlichen Abschiedsbrief vorzulegen. Hutterer las den Brief vor, den die 43Jährige an ihren Noch-Ehemann geschrieben hatte. Darin nahm sie auf die Vorwürfe des Angeklagten Bezug, die sie sehr belasteten. „25 Jahre lang“habe sie immer zu ihm gehalten, aber jetzt gehe es nicht mehr. Sie bat um Verständnis, dass sie ihn jetzt alleinlasse. Von einem Selbstmord war keine Rede. Nach Verlesung des Briefes schloss das Gericht die Beweisaufnahme ab und bat die Vertreter der Anklage um ihre Plädoyers. Möglich wurde der Abschluss durch eine neue gesetzliche Grundlage. Sie erlaubt es dem Gericht, die Entscheidung über Beweisanträge zusammen mit dem Urteil zu verkünden.
Der Verteidiger wird am Freitag sein Plädoyer halten, ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit. „Möglicherweise“wird am gleichen Tag ab 16 Uhr das Urteil verkündet, so der Vorsitzende Richter.